Neue Gesetze Gibt es eine Trendwende beim Windkraft-Ausbau in Hessen?
Seit Januar sind in Hessen neun Windanlagen genehmigt worden - das sind deutlich weniger als im Vorjahr. Dabei sollten neue Gesetze die Verfahren ab diesem Jahr erleichtern. Aber es gibt auch Anzeichen einer Trendwende.
Bis 2030 möchte die Ampel-Koalition die deutsche Windkraft verdoppeln. Dafür müssten laut Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bundesweit im Schnitt fast sechs Windräder pro Tag gebaut werden. Neue Gesetze wurden dafür in diesem Jahr auf den Weg gebracht.
Seit Anfang des Jahres gilt eine EU-Notfallverordnung, die den Ausbau von erneuerbaren Energien beschleunigen soll. Seit dem 1. Februar ist außerdem das Energie-an-Land-Gesetz in Deutschland in Kraft. Es bestimmt, dass bis 2032 zwei Prozent der Landfläche für Windenergie bereitstehen müssen. Hessen hat als eines von zwei Bundesländern dieses Ziel bereits erreicht.
Deutlich mehr Anlagen in Betrieb
Laut Wirtschaftsministerium beschleunigen die neuen Gesetze den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Hessen. Bis zum 12. Juni sind in Hessen zwölf Windenergieanlagen (WEA) mit einer Leistung von über 64 Megawatt in Betrieb genommen worden.
Zum Vergleich: Im ganzen Jahr 2022 gingen 14 Anlagen (bis Juni 2022: 2) mit einer Gesamtleistung von 63 Megawatt in Betrieb. "Bereits jetzt zeigt sich, dass die Energiewende in Hessen wieder an Tempo gewinnt", hieß es vom Ministerium dazu.
Um beurteilen zu können, ob die neuen Gesetze wirken, sei es noch zu früh, sagte Gisela Katharina Prenzel vom hessischen Landesverband Windenergie. "Aber wir sind guter Hoffnung. Es gibt Anzeichen für eine Trendwende." Derzeit seien etwa 300 Windräder in Hessen in Genehmigungsverfahren.
Stand der Neugenehmigungen ein "Armutszeugnis"
Doch genau da liegt das Problem. Noch immer ziehen sich die Genehmigungen zu lange hin. Von Januar bis Mitte Juni wurden in Hessen neun Windräder genehmigt, im selben Zeitraum 2022 waren es 46. Wobei einige davon eine Klage anhängen haben. Das geht aus Zahlen der Regierungspräsidien hervor.
Der Stand der Neugenehmigungen sei vor allem in Süddeutschland "ein Armutszeugnis", sagte der Präsident des Bundesverbands Windenergie, Hermann Albers. Der Jahresstart sei in weiten Teilen Deutschlands "nicht weniger als ein Totalausfall" gewesen.
Bis ein Windrad gebaut werden darf, vergeht viel Zeit. Aktuell dauert es im Schnitt fünf bis sieben Jahre von der Planung bis zur Inbetriebnahme eines neuen Windrads. In Hessen dauert alleine die Genehmigung im Durchschnitt über drei Jahre. Nirgends sonst in Deutschland ziehen sich die Verfahren länger hin. Das zeigt eine Veröffentlichung der Fachagentur Windenergie an Land.
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Im vergangenen Jahr sei die Dauer für eine Genehmigung deutlich gesunken, heißt es aus dem Ministerium. Ein Verfahren habe 2022 im Durchschnitt 15 Monate gedauert, und damit rund zwei Jahre weniger als in den Zahlen der Fachagentur Windenergie an Land. "Das ist deutlich schneller als in den Jahren davor, aber das muss noch schneller gehen", sagte Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne).
Neue Gesetze sollen Zeit sparen
Das soll sich mit den neuen Gesetzen ändern. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die neuen Regelungen Genehmigungsverfahren deutlich verkürzen. Bei Windrädern an Land könnte rund ein Jahr eingespart werden. "Wir erwarten, dass die neuen Windenergieanlagen durch die Beschleunigungsgesetze jetzt auch viel schneller ans Netz gehen werden", sagte Al-Wazir. Denn aktuell könne man mit dem Ausbau der Windenergie in Hessen noch nicht zufrieden sein.
2016 sind in Hessen 178 Windräder genehmigt worden. Das waren fast gleich viele wie in den darauffolgenden sechs Jahren zusammen. Das zeigt eine hr-Auswertung von Daten des Umweltministeriums. Von 2017 bis 2022 bekamen insgesamt 189 Windenergieanlagen im Land ihr Okay. "Die Genehmigungsbehörden müssen mutiger und wesentlich schneller werden", sagte Prenzel vom Landesverband Windenergie.
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Stromerzeugung deutlich gesunken
Beim Thema Windenergie ist in Hessen deutlich Luft nach oben. So wurden im Jahr 2020 in Hessen etwa 4.500 Gigawattstunden Strom aus Windkraft erzeugt, 2021 waren es etwa 3.700 Gigawattstunden. Das bedeutet einen Rückgang um über 18 Prozent.
Und auch insgesamt nahm die Bruttostromerzeugung aus erneuerbaren Energien 2021 im Vergleich zu 2020 um fast zehn Prozent ab. Der Anteil an der gesamten Stromerzeugung sank damit mit 49 Prozent wieder knapp unter die Hälfte. Im Jahr 2020 lag der Anteil noch bei 53 Prozent.
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2022 gab es dann Besserungen: Im ersten Halbjahr 2022 wurde in Hessen 22 Prozent mehr Strom aus Windrädern eingespeist als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Damit lag der Anteil der erneuerbaren Energien an der hessischen Bruttostromerzeugung im ersten Halbjahr 2022 bei 58 Prozent und damit über dem Ergebnis von 2020. Zahlen zum zweiten Halbjahr liegen noch nicht vor.
"Windenergie stagniert seit Jahren"
Der hessische Landesverband Windenergie kritisiert dennoch: "Der Ausbau der Windenergie stagniert seit Jahren." Zahlreiche Hemmnisse haben die Windenergie in Hessen zum Erliegen gebracht, hieß es in einem Schreiben des Landesverbands.
Dazu zählen unter anderem die vielen Klagen, die gegen Anlagen eingereicht werden. "Leider wird über die Hälfte der Genehmigungen von Windenergieanlagen in Hessen beklagt", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Könnte man diese über 60 bereits genehmigten Anlagen ans Netz nehmen, dann könnte eine Stadt wie Wiesbaden komplett mit Strom versorgt werden.
Aber es geht weiter: In den drei hessischen Regierungspräsidien seien Hunderte neue Windenergieprojekte angekündigt worden. Auch die notwendigen Flächen, um diese Windräder zu bauen, seien vorhanden. Nun stellt sich nur noch die Frage, wie lange die Umsetzung dauert - und, ob es mögliche Klagen gibt.
Anm. d. Red.: In einer früheren Version des Berichts hieß es, dass die Genehmigung eines Windrads in Hessen im Jahr 2022 im Durchschnitt 20 Monate dauerte. Diese Zahl wurde inzwischen auf 15 Monate korrigiert.