Ein Jahr Afrikanische Schweinepest in Hessen Kadaver, Geldsorgen und Existenzängste

Seit einem Jahr wütet die Afrikanische Schweinepest in Südhessen. Noch immer bergen geschulte Teams bis zu 100 Wildschweinkadaver pro Woche. Die Bekämpfung der Seuche kostet Millionen. Die Schweinebauern, die noch übrig sind, denken übers Aufhören nach.

Ein Bauer steht vor einem Stall und füttert die Schweine darin.
Landwirt Peter Seeger in seinem Schweinestall. Bild © hr

Tausende gekeulte Hausschweine, hunderte verendete Wildschweine, mit Zäunen bewehrte Sperrzonen im Wald, ums wirtschaftliche Überleben kämpfende Landwirte, überlastete Jäger und Regionalpolitiker angesichts einer immensen Herausforderung und klammer Kassen: Die Afrikanische Schweinepest betrifft weit mehr als die infizierten Tiere. Was Betroffene ein Jahr nach dem ersten gemeldeten Fall in Hessen sagen.

Videobeitrag

Ein Jahr Schweinepest in Hessen

Landwirtschaftsminister beim Interview
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Die Schweinebauern

Ein Stall bleibt leer

Der Schweinestall von Rainer Roth in Riedstadt-Wolfskehlen (Groß-Gerau) ist leer. Seit hier im Juli 2024 insgesamt 178 Schweine gekeult werden mussten, hat keine rosa Schweineschnauze mehr am Boden geschnüffelt. Für Roth ist die Erinnerung daran, wie das Virus bei seinen Sauen festgestellt wurde, immer noch schmerzhaft: "Ich hatte ja gehofft, dass ich irgendwann aufwache, dass alles nur ein böser Traum ist."

Erst 2023 ist der Stall von Rainer Roth fertig geworden, eine moderne Anlage mit Außenklimaanlage. Das Futter sollte aus eigenem Anbau kommen, die Schweine wurden auf dem Hof geschlachtet. Obwohl er inzwischen dürfte, traut sich Rainer Roth noch nicht wieder Schweine in seinen Stall zu holen - aus Angst vor neuen Infektionen.

Der Landwirt steht draußen vor dem Gebäude, in dem früher sein Schweinestall war.
Rainer Roth musste seine Schweine schlachten lassen. Bild © hr

Die Erfahrung zeige, dass die Ansteckung im Hochsommer besonders wahrscheinlich sei, sagt Roth. Deshalb will der Bauer seinen Stall auf jeden Fall noch bis September leer stehen lassen. "Es ist schon schwierig, da wieder reinzugehen und zu sehen: Wir sind bei Null."

Rainer Roth ist nicht der einzige Schweinehalter im Kreis Groß-Gerau, der vorsichtig bleibt. Gab es vor Ausbruch der Schweinepest im Kreis noch mehr als 3.000 Hausschweine, sind es jetzt noch rund 700, so das Veterinäramt.

Schweine als Minusgeschäft

In Otzberg (Darmstadt-Dieburg) recken junge Schweine ihre Rüssel neugierig durch die Gitterstäbe im Stall von Peter Seeger. Obwohl er noch keine Infektion in seinem Stall hatte, ist der Landwirt von der Afrikanischen Schweinepest stark betroffen. Mit Blick auf die wuseligen Tiere neben ihm sagt er: "Eigentlich wissen wir schon jetzt, dass wir mit denen kein Geld verdienen."

Der Grund ist, dass der Stall von Peter Seeger und damit die rund 2.000 Schweine darin in der Sperrzone 2 liegen. Sprich: Es gelten strenge Regeln, wenn er die Schweine zum Schlachten bringen will.

Noch immer fährt Peter Seeger seine Schweine dafür in einen großen Schlachthof in Kellinghusen (Schleswig-Holstein). Die Fahrt ist stressig für die Tiere und kostspielig: "Das kostet uns jedes Mal bis zu 30 Euro mehr pro Schwein, als wenn wir es hier vor Ort verkaufen könnten. Dieses Dilemma hat sich in den letzten zwölf Monaten nicht gelöst."

Dazu kommt: Ein Jahr nach dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Hessen läuft für Peter Seeger nun auch die Versicherung aus, die ihn absichert, falls das Virus es wieder in einen Schweinestall in seiner Nähe schafft und er seine Schweine dann gar nicht mehr verkaufen dürfte: "Das ist das große Damoklesschwert, das über uns hängt, weil das kostet uns die Existenz."

Seit 25 Jahren lebt Peter Seeger von der Schweinehaltung. Jetzt muss er seine Rücklagen antasten, wie er sagt: "Wenn es wirtschaftlich gar nicht mehr geht, müssen wir die Schweinehaltung kurzfristig einstellen."

Ein Schwein steht in seinem Stall und guckt geradewegs in die Kamera.
Die Schweinepest bereitet Landwirten auch nach einem Jahr noch Sorgen. Bild © hr

Die Jäger

Neue Phase im Kampf gegen die Seuche

Im Naturschutzgebiet Tongruben in Heppenheim machen sich drei Jäger vom Jagdclub Sankt Hubertus bereit zur Wildschweinjagd, hängen sich die Gewehre mit Schallschutzdämpfern über die Schultern und stecken Wärmebildkameras ein. Seit einigen Wochen sollen die Jäger die neue Phase im Kampf gegen die Schweinepest einläuten und Wildschweine in sogenannten weißen Zonen nahezu ausrotten. Also in Zonen in den stark betroffenen Gebieten, die durch Zäune doppelt begrenzt sind.

Eine Aufgabe, die vielen Jägern schwerfällt, die aber notwendig ist, erklärt Markus Stifter, Sprecher des Hessischen Landesjagdverbands. Denn das Virus bleibe lange ansteckend, und Schweine könnten sich viele Monate später durch einen Virusrest neu infizieren: "Dann geht die ganze Maschinerie von vorne los."

Mancherorts hat kaum ein Wildschwein überlebt

Dabei haben sich die Jagdgebiete inzwischen stark verändert, erzählen die Jäger im Kreis Bergstraße, der mit mehr als 1.000 positiv getesteten Wildschweinen der aktuell am stärksten betroffene Landkreis in Hessen ist. Rund 450 Wildschweine hat allein der Bergsträßer Jäger Gerhard Held inzwischen geborgen. Es gebe Bereiche, in denen habe kaum ein Wildschwein die Schweinepest überlebt.

Gleichzeitig habe das monatelange Jagdverbot in anderen Bereichen, wo die Schweinepest noch nicht stark um sich gegriffen habe, die Wildschweinpopulation immer weiter wachsen lassen. Held fasst das so zusammen: "Es ist komplett anders geworden. Man muss schauen, was es überhaupt noch an Schweinen gibt und wie es da weitergeht."

Bis zu zehn Abende, um ein Tier zu erlegen

Joachim Kilian als Vorsitzender des Bergsträßer Jagdclubs St. Hubertus hat inzwischen auf einem Hochsitz Platz genommen. Auch das Jagen habe sich verändert, erzählt er. Die Jäger müssten jetzt vermehrt auf jüngere Wildschweine schießen - zur Seuchenbekämpfung. Keine leichte Aufgabe, sagt er: "Wildschweine sind sehr schlau, sehr lernfähig."

Bis zu zehn Abende braucht Kilian, um ein Wildschwein zu schießen. Macht das einen gesunden Eindruck, gibt es zwei Möglichkeiten: Das Schwein nach einem Test selbst zu verwerten oder es gegen eine Prämie von 200 Euro zur Entsorgung zu geben. Mehr als 500 Wildschweine haben die Jäger seit April im Kreis Bergstraße erschossen. Doch es bleibt mühsam. Joachim Kilian klettert an diesen Abend ohne Treffer vom Hochsitz.

Die Politiker

Tiefer Griff in die Kreiskasse

Im Bergsträßer Landratsamt in Heppenheim hat der hauptamtliche Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf (Grüne) die Zahlen genau im Blick. Rund 3,5 Millionen Euro habe die Afrikanische Schweinepest die Kreiskasse inzwischen gekostet. Sollte die Seuche bis 2027 andauern, könnten die Kosten auf bis zu zehn Millionen Euro steigen.

Das Geld fließt dabei unter anderem in die Unterhaltung von Zäunen, in Kadaversuchhundetrupps und in die Beprobung und Entsorgung von Wildschweinkadavern. Schimpf macht das Sorgen: "Das belastet natürlich die klamme Kasse des Kreises."

Hoffen auf Geld vom Bund

Das Land hat bereits jetzt rund 20,5 Millionen Euro zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest ausgegeben. Ein Teil davon ist in mehr als 280 Kilometer Festzaun und 300 Kilometer mobilen Zaun geflossen. Landwirtschaftsminister Ingmar Jung (CDU) macht dabei deutlich: "Im Kern sind alle Maßnahmen, darauf gerichtet, dass die Schweinehaltung in Südhessen eine Zukunft hat."

Dabei helfe Hessen entscheidend dabei, dass sich die Seuche nicht in andere Bundesländer ausbreite, betont Jung. Der Landesminister hofft deshalb auf finanzielle Unterstützung vom Bund, wobei er die neue, unionsgeführte Regierung in Berlin als gesprächsoffen empfindet: "Wir sind im engen Austausch und sitzen an einem Tisch."

Damit die Afrikanische Schweinepest als überwunden gilt, darf ein Jahr lang kein positiver Wildschweinkadaver mehr gefunden werden. Aktuell bergen die Teams laut dem Landesjagdverband wöchentlich 50 bis 100 Kadaver in Südhessen.

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de