Die Energiekrise trifft Studenten, Familien und Rentner gleichermaßen. Bei der Verbraucherzentrale Hessen hat sich die Zahl der Beratungen im Vergleich zu den Jahren davor mehr als verzehnfacht. Auch Schuldner- und Sozialberater sind gefragt.

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Preiserhöhungen treiben viele Menschen zur Verbraucherzentrale

Illustration Euroscheine, Gasflamme, Stromzähler
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88 Euro muss Marie Hubka seit September mittlerweile für Strom und Gas zahlen, 15 Euro mehr als noch vor zwei Monaten. "Unser Energieversorger Mainova hat die Abschläge seitdem deutlich erhöht", erzählt die alleinerziehende Mutter, die mit ihrem acht Jahre alten Sohn in einer kleinen Wohnung im Frankfurter Nordend lebt. "Allmählich bekomme ich Existenzängste", so die 28-Jährige. Sie lebt von einer Unfallrente, weil sie aufgrund eines Motorradunfalls nicht mehr arbeiten kann.

Ein Problem, mit dem Verbraucher hessenweit konfrontiert sind: Sie müssen für Strom und Gas immer tiefer in die Tasche greifen. Allein was das Gas angeht, haben nach Angaben des Internetportals Check24 fast 40 regionale Anbieter für Oktober oder November die nächsten Preiserhöhungen angekündigt, darunter die Stadtwerke Gießen und ESWE aus Wiesbaden. Und es steigen entsprechend auch die monatlichen Abschlagszahlungen.

Stadtwerke argumentieren mit höheren Einkaufspreisen

Bei den Stadtwerken Gießen etwa wird Gas in der Grundversorgung zum 1. Oktober teurer. Der Energieversorger begründet das mit den höheren Beschaffungskosten. Man müsse selbst kurzfristig zusätzliche Mengen zu deutlich höheren Preisen einkaufen, heißt es. Zugleich würden die von der Politik beschlossenen Umlagen fällig, etwa die Gasspeicherumlage und die Gasbeschaffungsumlage.

Für eine vierköpfige Familie mit einem Einfamilienhaus und einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden bedeutet das: Bisher zahlt sie auf das Jahr gerechnet fürs Gas knapp 2.500 Euro, ab Oktober sind es fast 3.900 Euro. Eine Preissteigerung von über 50 Prozent.

Preissprünge von bis zu 122 Prozent

Noch drastischer fällt der Preissprung mit 122 Prozent bei der Wiesbadener ESWE aus. Dort muss derselbe Vier-Personen-Haushalt für Gas in der Grundversorgung bisher aufs Jahr hochgerechnet rund 1.900 Euro überweisen, ab Oktober werden sogar über 4.200 Euro fällig. Der ESWE-Vorstandsvorsitzende Ralf Schodlok räumt ein: "So eine Situation ist mir in den letzten 30 Jahren nicht untergekommen." Immerhin: Sollte wie geplant die Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf 7 Prozent sinken, werde man das unmittelbar an die Kunden weitergeben.

Die anstehenden oder bereits erfolgten Preiserhöhungen treiben viele Menschen zur Verbraucherzentrale Hessen. Die Zahl der Beratungen habe sich im Vergleich zu den Jahren davor mehr als verzehnfacht, meint Juristin Nicole Hensel. "Viele haben Angst, dass sie ihre Energierechnungen oder die Abschläge dazu nicht mehr zahlen können, vor allem beim Gas." Es seien Rentner wie Studenten und neuerdings auch immer mehr Familien. Es kämen allerdings auch viele alleinstehende Menschen, die die Energiekosten alleine stemmen müssten.

Von einem Anbieterwechsel rät Verbraucherschützerin Hensel ab, weil es kaum günstige Angebote gebe. Sollte jemand in Zahlungsschwierigkeiten kommen, empfiehlt Hensel, den Energieversorger bald zu informieren. "Denn wenn Leute mehr als zwei Abschlagszahlungen in Verzug sind oder mindestens 100 Euro im Rückstand, droht ihnen eine Sperre", erklärt die Verbraucherschützerin. Weil etwa zum Beispiel Mainova so etwas selbst vermeiden will, bietet das Unternehmen seinen Kunden nach eigenen Angaben an, Energieschulden in Raten zu begleichen.

Schlaflose Nächte, Existenzsorgen

Einen Ansturm erleben auch die Schuldner- und Sozialberatungsstellen der Caritas in Hessen. "Die Menschen lehnen die Erhöhung der Abschlagszahlungen ab, weil sie sie nicht zahlen können, wissen aber, dass sie bei der Jahresabrechnung hohe Nachzahlungen auch nicht aufbringen können", heißt es dort. Besonders betroffen seien Geringverdiener und Rentner ohne Anspruch auf Sozialleistungen.

"Ich kann nur noch schlecht schlafen", erzählt dieser Rentner, der anonym bleiben will. Er lebt mit seiner Frau in Frankfurt zur Miete. Sein Vermieter hat mehrmals die Vorauszahlungen für Heizung und Warmwasser erhöht, so dass der Frankfurter mittlerweile für Miete und Nebenkosten jeden Monat über 1.100 Euro zahlen muss. Bei einer Rente von monatlich 1.800 Euro wird es für das Paar allmählich eng. "Ich weiß nicht, wie das noch weitergehen soll", so der Rentner.

Studenten bleiben zu Hause wohnen

Fälle wie diese gibt es beim Mieterschutzverein Frankfurt mittlerweile zuhauf. Der Geschäftsführer Rolf Janßen geht davon aus, dass es noch mehr Beratungsbedarf geben wird, wenn die Mieter ihre Jahresabrechnungen bekommen. Janßen rät ihnen auf jeden Fall, für eventuelle Nachzahlungen genug Geld zur Seite zu legen.

Für Michelle Bethe werden die Wohnungen in einer Großstadt wie Frankfurt mit den horrend steigenden Nebenkosten unerschwinglich. Die 19-Jährige macht eine Ausbildung zur Erzieherin und würde so gerne bei ihren Eltern ausziehen. "Dass es aber so schwer ist, in Frankfurt eine bezahlbare Wohnung zu finden, frustriert mich", sagt die 19-Jährige. Für ein kleines Ein-Zimmer-Apartment müsste sie mittlerweile monatlich 800 Euro aufbringen, das kann sie sich mit Aufstiegs-BAföG und Kindergeld nicht leisten.

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