Im Vordergrund eine Geldbörse mit Kleingeld, im Hintergrund ein Volksfest

Beim Blick auf die Preise für Bier und Snacks wird manchem Besucher von Volksfesten auch ohne Karussell schwummrig. Greift hier die Inflation oder doch eher die Profitgier? Veranstalter berichten von hohem Preisdruck.

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Angehobene Preise bei Festen bremsen die Konsumlaune

Kettenkarussell auf dem Kasseler Volksfest Zissel
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Gestiegene Preise für Essen und Trinken stoßen Besuchern bei Volksfesten in Hessen sauer auf. Egal ob Bratwurst, Pommes oder Crêpes hier oder Bier, Wein und Longdrinks da - wer sich bei Festen kulinarisch etwas gönnen möchte, muss immer tiefer in die Tasche greifen. Und das dämpft die Feierfreude und bremst die Konsumlaune.

In Fulda wurde an den vergangenen Wochenenden viel gefeiert. Die Besucher strömten nach den Entbehrungen der Corona-Pandemie in Scharen herbei. Doch der Blick auf die Preistafeln dürfte manch einem auf den Magen geschlagen sein.

7,50 Euro für einen kleinen gefüllten Becher, der einen Longdrink darstellen soll. Oder etwa 10,50 Euro für einen "mediterran belegten", gebackenen Brotfladen - man musste bei den Festen in Fulda tapfer sein, um sich die gute Laune nicht verderben zu lassen.

"Gestiegene Preise sind auffällig"

Edi Leib, die beim Fuldaer City-Marketing mitverantwortlich für die Ausrichtung des Stadtfests ist, sagte dem hr auf Anfrage: "Die generell stark gestiegenen Preise für Essen und Trinken bei Festen sind schon auffällig. Ich kann zwar niemandem vorwerfen, dass sich Standbetreiber bereichern." Erst recht nicht nach der langen Corona-Krise und mit Blick auf Inflation und Personalsorgen.

"Aber die Besucher kommen an einen kritischen Punkt", mahnte Leib. "Da sitzt dann der Euro nicht mehr locker. Die Menschen wollen sich was gönnen, können es sich aber nicht mehr leisten. Dann verdient auch kein Standbetreiber mehr, wenn zu stark an der Preisschraube gedreht wird und die Kundschaft fernbleibt."

"Anders geht es nicht mehr"

Der Fuldaer Gastronom Jochen Köhler kann trotz des Preis-Schubs "keine große Zurückhaltung" der Kundschaft beobachten. Er betrachtet die Anpassungen als notwendig: "Anders geht es nicht mehr." Sein Anspruch sei, ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten. "Aber jeder kalkuliert unterschiedlich. Und auch ich wundere mich manchmal, was verlangt wird."

Köhler erklärt, dass ihm und seinen Kollegen höhere Kosten zu schaffen machen: Gebühren, Strom, Wasser, Sicherheitsleute und vor allem der Mindestlohn belasteten seine Kalkulation. Hinzu kommt die Inflation, die sich wie ein Schatten über die Konsumbereitschaft legt.

Zwar hat sich die Teuerungsrate abgeschwächt, sie lag im Mai bei 6,1 Prozent. Doch die Preise für Lebensmittel stiegen weiter massiv - um fast 15 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Von Verbrauchern werden die Folgen der Teuerung sogar noch drastischer wahrgenommen. Die "gefühlte Inflation" liegt bei 18 Prozent, wie jüngst aus einer Studie hervorging.

"Gierflation" greift um sich

Ursprünglich waren die Folgen der Corona-Krise, der Ukraine-Krieg und die Energiepreise Auslöser der hohen Inflation. Nun zeigt sich aber auch, dass viele Unternehmer die Preise künstlich antreiben. "Gierflation" heißt in Branchenkreisen neuerdings das Phänomen, bei dem deutlich mehr auf den Endpreis geschlagen wird, als es die gestiegenen Kosten für Strom, Gas oder Vorprodukte rechtfertigen lassen.

Der Trend ist sogar schon Thema in der großen Wirtschaftspolitik. So kritisierte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, die Profitgier und forderte nationale Wettbewerbsbehörden auf, sich mit dem Thema zu befassen.

Trittbrettfahrer und schwarze Schafe

Nichtsdestotrotz: Der Hotel- und Gastronomieverband Dehoga Hessen empfiehlt seinen Mitgliedern, Preissteigerungen realistisch an die Verbraucher weiterzugeben und gut zu kommunizieren. "Aber es gibt leider auch Trittbrettfahrer und schwarze Schafe, die Produkte extrem verteuert anbieten", sagte Hauptgeschäftsführer Oliver Kasties nach eigener Beobachtung.

Das Ausgabeverhalten der Kundschaft habe sich während der Inflation stark verändert, sagte Kasties. Es gebe weniger spontanen Konsum. Vor allem Familien müssten auf ihr Budget achten. Die schlechte Nachricht für Volksfest-Besucher: Sie müssen sich weiter auf höhere Preise einstellen.

Kalkulation mit spitzem Bleistift beim Heinerfest

Beim Heinerfest (29. Juni bis 3. Juli), zu dem in Darmstadt alljährlich rund eine halbe Million Menschen strömen, wird's für die Besucher teurer im Vergleich zu früher. Ines Philipp, Geschäftsführerin des Heimatvereins als Veranstalter, sagt: "Ist aber kein böser Wille der Schausteller. Sie sind bemüht, Volksfeste für die Besucher bezahlbar zu halten und kalkulieren mit spitzem Bleistift. Mit ihnen wird oft hart ins Gericht gegangen." Wie hoch die Preise sind, könne jeder Betreiber selbst entscheiden.

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Höhere Preise beim Opernplatzfest in Frankfurt

Ein Kellner gießt Wein in ein Weinglas.
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Vor den in diesem Sommer in Frankfurt stattfindenden Festen sagte eine Tourismus-Sprecherin: "Es wird wie überall auch Preissteigerungen geben." Zum Ausmaß konnte sie keine Angaben machen. Die Standbetreiber müssten ihre erhöhten Kosten mit höheren Preise ausgleichen. Jeder kalkuliere für sich. Letztlich regele der Wettbewerb auf den Festen das Geschäft.

Verbraucher haben die Wahl

In Kassel sagte eine Sprecherin der Marketing-Gesellschaft: Kosten für Getränke und Essen kalkuliere jeder Wirt und Schausteller selbst. Einen Einfluss auf die Preise habe die Stadt nicht. "Am Ende darf der Besucher wählen, wo er kauft - oder eben nicht."

Markus Reisinger, Ökonomie-Professor bei der Frankfurt School of Finance & Management, sagte dem hr: "Es ist sehr schwer zu sagen, ob Preissteigerungen gerechtfertigt oder überzogen sind." Meist basierten sie auf erhöhten Kosten. Beispiel: Aktuell seien die Preise für Hopfen und Braumalz für die Bierproduktion massiv gestiegen.

Feierlaune für Veranstalter von Vorteil

Gestiegene Kosten seien der wichtigste Einflussfaktor. Der Mindestlohn trage nur gering zu höheren Preisen bei, so Reisinger. Dass die Menschen nach Corona wieder in Feier-Laune sind, ist für die Veranstalter psychologisch von Vorteil: "Generell achten Konsumenten bei Volks- und Stadtfesten weniger auf den Preis, da man sich in Gesellschaft befindet und nicht jeden Euro für ein Bier oder eine Bratwurst umdrehen möchte."

Ein Flammkuchen und ein stehen auf einem Tisch. Im Hintergrund zeigt sich eine Volksfest-Atmosphäre

Auch Wirtschafts-Professor Frank Pisch von der TU Darmstadt sagt: "Wenn die Nachfrage nach Vergnügen auf Volksfesten und Festivals sehr hoch ist, können Gastronomen und Veranstalter höhere Gewinne durchsetzen. Es wird ja niemand zu einem Besuch gezwungen." Möglich sei aber, dass "gerade bei großen Veranstaltungen aufs Preispedal getreten wird und so höhere Gewinne entstehen".

Schützenfest Fulda will mit positivem Beispiel vorangehen

Die Verbraucherzentrale in Hessen rät Besuchern, sorgfältig zu überlegen, ob sie mit den Preisen bei Volksfesten leben können - oder die Feste meiden. Dass es auch ohne Preissprünge geht, will der bundesweit aktive Veranstalter Heiner Distel beim Schützenfest Ende Juli in Fulda zeigen. Trotz gestiegener Energiepreise und Inflation werde es "keine Preiserhöhungen" geben: "Das Volksfest muss bezahlbar sein, auch für Leute mit einem kleineren Geldbeutel", sagte er.