Rundbau in Neu-Isenburg mit auffälligem Rampen-Vorbau

Die vom Verfassungsschutz beobachtete Organisation Scientology mietet offenbar ein knapp 9.000 Quadratmeter großes Bürogebäude südlich von Frankfurt. Neu-Isenburgs Bürgermeister will genau hinschauen, was dort passiert.

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Scientology: Vom Frankfurter Bahnhofsviertel nach Neu-Isenburg

Standort von Scientology in Frankfurt mit Banner Scientology Kirche Frankfurt e.V. und der Frage "Neugierig?"
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Zu den möglichen Umzugsplänen hält sich Scientology Frankfurt bedeckt, räumt aber ein, "dass sich der Vorstand immer wieder nach größeren Räumlichkeiten umgeschaut hat, um in Zukunft etwas Passendes zu finden". Bei einem kurzen Gespräch in der Frankfurter Zentrale dementiert Michaela Gross die Umzugspläne nach Neu-Isenburg (Offenbach) nicht. "Wenn dies so weit ist, freuen wir uns für unsere Kirchengemeinde", schreibt die Vorsitzende der Scientology Kirche Frankfurt e.V. in ihrem Statement. 

Aktueller Standort im Frankfurter Bahnhofsviertel

Der aktuelle Sitz des Vereins in einem Altbau im Bahnhofsviertel ist beengt, das räumliche Umfeld geprägt von Drogensüchtigen und Prostitution. Ganz anders das freundlich wirkende Bürogebäude im Neu-Isenburger Gewerbegebiet. Der Rundbau stammt aus den neunziger Jahren. Also jener Zeit als die auf Selbstoptimierung zielende Lehre des amerikanischen Gründers und Leitfigur Lafayette Ron Hubbard ihre Hochphase hatte.

Das Gebäude ist um ein Vielfaches größer als das im Frankfurter Rotlichtviertel. Es bietet Platz für mehrere hundert Arbeitsplätze, ist etwa zur Hälfte belegt. Das Atrium in der Mitte bietet sich für Versammlungen an. Spricht man mit aktuellen Mietern, wissen die nur aus den Medien von dem neuen Mieter, wollen sich dazu aber nicht äußern. Die Nachricht des Mieterwechsels steht im gerade veröffentlichten Jahresbericht der Frankfurter Niederlassung der französischen BNP Paribas. Die Immobilien Zeitung hatte zuerst darüber berichtet.

Mitgliederzahlen können nur geschätzt werden

Die Dimension des Gebäudes passt kaum zu dem, was über die Mitgliederzahlen von Scientology Frankfurt bekannt ist. Die Organisation selbst macht keine Angaben darüber. Der Weltanschauungsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Oliver Koch, schätzt, dass 400 bis 500 Menschen im Rhein-Main-Gebiet in der Organisation aktiv sind. Deutschlandweit gehen Beobachter von 3.000 bis 4.000 Mitgliedern aus. "Experten sind sich einig, dass die Mitgliederzahlen in den letzten Jahren stagnieren, also Scientology hier kein Wachstum mehr zu verzeichnen hat", so Koch, der auch Weltanschauungsbeauftragter der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck ist.

Seinen katholischen Amtskollegen Johannes Lorenz vom Bistum Limburg würde es wundern, wenn die neue Immobilie mit einem Wachstum von Mitgliedern verbunden wäre. Bei ihm landen in den letzten Jahren kaum noch Beratungsanfragen. "Die Aufklärungsarbeit der vergangenen 20 Jahre haben im kollektiven Bewusstsein dazu geführt, dass bei sehr vielen Menschen bei Scientology die Alarmglocken läuten."

Dimension der Immobilie lässt aufhorchen

Umso erklärungsbedürftiger scheint die Dimension des neuen Standorts in Neu-Isenburg. Bürgermeister Dirk Gene Hagelstein (SPD) kennt bislang auch nur die Medienmeldung. "Selbstverständlich werden wir darauf achten, dass die für das Gewerbegebiet geltende rechtliche Nutzung eingehalten wird", sagt er dem hr. Dies gelte auch, wenn mögliche Versammlungen an Wochenenden zu Parkplatzproblemen führen würden.

Seit Ende der neunziger Jahre wird Scientology in Deutschland von mehreren Verfassungsschutzbehörden beobachtet. "Die Scientology Organisation ist eine gewinnorientiert arbeitende internationale Organisation, die ein weltweites, unumschränktes Herrschaftssystem nach eigenen Vorstellungen errichten möchte und damit auch das demokratische System der Bundesrepublik Deutschland und die staatliche Garantie der Menschenrechte in Frage stellt", erklärt das hessische Landesamt. Welche konkreten Pläne die Organisation mit der Immobilie in Neu-Isenburg hege, könne nicht "abschließend bewertet werden". Immobilien mit größeren Flächen könnten "grundsätzlich überregionale Bedeutung zuwachsen."

Soll aus "Org" eine "Ideale Org" werden?

Eine solche räumliche Expansion fand 2018 in Stuttgart statt. Der dortige Zweig der Organisation eröffnete in einem für rund acht Millionen Euro gekauften Bürogebäude eine "Ideale Org". Um zu wachsen, müsste die Organisation aufeinander aufbauende Kurse verkaufen. Das unterste Level dieser Kurse bieten "Missionen" wie in Wiesbaden, dann kommen "Orgs", wie beispielsweise in Frankfurt. Die höchste in Deutschland vertretene Einheit sind "Ideale Orgs". Je höher der Grad der Einrichtung, desto mehr Kurse kann man kaufen und in der internen Hierarchie aufsteigen. "In der Logik von Scientology streben die jeweiligen Einrichtungen danach, sich zu vergrößern und weiterzuentwickeln. Daher verwundert es nicht, wenn die jetzige Frankfurter Org etwa analog zu Stuttgart eine 'Ideale Org' werden will", so Weltanschauungsbeauftragter Koch.

In Stuttgart hätten sich die Erwartungen der Organisatoren an die "Ideale Org" erfüllt, erklärt das dortige Landesamt für Verfassungsschutz auf hr-Anfrage. Propagandaaktionen, wie Verteilung von Flyern, Broschüren, Infostände finden häufig und regelmäßig statt, "was auf eine ausreichende Anzahl aktiver Anhängerinnen und Anhänger schließen lässt." Auch weil zwischen 150 bis 170 Menschen den höchsten Abschluss gemacht haben, gelte Stuttgart als Vorzeigeprojekt innerhalb des Rankings der Organisation in Deutschland.

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