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Fachkräftemangel als große Herausforderung auf dem Arbeitsmarkt

Fachkräfte gesucht

In ländlichen Kreisen wird sich der Fachkräftemangel in Hessen besonders stark auswirken - das zeigt eine neue Studie. Politik und Wirtschaft versuchen mit verschiedenen Initiativen dem entgegenzuwirken.

Der Fachkräftemangel ist ein Mega-Thema auf dem Arbeitsmarkt in Hessen und darüber hinaus. Eine Studie zeigt nun, wo der Bedarf an spezialisierten Arbeitskräften in den nächsten Jahren besonders groß sein wird. An der Spitze der Rangliste steht der Vogelsbergkreis. Aber auch im Schwalm-Eder-Kreis im Norden und im Odenwald im Süden sieht es nicht viel besser aus.

Das geht aus einer Studie des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur der Goethe-Universität in Frankfurt (IWAK) hervor, die das Hessische Ministerium für Soziales und Integration (HSM) vor kurzem in einem Bericht veröffentlicht hat.

Der Fachkräftemangel betrifft demnach das ganze Land. Laut Studie fehlen in Hessen bis zum Jahr 2028 mehr als 178.000 Fachkräfte. Dies entspricht einer Größenordnung von sechs Prozent der sozialversicherungspflichtig oder geringfügig Beschäftigten im Jahr 2021.

Ländlicher Raum stärker betroffen als Ballungszentren

Neben dem Regionaldatenreport gibt es auch Dossiers für alle 26 Kreise und kreisfreien Städte in Hessen. Erkennbarer Trend darin: Weniger stark betroffen sind Hessens Großstädte, vor allem das Rhein-Main-Gebiet und die angrenzenden Kreise. Stärker vom demografischen Wandel und dem resultierenden Fachkräftemangel beeinflusst, sind die ländlichen Kreise.

Der Vogelsbergkreis ist laut Bericht Schlusslicht im Ranking. Dort werden 6.730 fehlende Arbeits- und Fachkräfte prognostiziert. Das entspricht einer Größenordnung von 17 Prozent der sozialversicherungspflichtig oder geringfügig Beschäftigten, die dort im Jahr 2021 tätig waren. In den Kreisen Schwalm-Eder und Odenwald (je 15 Prozent) sind die Werte ähnlich hoch. Der Mangel ist in diesen drei Kreisen am größten. Das zeigt eine Hessen-Grafik:

Grafik, die anhand einer Hessenkarte die Verteilung der prognostizierten Defizite an Fachkräften bis 2028 darstellt.

Grund für die große Lücke im Vogelsberg ist laut IWAK die hohe Zahl der Renten-Eintritte. Von etwa 750 Personen im vergangenen Jahr wird sich diese laut Prognose auf fast 1.100 Personen im Jahr 2028 erhöhen. Damit drohe die Gefahr, dass sich der Mangel verstetigt und die Lücke wächst.

IWAK-Leiterin Christa Larsen erklärt dazu: In ländlichen Regionen seien die Firmen-Belegschaften im Durchschnitt älter als in Ballungszentren, weil in den vergangenen 30 Jahren viele junge Menschen vom Land in größere Städte gezogen sind. Dies zeige sich exemplarisch am Vogelsberg und den anderen Kreisen, die unter dem Facharbeitermangel leiden.

Mangel in Erziehung, Pflege und Handwerk

Fachkräftemangel wird im Vogelsberg und darüber hinaus vor allem für die Sozial- und Pflegeberufe sowie im Handwerk erwartet. Hohe Defizite finden sich laut Studie zudem in der Logistik. Personal gebraucht werde auch im Erziehungsbereich und bei der Kinderbetreuung.

Eine Pflegerin geht mit einer älteren Dame einen Flur entlang.

Der Vogelsberger Kreishandwerksmeister Edwin Giese sagte dazu dem hr: "Fachkräfte werden in nahezu allen Gewerken gesucht. Sehr problematisch ist es im Lebensmittelhandwerk, etwa bei Bäckern und Metzgern."

"Herausforderung für kommende Dekaden"

Doch auch nach dem Jahr 2028 ist laut Studie keine Besserung in Sicht. Die Situation werde sich vermutlich bis mindestens 2040 weiter zuspitzen. Davon geht auch Jens Mischak (CDU) aus. Er ist Wirtschaftsdezernent und Vize-Landrat im Vogelsberg und sagt: "Es ist wohl eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen der kommenden Dekaden."

Der Vize-Landrat des Vogelsbergkreises, Jens Mischak

Mischak erklärt: "Wir können auf Kreisebene nicht die großen Hebel bewegen. Da sind Berlin und Wiesbaden in der Pflicht." Die Bundesregierung ist auf der Suche nach Lösungen. Mischak betont aber auch: Man wolle nicht nur lamentieren, sich beschweren und kritisieren. "Im ländlichen Raum sind es die kleinen Stellschrauben, die wir justieren müssen. Und das tun wir."

Workshops und Zukunftswerkstätten sollen helfen

So arbeitet der Kreis mit IWAK zusammen und schaut, wie man die lokale Wirtschaft mit unterschiedlichen Werkzeugen ankurbeln kann. Konkret dabei: Die Wirtschaftsförderung des Vogelsbergkreises bereitet gemeinsam mit dem IWAK für den 9. Mai einen Workshop zur Fachkräftesicherung vor. Dabei sollen Vogelsberger Unternehmen und Arbeitsmarkt-Akteure zusammenkommen. Zuvor finden bereits Ende März die Tage der Ausbildung statt. Dabei können Schülerinnen und Schüler Kontakte zu Betrieben knüpfen.

Das Land unterstützt über die Stabstelle für Fachkräftesicherung besonders stark betroffene Kreise mit der Ausrichtung von sogenannten Zukunftswerkstätten. Bei den Treffen sollen Strategien entwickelt werden, wie man vor Ort dem Fachkräftemangel begegnen kann.

Ziel: Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern

Ziel sei für den Vogelsbergkreis, so Mischak, "passgenaue Handlungsansätze herauszuarbeiten und unsere Maßnahmen, Kooperationen und Strategien weiterzuentwickeln". Man sei aktiv bei der Ausbildungsförderung, beim Übergang von Schule zum Beruf und bei der Weiterbildung und Nachqualifizierung von Fachkräften. Zudem gebe es Initiativen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.

Das könnte wieder mehr Frauen dazubringen, als Fachkraft beruflich tätig zu werden. Bei ihnen sieht Forscherin Larsen "schlummernde Potenziale". Man müsse mehr Frauen gewinnen, die nur in Teilzeit arbeiten oder nicht erwerbstätig sind.

Zuwanderung als Chance?

Der Vogelsberger Kreishandwerksmeister Giese sieht in der Zuwanderung eine Chance. "Wir kommen gar nicht umhin, auch Flüchtlinge verstärkt auszubilden, wenn sie ein gewisses Bildungsniveau mitbringen." Er selbst habe in seinem Betrieb in Alsfeld damit gute Erfahrungen gemacht.

Dem entgegen steht aber die Beobachtung von Forscherin Larsen, dass aus dem Ausland Zugewanderte nicht ländliche sondern urbane Räume bevorzugen. Dort gebe es mehr Menschen gleicher Nationalität und einschlägige Netzwerke.

Laut Larsen gibt es nicht eine Patentlösung, um den Fachkräftemangel zu beheben. Nur eine Vielzahl von Ansätzen könne helfen. "Man muss sich breit aufstellen. Und der Vogelsbergkreis ist schon auf einem guten Weg."

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