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Ferrero expandiert in Stadtallendorf

Tor von Fabrik mit Aufschrift Ferrero

Mit dem A49-Ausbau setzt der Süßwarenkonzern Ferrero auf Expansion in seinem Werk in Stadtallendorf. Rund 100 Millionen Euro sollen unter anderem in die Produktion von Likör-Pralinen fließen. Doch nicht jeder findet das berauschend.

Es ist eine der größten Schokoladenfabriken Deutschlands: Rund 2.500 Tonnen Süßigkeiten werden pro Tag in Stadtallendorf (Marburg-Biedenkopf) produziert. 1956 war das Werk in Mittelhessen der erste Auslandsstandort überhaupt des ursprünglich in Norditalien gegründeten Süßwarenkonzerns.

Das Ferrero-Werk prägt die Kleinstadt seit fast 70 Jahren: Zahlreiche Laster voller Süßwaren rattern jeden Tag durch die Straßen, viele der rund 21.000 Einwohner finden in der Fabrik Arbeit. Inzwischen hat Ferrero zwar seinen deutschen Verwaltungssitz in Frankfurt, aber Stadtallendorf ist mit rund 5.000 Angestellten weiterhin Hauptproduktionsstätte.

Der Konzern will dem Standort offenbar auch in Zukunft treu bleiben. Ferrero will rund 100 Millionen Euro in die Modernisierung des Werks stecken.

Ferrero: "Optimierung der Nachhaltigkeit"

Man wolle in Zukunft einen Schwerpunkt auf die "Optimierung der Nachhaltigkeit" legen, heißt es von den Italienern. Dazu werde die Produktionstechnik auf den neuesten Stand gebracht und eine neue energieeffiziente Produktionshalle gebaut.

Die Pläne beinhalten laut Hessischem Staatsanzeiger außerdem ein Kältelager, ein Wertstoffzwischenlager und ein 430 Quadratmeter großes Alkohollager. Vor allem geht es dabei um die Herstellung der Likör-Praline "Mon Chéri". Bis 2025 soll der Ausbau fertig sein.

Genehmigung steht noch aus - 34 Einwendungen

Allerdings regt sich am Bau auch Kritik - und noch sind die Baumaßnahmen nicht vollständig genehmigt. Es steht die immissionsschutzrechtliche Genehmigung durch das Regierungspräsidium Gießen (RP) aus. Dieses Verfahren wird anstelle eines normalen Baugenehmigungsverfahrens eingesetzt, wenn Bau oder Betrieb einer Industrieanlage möglicherweise schädlich für die Umwelt, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft sein könnten.

Nachdem die Bauanträge im November und Dezember in Stadtallendorf öffentlich auslagen, wurden 34 Einwendungen eingereicht, teilt das RP Gießen mit. Dafür steht nun ein Erörterungsverfahren an, das am 7. März beginnen soll.

Wichtiges Trinkwassergebiet

Der Hintergrund: Die Region rund um Stadtallendorf gilt als wichtigste Trinkwasserressource in Mittelhessen - und als eine der wichtigsten des Bundeslandes, wie es in einer Veröffentlichung des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) heißt.

Die Grafik zeigt den Verlauf der geplanten Verlängerung der A49 und die Trinkwasserschutzgebiete, die davon betroffen sind.

Rund um die Stadt befinden sich zahlreiche Trinkwasser-Entnahmestellen. Gleichzeitig befand sich hier in der NS-Zeit die größte Sprengstofffabrik Europas. Die Altlastensanierung ist bis heute Thema und wurde auch beim Ausbau der A49, die direkt an Stadtallendorf vorbeiführen soll, viel diskutiert.

Umweltschützer fürchten Schadstoffe im Grundwasser

Aufgrund des Ausbaus der A49 haben Umweltschützer die Region derzeit besonders im Fokus. Hinzu kommt: Ferrero gilt als einer der Fürsprecher des Autobahnausbaus – und als einer der Profiteure. Vom Werkstor bis zur neuen Auffahrt werden es bald nur noch fünf Kilometer sein. Schon während der Rodung für die A49 hatte es Proteste gegen Ferrero gegeben.

A49-Aktivisten protestieren vor dem Ferrero-Werk in Stadtallendorf

Umweltschützer wie die Organisation Parents for Future fürchten nun wie schon beim Bau der Autobahn durch Arbeiten auf dem Ferrero-Gelände, das ebenfalls im Trinkwasserschutzgebiet liegt, erhebliche Risiken für die Umwelt: Durch den Bau von Fundamenten könnten Schadstoffe ins Grundwasser eindringen, meinen sie. Die Organisation spricht zudem von "Erpressung" durch Ferrero. Das Unternehmen drohe, Arbeitsplätze abbauen zu wollen, wenn der Bau nicht genehmigt werde, so der Vorwurf.

Zudem kritisieren die Umweltschützer, dass bereits die Erlaubnis erteilt wurde, Bäume auf dem Firmengelände zu fällen, bevor das Genehmigungsverfahren abgeschlossen ist. Sie sehen darin ein Zeichen, dass ihre Einwände vonseiten des RP nicht wirklich ernstgenommen werden.

Positivprognose: Baumfällarbeiten bereits durchgeführt

Tatsächlich hat das RP Gießen bereits bauvorbereitende Baumfällmaßnahmen auf 3,3 Hektar Firmengelände genehmigt, die nur bis Ende Februar durchgeführt werden durften. Grundlage für die Zustimmung war laut RP eine sogenannte Positivprognose. "Das heißt, die Voraussetzungen zur Genehmigung des Gesamtvorhabens liegen vor oder können durch Auflagen und Bedingungen hergestellt werden."

Um Eingriffe in den Boden zu vermeiden, wurde zunächst nur das Abschneiden der Bäume und Sträucher genehmigt, so das RP. Inzwischen seien die Arbeiten abgeschlossen.

Bürgermeister: Gute Nachricht für die Stadt

Stadtallendorfs Bürgermeister Christian Somogyi (SPD) ist klarer Fürsprecher für das Bauvorhaben. Er sieht die geplante Millionen-Investition als gute Nachricht für die Stadt. "Es stärkt den Wirtschaftsstandort Stadtallendorf", erklärt er gegenüber dem hr.

"Es besteht immer die Möglichkeit, dass ein Unternehmen irgendwann abwandert, aber der Ausbau garantiert Stadtallendorf mindestens 1.000 Arbeitsplätze für die kommenden 30 bis 40 Jahre." Die Stadt habe sich in einer Stellungnahme gegenüber dem Regierungspräsidium Gießen klar dafür ausgesprochen, so Somogyi. Er gehe davon aus, dass das RP bei der Genehmigung alles notwendige beachten werde, damit es durch den Bau zu keiner negativen Beeinträchtigung der Umwelt kommt.

Erörterung: RP führt Online-Verfahren durch

Als nächstes steht nun die Erörterung der Einwendungen an. Dafür war laut Staatsanzeiger ursprünglich ein Termin Mitte März angesetzt. Stattdessen hält das RP Gießen nun vom 7. bis 24. März ein schriftliches Online-Erörterungsverfahren ab. Die Möglichkeit für dieses alternative Verfahren wurde erst im Rahmen der Corona-Pandemie gesetzlich erlaubt und kürzlich noch einmal bis Ende 2023 verlängert. Auch die Wahl des Verfahrens sorgt für Kritik von Umweltschützern: Sie sehen sich dadurch der Möglichkeit beraubt, sich vor einem direktem Gegenüber öffentlich zu äußern.

Das RP erklärt dazu auf hr-Anfrage: Das Online-Verfahren sei nicht aus Pandemiegründen gewählt worden, sondern weil die Einwendungen teilweise überregional erfolgt seien. Man wolle auch diesen Menschen die Möglichkeit geben, sich zu beteiligen, so das RP.

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