Zwei Männer und eine Frau stehen nebeneinander. Beide sind jeweils umrandet von einer weißen Fläche. Im Hintergrund unscharf ein Gewerbegebäude mit gelben Fahnen.

Zerstörtes Vertrauen, Enttäuschung und Wut: Die Schließungspläne von Continental machen die Beschäftigten in Wetzlar und Schwalbach betroffen. Aber sie wollen noch nicht aufgeben.

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Continental-Mitarbeiter zu Schließungen: "Schlag ins Gesicht"

hs
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Einen Tag nach der Nachricht über die Schließung der Continental-Standorte in Schwalbach am Taunus und in Wetzlar bis Ende 2025 ist die Enttäuschung bei den Beschäftigten groß. Laut Continental sollen in Wetzlar und in Schwalbach rund ein Drittel der Stellen wegfallen, andere sollen nach Frankfurt und Babenhausen (Darmstadt-Dieburg) verlagert werden.

"Keine richtige Vision, wie es weitergeht"

Am Mittwoch fanden in Schwalbach und Wetzlar Betriebsversammlungen statt. In Schwalbach sagte IT-Mitarbeiter Andreas Meffert-Rosenbaum: "Es ist enttäuschend, dass man den Standort einfach so aufgeben möchte und keine richtige Vision hat, wie es weitergeht."

Der 53-Jährige ist seit 21 Jahren für Continental tätig. Die Stimmung unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschrieb er als bedrückend. "Auf der einen Seite hofft man, dass man zu denen gehört, die umgezogen, also nach Frankfurt verlegt werden. Und auf der anderen Seite hofft man für jeden anderen, dass es ihn nicht betrifft, wenn es um betriebsbedingte Kündigungen geht."

Es sei absehbar gewesen, "dass Zusammenlegungen stattfinden sollen und am Ende Frankfurt 'übrigbleiben' soll". Aber ihm fehle "der Plan und warum das mit der Konsequenz passieren muss".

"Fühlen uns im Stich gelassen"

Auch in Wetzlar sprachen einige Mitarbeiter mit dem hr. So sagte Andrej Leinweber von der Jugend- und Auszubildendenvertretung: "Wir fühlen uns im Stich gelassen." Manche Kolleginnen und Kollegen hätten vor nicht einmal einem Jahr ihre Ausbildung oder ihr duales Studium erst angefangen. "Jetzt kriegt man gesagt: In einem Jahr sitzen wir nicht mehr hier."

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Stellenabbau auch in Frankfurt und Babenhausen

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Den größten Stellenabbau soll es nach Angaben eines Continental-Sprechers nicht an den beiden wegfallenden Standorten geben, sondern in Frankfurt - mit bisher 4.700 Mitarbeitern größter Standort der Conti-Sparte in Hessen. 630 Stellen sollen dort wegfallen.

In Wetzlar sind es nach Unternehmensangaben 160 Stellen, in Schwalbach 280 Stellen. Die übrigen rund 950 Mitarbeiter aus Wetzlar und Schwalbach will Conti in Frankfurt oder Babenhausen weiterbeschäftigen. In Babenhausen sollen außerdem 110 Stellen wegfallen.

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Der 22 Jahre Leinweber sagte: "Uns wurde zumindest zugesichert, dass alle Auszubildenden und Studenten ein Angebot für den Standort in Frankfurt bekommen." Allein schon wegen der Entfernung sei die Begeisterung darüber aber nicht groß. Aber er sagte auch: "Ganz geschlagen gibt sich hier noch keiner."

"Es trifft besonders die jungen Leute"

Sandra Becker, die als technische Produktdesignerin in Wetzlar angestellt und im Betriebsrat ist, sagte: "Es trifft besonders die jungen Leute. So einen Einschnitt mitzuerleben ist prägend." Sie selbst müsste nach Babenhausen wechseln. "Das sind von meinem Wohnort anderthalb Stunden für einen Weg."

Die 30-Jährige sagte, viele Mitarbeiter seien wütend. "Sie sehen, dass wir Wetzlar halten können, wenn wir besser planen und Strukturen umändern. Hier sitzt viel Knowhow." Am Standort in Frankfurt solle nun ein "Knowledge-Haus" aufgebaut werden, "was man eigentlich auch hätte in Wetzlar tun können".

Vertrauen durch "Hammerschlag" zerstört

Der hr konnte am Mittwoch mit weiteren betroffenen Continental-Mitarbeitenden sprechen, die ihre Namen nicht nannten. Eine Beschäftigte, die im Betriebsrat ist, sagte: "Die Stimmungslage ist besonders schlecht zurzeit, das Vertrauen ist zerstört. Seit Wochen hält man uns hin mit superbegrenzten Infos und gestern gab es dann den Hammerschlag."

Bürogebäude mit verspiegelter Glasfassade, in welcher sich gelbliches Licht reflektiert, in der Außenansicht. Im Bildvordergrund ein orangfarbenes Schild mit der Aufschrift "Continental-Standort Wetzlar-Eingang"

Sie ist seit bald 29 Jahren am Standort Wetzlar. "Der erste Versuch, uns zu schließen, war 2002", sagte sie. "Kurz darauf kam ich als junge Frau zum Betriebsrat. Seit 20 Jahren habe ich mich mit Beschäftigungssicherung und dem Schutz dieses Standorts beschäftigen müssen", betonte sie. Und ergänzte: "Wir werden nicht einfach aufgeben. Wir sind zäh. Hier ist sehr viel Herzblut. Die sollen sich warm anziehen."

"Kurzarbeit und alles haben wir schon mitgemacht"

Ein anderer Mitarbeiter, der ebenfalls schon 29 Jahre bei Continental in Wetzlar arbeitet, sagte: "Ich habe schon viel erlebt, es sollte ja oft schon zugemacht werden oder war schon kritisch – Kurzarbeit und alles haben wir schon mitgemacht – aber jetzt ist es ziemlich heftig."

Menschen, auf einer Straße stehend, halten ein Transparent auf dem steht: "Wir können Zukunft! Darum Arbeitsplätze hier sichern."

Ein Kollege ergänzte: "Es gab schon entsprechende Gerüchte und Befürchtungen. Aber dass es jetzt dann doch so kommt, das war sehr überraschend." Ein erheblicher Teil der Mitarbeiter solle praktisch entlassen werden. Die Standorte in Frankfurt und Babenhausen seien "unattraktiv wegen der Fahrerei und Staus". "In Wetzlar kann man günstiger leben als in Rhein-Main."

"Werte wie Verbundenheit fehlen" beim Management

Die Stimmungslage sei aktuell sehr bescheiden, sagte ein anderer. "Ich bin seit 18 Jahren hier, das war mein erster Job. Ich habe gehofft, vielleicht auch mein letzter Job." Er schob nach: "Wir haben alles für den Standort und für Continental gegeben. Es ist ein Schlag ins Gesicht."

Ein weiterer Beschäftigter kritisierte: "Continental hat noch Werte wie Verbundenheit mit dem Standort, aus langer Tradition, und die sehen wir im Moment beim Management nicht."

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