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Kohlensäure wird zur Mangelware

Dutzende Bierflaschen auf einem Förderband

Die gestiegenen Energiepreise sind auch für die Getränkeindustrie ein Problem: Kohlensäure wird zum knappen Gut. In Hessen müssen manche Brauereien bereits ihr Sortiment verkleinern, andere können auf Alternativen zurückgreifen.

Dass es bei so etwas Essentiellem wie Kohlensäure zu einem Engpass kommt, das habe es noch nicht gegeben, sagt Julian Menner. Von einem Mangel an CO2 in seinem Betrieb will der Bier-Braumeister und Geschäftsführer der Glaabsbräu-Brauerei in Seligenstadt (Offenbach) aktuell noch nicht sprechen, doch die Füllstände in den Tanks seien sehr gering. "Wir rechnen noch mit einer Verschärfung, weil viele andere Betriebe schon gar keine Kohlensäure mehr bekommen haben."

Die Folgen könnten dann auch die Kunden zu spüren bekommen. "Es kann durchaus sein, dass wir unsere große Sortenvielfalt reduzieren müssen und dann bestimmte Sorten zugunsten unserer Hauptsorten nicht mehr machen werden", erklärt Menner, "so dass wir lieferfähig bleiben."

Weniger Dünger - weniger CO2

Aktuell sind der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) zufolge nur noch 30 bis 40 Prozent der üblichen CO2-Liefermengen verfügbar. "Die Situation ist besorgniserregend", fasste es BVE-Geschäftsführerin Stefanie Sabet in einer Mitteilung zusammen.

Dass Kohlensäure momentan so knapp ist, hängt unter anderem mit den hohen Energiepreisen zusammen. Denn ein Großteil des CO2 entsteht als Nebenprodukt in der Düngemittel-Produktion. Jeden Sommer werde diese zurückgefahren, erklärt der BVE, daher sei das Gas in der warmen Jahreszeit häufig knapp. "Nun haben die Energiepreise die Lage zugespitzt: Der Großteil der europäischen Düngemittelhersteller hat den Betrieb gestoppt oder stark gedrosselt."

Reduziertes Sortiment

Das bringt Probleme mit sich, vor allem für die Getränkeindustrie. Für die Produktion der Biere selbst wird das Gas zwar nicht benötigt, wie Braumeister Menner erklärt. Für die Abfüllung in die Flaschen und Fässer aber ist es unerlässlich: Ohne den Gegendruck würde das Bier schäumen.

Anders sieht es bei vielen Mineralwasser- und Limonadenherstellern aus – sie sind schon bei der Produktion auf Kohlensäure angewiesen. Bei RhönSprudel mit Sitz im Kreis Fulda fehlt laut einer Sprecherin seit rund drei Wochen etwa ein Drittel der benötigten Kohlensäure. Wegen des Engpasses musste das Angebot reduziert werden, momentan seien nicht alle Getränke lieferbar. Auch die Radeberger Gruppe in Frankfurt, die neben zahlreichen Biersorten auch Mineralwasser vertreibt, berichtet von Schwierigkeiten. Man könne nicht ausschließen, dass es beim Wasser zu Ausfällen kommen könnte, heißt es auf hr-Anfrage.

Hassia mit Sitz in Bad Vilbel (Wetterau) blickt dagegen entspannt auf die aktuelle Situation. Seit 2013 nutze man für die Erfrischungsgetränke biogene Kohlensäure. "Dabei handelt es sich um ein Beiprodukt der Bioethanol-Gewinnung aus Getreide- und Zuckerrohstoffen", erklärt eine Sprecherin. Von den Engpässen sei man daher nicht betroffen. 

Rückgewinnung bei großen Brauereien

Auch viele der größeren Brauereien in Hessen fürchten auf hr-Anfrage zunächst keine großen Auswirkungen auf ihre Produktion. Beim Bier zeigt sich Radeberger zuversichtlich. Bisher habe der Mangel an Kohlensäure in den eigenen Brauereien nicht zu wesentlichen Einschränkungen der Produktionsabläufe geführt. Man nutze vorwiegend die Kohlensäure, die bei der Gärung des Bieres entsteht und rückgewonnen werden kann. Die Produktion sei daher an den meisten Standorten autark. Gleiches berichten Licher mit Sitz in Lich (Gießen) und Binding aus Frankfurt.

Was für die großen hessischen Brauereien eine gute Option ist, würde sich für die Glaabsbräu-Brauerei laut Geschäftsführer Menner aber nicht rentieren. "Für uns ist das keine Möglichkeit, weil diese Rückgewinnungsanlagen unwirtschaftlich wären - da sind wir zu klein." Er hofft, dass sich nun die langjährigen Partnerschaften mit den Lieferanten bezahlt machen und er auch weiter zuverlässig Kohlensäure erhält. In Zukunft müsse man aber schauen, wie man mit dieser knappen Ressource besser umgehe, so Menner. Denn er rechnet damit, dass das Problem die Branche noch lange begleiten wird.

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