Ein Mitarbeiter im Wiesbadener Hallenbad Kleinfeldchen trägt eine Smartwatch, die anzeigt, wie viele Badegäste gerade im Sportbecken sind.

Um Badegäste vor dem Ertrinken zu schützen, setzt Wiesbaden auf Künstliche Intelligenz im Schwimmbecken. Auch Darmstadt plant ein solches System - andere Städte winken aus Kostengründen ab.

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Künstliche Intelligenz kann im Schwimmbad Leben retten

Shahabeddin Khatibi, Fachangestellter für Bäderbetriebe, steht im Hallenbad Kleinfeldchen unter einer KI-Kamera. In dem Hallenbad wird das Überwachungssystem Lynxight verwendet, das mit Hilfe von Kameras und künstlicher Intelligenz warnt, wenn ein Badgast ertrinken sollte.
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Wer in Wiesbaden baden möchte, der macht das bald besonders behütet. Die Landeshauptstadt hat im Frei- und Hallenbad Kleinfeldchen ein System installiert, das Badegäste per Künstlicher Intelligenz (KI) überwacht und bei Anzeichen von Ertrinken die Rettungsschwimmer alarmiert - inklusive Foto und genauem Standort im Becken.

Denn: Wer ertrinkt, tut das - entgegen landläufigem Glauben oder hollywoodreifer Filmdarstellung - selten mit lautem Geschrei. Ertrinken ist oft lautlos und für das Rettungspersonal schwer zu erkennen. Anders mit der KI-Lösung.

System stammt aus Israel

Seit August 2020 ist die Erfindung eines israelischen Start-ups in der Landeshauptstadt im Einsatz. Vier Kameras an der Decke überwachen das 25 mal 15 Meter große Hallenbecken von oben.

"Die Kameras detektieren die Bewegungen im Wasser und erfassen ein Bewegungsprofil, das von der KI analysiert wird", erklärte Thomas Baum, Betriebsleiter beim Wiesbadener Badbetreiber mattiaqua. Sobald Bewegungsmuster auffällig seien, werde das Personal über eine Smartwatch, also eine digitale Uhr, alarmiert. Die Uhr gebe dann einen lauten Piepton ab und vibriere. Außerdem werden auf dem Display ein roter Punkt als genaue Positionsangabe und drei Bilder der Situation angezeigt.

Fehlalarm möglich - aber die KI lernt daraus

Shahabeddin Khatibi begleitet den Einsatz des Systems seit Beginn. Gerade in der Anfangszeit, erinnert sich der Fachangestellte für Bäderbetriebe, habe es immer mal wieder Fehlalarme gegeben, etwa bei einer Rollwende - wenn der Schwimmer am Beckenrand mit seinem Kopf und Oberkörper unter Wasser in die neue Bewegungsrichtung steuert.

"Mit der Zeit hat die Künstliche Intelligenz gelernt, welche Bewegungen für Schwimmer normal sind und wann eine Person Probleme hat", berichtete Khatibi, der dem System nach jedem Alarm zurückmeldet, ob es die Situation richtig eingeschätzt hat. "Gerade wenn im Sommer 4.000 bis 6.000 Gäste auf einmal im Bad sind, hilft es uns sehr, den Überblick zu behalten", sagte er. Außer ertrinkenden Personen erkenne das System auch, wenn Kleinkinder sich im Wasser von ihren Eltern trennen und schlage Alarm.

Ein Mitarbeiter vom Waldschwimmbad Rosenhöhe in Offenbach beobachtet das Geschehen im Freibad.

30.000 Euro Kosten jährlich - "jeden Cent wert"

Nach dem Ende der Test- und Lernphase will Betriebsleiter Baum das System nun auch in weiteren Becken und Bädern in Wiesbaden einsetzen. Zunächst den Nicht-Schwimmerbereich und die Außenbecken im Kleinfeldchen, im kommenden Jahr dann auch das Thermalbad. Die Kosten variieren je nach Beckengröße und Zahl der Kameras. Laut Betriebsleiter Baum liegen sie beim aktuellen Becken zwischen 30.000 und 40.000 Euro jährlich.

Das System ersetze kein Personal und auch keine Wasserrettung, helfe aber als Absicherung für Personal und Badegäste. "Wenn es nur ein Mal in zehn Jahren funktioniert und ein Menschenleben rettet, dann war jeder investierte Cent es wert", so Baum.

Darmstadt plant Anschaffung des Systems

Auch die Stadt Darmstadt plant im Laufe des Jahres die Anschaffung eines KI-Systems im Nordbad, erklärte ein Sprecher. Ansonsten scheint es kaum Städte zu geben, die sich die KI leisten wollen. Eine Abfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab, dass die KI weder in den drei städtischen Bädern in Fulda noch in Gießen im Einsatz ist.

Dasselbe gilt für die vier städtischen Bäder in Kassel - und auch Frankfurt verzichtet bisher auf die Unterstützung durch die intelligenten Systeme. Die Taunus Therme in Bad Homburg teilte mit, dass das System durchaus sinnvoll sei, die Kosten dafür seien derzeit jedoch unverhältnismäßig. Von einer Umsetzung sei die Therme daher "weit entfernt".

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