Privatparkplatz am Bahnhof Groß-Gerau Knöllchen für 185 Euro - Falschparker klagen über "Abzocke"
Nur zwei Minuten Halten können hier richtig teuer werden: Wer sein Auto ohne Ticket am Groß-Gerauer Bahnhof abstellt, muss mit einer saftigen Mahngebühr rechnen. Einige Falschparker finden das völlig überzogen. Der Anwalt des Parkplatzbesitzers verweist auf die Regeln.
Auf dem großen Privatparkplatz neben dem Bahnhof in Groß-Gerau herrscht ein Kommen und Gehen. Es ist einer der wenigen Plätze in der Umgebung, auf dem es freie Parklücken gibt. Die beiden Kurzzeitparkplätze direkt am Bahnhof sind oft belegt.
Große Schilder an der Einfahrt und im hinteren Bereich machen klar, dass es sich um einen Privatparkplatz handelt und dass hier eine Gebühr fällig wird: zwei Euro für zwölf Stunden.
All das war auch Alissa Ott bewusst, als sie Mitte April auf den Parkplatz fuhr, wie sie dem hr erzählt. Sie hielt das Auto an, ließ eine Freundin aussteigen und fuhr weiter. Keine zwei Minuten habe das gedauert, versichert Ott: "Ich hatte nicht die Absicht zu parken. Aus den Schildern geht nicht hervor, dass Be- und Entladen verboten ist."
185 Euro für vier Minuten
Kurz darauf bekam Alissa Ott Post von einem Anwalt. Der mahnte sie, in Zukunft nicht mehr ohne Parkschein auf dem Parkplatz seiner Mandantin zu parken, und forderte dafür 185,10 Euro.
Ein Schreiben wie dieses bekamen schon einige Autofahrer in Groß-Gerau. Mehrere wandten sich an den hr. Darunter ist Sigi Ebner. Er berichtet, dass seine Frau auf dem Parkplatz ihr Auto lediglich gewendet habe. Das Beweisfoto des Anwalts zeige das Auto mit leuchtenden Lichtern. Er nennt das Vorgehen "Abzocke".
Dieses Wort kommt auch Andrea Donzella in den Sinn. Der 53-Jährige aus Groß-Gerau bekam ebenfalls Post von dem Anwalt, weil seine Frau das Auto abgestellt und ihre Kinder über die stark befahrene Straße zum Sprachunterricht begleitet habe, bevor sie weitergefahren sei. Zwei anderen Eltern sei es genauso gegangen.
Dabei habe er grundsätzlich Verständnis dafür, dass Falschparker zur Kasse gebeten würden, sagt Donzella: "Mal so ein Knöllchen für 30 Euro, okay. Aber 185 Euro für vier Minuten, das ist schon heavy."
Verkehrsrechtler spricht von Missverhältnis
Die Mahnschreiben verschickt die Kanzlei von Rechtanwalt Jan Bröcker aus Hasbergen in Niedersachsen. Auf hr-Anfrage stellt er klar, Falschparker müssten sich schlicht und ergreifend an die eigene Nase fassen: "Denn sie waren diejenigen, die sich nicht an die Spielregeln halten wollten." Bröcker verweist darauf, dass laut Gesetzgeber "sämtliche Ausreden rechtlich irrelevant sind, wenn keine Erlaubnis des Besitzers zur jeweiligen Nutzung erteilt wurde".
Grundsätzlich hält auch der Frankfurter Verkehrsrechtler Uwe Lenhart das Vorgehen seines niedersächsischen Kollegen für rechtens. "Aber mir erscheinen die 185 Euro in einem krassen Missverhältnis zu stehen zu den zwei Euro, die das Tagesticket kostet", sagt er. Er vermutet, das Geschäftsmodell der Parkplatzbesitzer basiere eher auf den Schreiben des Rechtsanwalts als auf den regulären Parkgebühren.
Ärger bei Kioskverkäuferin
Dass die Mahnungen inzwischen überhandnehmen, findet auch Daniela Mainka. Sie verkauft die Parktickets im Kiosk direkt neben dem Parkplatz und erzählt genervt: "Immer wenn die Leute ein Knöllchen bekommen, kommen sie hierher. Ich kann nur nichts machen. Ich verkaufe die Tickets nur."
Mainka erzählt von einem Fahrlehrer, dessen Schüler auf dem Privatparkplatz nur die Plätze im Auto getauscht hätten, und von Kunden, die nur eine Flasche Wasser in ihrem Kiosk gekauft hätten. Sie alle bekamen ihr zufolge ein Anwaltschreiben mit der hohen Mahngebühr.
Die Stadtverwaltung teilt mit, dass sie keinen Anlass zum Handeln sehe, etwa um Autofahrer vorzuwarnen. "Uns sind bisher keine weiteren Fälle bekannt, und die Stadt hat bisher keine Maßnahmen dahingehend getroffen", sagt ein Sprecher.
Aus Panik bezahlt
Für den Frankfurter Rechtsanwalt Uwe Lenhart ist das Vorgehen auf dem Parkplatz in Groß-Gerau kein Einzelfall: "Ich glaube, das ist ein sehr großer Trend, der auch vorgelebt wird." Er verweist auf das Parksünder-Portal der Stadt Frankfurt. Lenharts Vergleich hinkt jedoch. Über das Portal werden lediglich dem städtischen Ordnungsamt mögliche Parkvergehen und Behinderungen für andere Verkehrsteilnehmer mitgeteilt, die das Amt noch prüft.
Mit Blick auf den Parkplatz in Groß-Gerau findet Lenhart: "Wenn es ein Geschäftsmodell ist, sollte man es einmal gerichtlich überprüfen lassen."
Andrea Donzella, Alissa Ott und Signi Ebner überwiesen das geforderte Geld allerdings längst, wie sie erzählen. Eine Beratung bei ihrer Rechtsschutzversicherung habe ergeben, dass bei einem Rechtsstreit ihre eigenen Anwaltskosten vermutlich höher geworden wären als 185 Euro, sagt Alissa Ott.
Tipp vom Anwalt: nicht reagieren
Rechtsanwalt Lenhart rät dagegen, auf das Schreiben zunächst einmal nicht zu reagieren. Sollte ein Widerspruch nötig werden, brauche es dafür keinen Anwalt. Auch vor dem Amtsgericht gebe es keinen Anwaltszwang.
Für Andrea Donzella klingt das zu riskant. Er verweist auf die Zeile im Schreiben des Anwalts Bröcker, dass vor Gericht bereits in erster Instanz Kosten von bis zu 1.159,29 Euro entstehen könnten. "Da habe ich Panik bekommen und bezahlt."