Notfallseelsorger Alexander Eldracher vom Bistum Fulda

Notfallseelsorger müssen Profis im Trostspenden sein. Wenn sie Angehörigen Todesnachrichten überbringen, ist Feingefühl gefragt. Ein Seelsorger aus Fulda berichtet aber auch von ungewöhnlichen Reaktionen.

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Notfallseelsorger helfen in den schwersten Stunde

Notfallseelsorge Bistum Fulda
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In seiner Freizeit wird Alexander Eldracher immer wieder mit dem Tod konfrontiert. Wenn er Bereitschaft hat, sein Handy klingelt und sich die Leitstelle der Feuerwehr in Fulda meldet, ist wieder sein Einsatz gefragt. Der 46-Jährige ist Notfallseelsorger. Als erfahrener Mann für Krisen aller Art ist er seit 15 Jahren ehrenamtlich im Bistum Fulda tätig - und hat seither viel erlebt.

"Menschen in den schwersten Stunden ihres Lebens zu begleiten, ist mir eine Herzensangelegenheit. Für mich ist es Berufung", beschreibt Eldracher seine Motivation. Beruflich ist er als Gemeindereferent in Eichenzell (Fulda) tätig. In seiner Freizeit stellt sich der studierte Religionspädagoge tageweise rund um die Uhr als Seelsorger zur Verfügung. Rund zehn Mal im Jahr wird er zu Notfällen gerufen, um Erste Hilfe für die Seele zu leisten.

"Man weiß nie, was einen erwartet"

Wenn Menschen verstorben sind, überbringt Eldracher den Angehörigen und Hinterbliebenen die traurige Nachricht zusammen mit der Polizei. Mal ist es ein tödlicher Verkehrsunfall, ein gesundheitlicher Notfall, ein Suizid oder Kriminalfall. "Man weiß nie genau, was einen erwartet", sagt er.

Jeder Einsatz verlaufe anders, sagt Eldracher: "Die Menschen reagieren in solchen Ausnahmesituationen sehr unterschiedlich." Ihm schlage die ganze Bandbreite an Emotionen entgegen. Als Überbringer der schlechten Nachricht sei er aus lauter Verzweiflung von einem Hinterbliebenen auch schon mal attackiert worden. "Gut, dass die Polizei dabei war, die mich schützen konnte", erinnert sich der Seelsorger.

"Endlich ist der Arsch tot"

In einem anderen Fall habe eine hinterbliebene Ehefrau mit den Worten "Endlich ist der Arsch tot" auf den Tod ihres Mannes reagiert. Man wisse halt nicht, was vorher in der Familie (schief)gelaufen sei, sagt Eldracher.

Meist treffe er aber auf Trauer - in allen Facetten. Die einen schweigen, andere stoßen einen Urschrei aus oder trommeln mit den Fäusten auf den Tisch, wie Eldracher schildert. "Trost zu spenden, ist dann eine Herkulesaufgabe." Nicht selten dauere ein Einsatz mehrere Stunden. Nicht immer müsse er viel reden. "Manchmal reicht es auch, ein Taschentuch anzubieten - und einfach da zu sein."

"Betroffene ins Tun zu bringen"

Damit sich die Hinterbliebenen nach den Hiobsbotschaften nicht traumatisiert und hilflos fühlen, sei es wichtig "die Betroffenen ins Tun zu bringen", wie Eldracher sagt. "Man muss ihnen deutlich machen, dass sie handlungsfähig sind." Die Akuthilfe soll dazu beitragen, langfristige Schäden und Traumata bei den Betroffenen einzudämmen und gegebenenfalls das Bindeglied zu professionellen Angeboten sein.

Aus- und fortgebildet wurde Eldracher durch viele Seminare und Schulungen. Neben ihm arbeiten im Landkreis Fulda noch acht weitere katholische Notfallseelsorgende. Auf dem Gebiet des Bistums sind es rund 20 Personen in der Notfallseelsorge. Die evangelische Kirche stellt zusätzliche Experten.

Das Bistum Fulda sucht weitere Helfer. "Es ist mittlerweile grundsätzlich schwierig, Menschen zu finden, die sich langfristig ehrenamtlich engagieren. Hinzu kommt, dass der Dienst in der Notfallseelsorge hohe Anforderungen stellt", erklärt ein Bistumssprecher.

"Man braucht eine gute Psycho-Hygiene"

"Um die Einsätze selbst zu verarbeiten, braucht man eine gute Psycho-Hygiene. Man muss die Bilder, das Gesagte und die Gerüche auch wieder aus dem Kopf bekommen", sagt Eldracher. Besonders hart sei es für ihn, wenn es in den Notlagen um Kinder geht.

Kraft gebe ihm dabei der Gedanke an Gott: "Mein Glaube ist in solchen Situationen ein tragendes Fundament. Wenn ich nicht sicher wäre, dass da nach dem Tod irgendetwas auf uns wartet, könnte ich das alles wohl kaum ertragen", so Eldracher. Der Tod gehöre zum Leben dazu - auch wenn man das nicht wahrhaben wolle.

Nach besonders belastenden Einsätzen tausche er sich mit seinen Kollegen aus, um alles zu verarbeiten. Zudem habe er gewisse Rituale: Er geht duschen, packt seine getragene Kleidung in die Wäsche und widmet sich dann gern seinen drei Kindern, wie Eldracher berichtet. Das bringe ihn auf andere Gedanken.

"Fantastisch, die Dankbarkeit zu spüren"

Aus den Einsätzen zieht er aber auch Positives für sich: "Es ist fantastisch, die Dankbarkeit der Menschen zu spüren." Im vergangenen Jahr habe er auf einem Rastplatz an der A7 einem Mann beigestanden, der gerade seine Frau durch einen gesundheitlichen Notfall verloren hatte. "Der Mensch war einfach froh, dass in dem Moment jemand für ihn da war, mit dem reden konnte."

Eldracher appelliert: "Notfallseelsorge ist ein wertvoller Dienst für die Mitmenschen." Aber auch im Alltag könne jeder versuchen, sich einzubringen: "Wenn es jemandem schlecht geht, gehen Sie nicht weiter, wechseln Sie nicht die Straßenseite, kehren Sie ihm nicht den Rücken. Bieten Sie ihm einfach Hilfe und ein offenes Ohr an."

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So ist die Notfallseelsorge organisiert

Die Notfallseelsorge ist Teil der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) und wird in Hessen in Abstimmung mit Rettungsdiensten, Feuerwehr und Polizei rund um die Uhr durch mehrere Akteure gewährleistet. Dabei sind neben der Notfallseelsorge der katholischen und der evangelischen Kirche auch Rettungsorganisationen wie zum Beispiel das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die Malteser im Einsatz. Im DRK etwa gibt es bundesweit mehr als 100 Kriseninterventions- oder Notfallnachsorge-Dienste für die psychosoziale Akuthilfe. Kontakte zur Notfallseelsorge der Kirchen finden Interessierte hier. Bewerben kann man sich auch über eine Ehrenamtssuche.

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