Jungunternehmer in Räucherraum mit Lachs

Mehr als 40 Jahre produzierte Heinrich Pahle Räucherlachs höchster Qualität. Nun hört er aus Altersgründen auf. Seinen Betrieb übernehmen fünf junge Männer aus Südhessen - und trotzen damit Inflation und Energiekrise.

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Fünf Jungunternehmer übernehmen Lachsräucherei

Lachshälften im Räucherofen
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Durch die Kellerräume im Hinterhof der Metzgerei in Riedstadt (Groß-Gerau) zieht ein leicht rauchiger Geruch. Er wird intensiver, je mehr man sich einer großen Tür nähert. "Jetzt geht es in das Heiligtum", kündigt Marco Steinbrecher an. Der 23-Jährige ist für Marketing und Kommunikaton der Pahle GmbH zuständig, die Wildlachs aus Alaska veredelt und vertreibt.

Steinbrecher ist einer von fünf Jungunternehmern im Alter von 20 bis 23 Jahren, die die Verantwortung dafür übernommen haben, das Lebenswerk von Heinrich Pahle fortzuführen. Mehr als vier Jahrzehnte hatte der inzwischen knapp 77-Jährige auf seinem Grundstück auf der anderen Rheinseite im rheinland-pfälzischen Lörzweiler Alaska-Rotlachs, auch Sockeye genannt, geräuchert.

Es geht ein Stück Herzblut

Im Laufe der Jahre baute er sich einen großen Kundenstamm auf und machte sich als Anbieter von Räucherlachs einen Namen. Irgendwann sah er aber die Zeit gekommen, sein Geschäft weiterzugeben. "Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich verliere ein Stück Herzblut bei der ganzen Aktion", sagt Pahle. "Aber mit fast 80 Jahren muss man daran denken, einen Gang zurückzuschalten." Vor wenigen Wochen belieferte er zum letzten Mal selbst einen Kunden.

Seine Suche nach einem Nachfolger führte ihn über Kontakte nach Hessen. Bei den Jungunternehmern, die sich zum Teil seit Kindertagen kennen, sieht Pahle sein geschäftliches Erbe in guten Händen. Ihr Eifer und ihre Leidenschaft für das Projekt haben ihn überzeugt. "Ich habe da absolutes Vertrauen."

Geeignete Räume wurden in Riedstadt ausgemacht. Danach galt es, noch einiges anzuschaffen und den Betrieb in das neue Domizil zu verlegen. Die Genehmigung des Gesundheitsamts verzögerte sich wegen eines Wasserschadens. Doch gemeinsam überwanden die fünf alle Hürden. Mitte November startete die Produktion - nach fast zweijähriger Planung.

"Wir sind wirklich fünf Freunde"

"Wir sind nicht nur Geschäftspartner, wir sind wirklich fünf Freunde", sagt Julian Hoffmann. Er ist der einzige in dem Quintett, der nicht aus dem Kreis Groß-Gerau stammt, und kümmert sich als Geschäftsführer um die Buchhaltung, während Philip Krieg, Noah Scherer und Paul Kern in der Produktion arbeiten.

Dort wird Hygiene groß geschrieben. Bei jedem Betreten des Räucherraums werden die Schuhe mittels einer automatischen Bürste desinfiziert, auf den Kopf kommt ein Haarnetz. Als die Tür des Ofens geöffnet wird, schlägt einem der Geruch von Räucherfisch entgegen. Dahinter hängen mehr als 30 tiefrote Lachshälften.

Die dunkle Farbe kommt vom Krill, kleinen Krebstieren, von denen sich der räuberische Fisch hauptsächlich ernährt. Farbstoffe oder andere Zusatzstoffe enthalte das Produkt nicht, versichert Steinbrecher. Weil der wild lebende Lachs in der Strömung der Laichflüsse des Ostpazifiks ständig in Bewegung ist, sei der Fettgehalt wesentlich niedriger als bei Zuchtfisch.

Erfahrung mit Onlineshops

Gemeinsam ist den Freunden ihre Begeisterung für das Unternehmertum. Sie haben bereits Erfahrung mit Onlineshops und anderen eigenen Firmen gesammelt und laut Hoffmann ordentliche Umsätze erzielt. Beim Erwerb der Räucherei halfen aber hier und da die Eltern mit Privatkrediten aus.

Zwei der Gesellschafter hätten zwar früher Sushi verarbeitet, das Lachsräuchern sei aber etwas komplett anderes, sagt Krieg. Die Schnitte beim Filetieren müssen genau sitzen, damit keine Gräten zurückbleiben und die Optik stimmt. Das Beizen folgt einem genauen Zeitplan. Die mit einer Geheimrezeptur gewürzten Lachsseiten ruhen insgesamt 36 Stunden auf einem Kräuterbett. Der Duft kann so in das Fischfleisch einziehen.

Qualität und Nachhaltigkeit - beides muss stimmen

Das alles mussten die Jungunternehmer erst lernen und üben. Altmeister Pahle stand ihnen deshalb von Anfang an zur Seite. "Uns ist wichtig, dass wir die außergewöhnliche Qualität auch weiterhin anbieten", sagt Hoffmann. Denn den Kundenstamm mit seinen hohen Erwartungen haben sie von Heinrich Pahle übernommen.

Die Unternehmer betonen, dass ihnen neben der Qualität die Nachhaltigkeit sehr am Herzen liegt. In der Produktion werde mit Ökostrom gearbeitet. Verschnitt landet in der Biogasanlage, der Versand der online bestellbaren Ware erfolgt über einen Spediteur, der zum Ausgleich der Emissionen in Klimaschutzprojekte investiert.

Auch WWF empfiehlt Wildlachs aus Alaska

Am Anfang der Nachhaltigkeit steht aber der Fischfang selbst. Schon Pahle war es wichtig, dass die Lachse schonend gefangen werden und die Bestände erhalten bleiben. "Das war für mich ein ganz ausschlaggebender Faktor." So dürfe in den Laichflüssen Alaskas erst gefischt werden, wenn genügend Lachse dort "eingestiegen" seien, wie er sagt.

Tatsächlich weist die Verbraucherzentrale Hamburg pazifischen Lachs aus Alaska in ihrem Fischratgeber als einzigen empfehlenswerten Wildlachs beim Thema Nachhaltigkeit aus. Und die Naturschutzorganisation World Wildlife Fund (WWF) teilt auf Anfrage mit: "Wildgefangener Lachs aus Alaska ist eigentlich immer zu empfehlen."

Eine Umweltkröte müssen die Räucherer dennoch schlucken: Der Transport der Lachse vom äußersten Norden der USA nach Europa verursacht eben doch klimaschädliche Emissionen, wie Steinbrecher einräumt. Man spreche aber mit den Lieferanten bereits über Kompensationsmöglichkeiten, um die Lieferung möglichst klimaneutral zu gestalten.

Risikofaktor Inflation

Doch ist es nicht ein gewaltiges Risiko, sich in Zeiten von Energiekrise, Inflation und knapper Geldbeutel auf ein Luxusprodukt zu spezialisieren? "Wir stehen auf jeden Fall vor einer Herausforderung", sagt Hoffmann. Zu Beginn der Planungen sei die Krise nicht absehbar gewesen.

Die gestiegenen Produktionskosten werden sich letztlich auf den Preis des Produkts, der sich ohnehin in einem höheren Segment bewegt, niederschlagen. Hoffmann vertraut darauf, dass dies zumindest das Weihnachtsgeschäft nicht beeinträchtigen wird. Die fünf sehen aber auch der Zeit danach zuversichtlich entgegen.

Das ganze Projekt zu stoppen, sei jedenfalls nie ein Thema gewesen. Zudem fühlen sich die Unternehmer dem Lebenswerk Pahles verpflichtet. Der ist überzeugt, mit den jungen Hessen die richtigen Nachfolger gefunden zu haben. "Wenn ich mir die fünf anschaue, dann sage ich mir: Du hast es genau richtig gemacht."

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