Positivbeispiel aus Mittelhessen Biber und Bauer schaffen gemeinsam Biotop in der Wetterau
Der Biber breitet sich aus. Aus Gründen der Artenvielfalt und des Hochwasserschutzes ist das gut. Aber Hochwasser auf ihren Äckern und Felder finden Landwirte verständlicherweise schlecht. Unterwegs mit einem Biber-Manager in Mittelhessen, der in Konfliktfällen vermittelt.
Sebastian Weller steht vor einem kleinen, idyllischen See bei Hungen-Obbornhofen (Kreis Gießen). Den See gibt es erst seit kurzem. Vorher war hier ein Acker. Dann aber nicht mehr.
Weller hat Fotos dabei, auf denen zu sehen ist, wie es hier vor wenigen Jahren mal aussah: Überschwemmungen, die sich über mehrere Hektar Ackerfläche zogen. Gestaut hat das Wasser ein einziger Biber, der hier heimisch geworden ist.
Biber und deren Bauten zu regulieren, ist Sebastian Wellers Aufgabe. Er ist der Biber-Manager im Regierungspräsidium Gießen. Über 140 Reviere gebe es mittlerweile in Mittelhessen. In ganz Hessen, schätzt der Naturschutzbund BUND, leben rund 1.200 Exemplare von Europas größter Nagerart in 350 Revieren.
Nun lässt sich der Mensch ungern von Wildtieren dazwischenfunken. Hier, bei Hungen-Obbornhofen, habe ein Biber-Revier für viel Unmut gesorgt, erzählt Weller.
Überflutung bis an Ortsrand
Ein Biber siedelte sich vor wenigen Jahren an dem hier gelegenen Bach an und tut seitdem, was Biber tun: Dämme bauen und damit den Wasserpegel erhöhen. "Zu dem Zeitpunkt waren nur dieser Acker hier und ungefähr ein halber Hektar auf der anderen Seite betroffen", erinnert sich Weller. Mit Hilfe eines Wasserrohrs als einer Art Bypass versucht Weller, den Wasserpegel wieder abzusenken.
Der Biber baute als Reaktion darauf einfach mehr Dämme. "Und das führte dann dazu, dass wir sehr, sehr große Überschwemmungen hier hatten: Fast alle Ackerparzellen, die am Bach liegen, waren beeinträchtigt." Das Wasser habe sich bis an den Ortsrand gestaut. "Es drohte ein massiver Schaden", berichtet Sebastian Weller.
Dann meldete sich Landwirt Hans Ruwe aus Obbornhofen beim Biber-Manager. Er hatte auf seinen Feldern festgestellt: Irgendjemand nagt seine Zuckerrüben an und verteilt seinen Mais quer auf dem Acker. Wer das war, stellte sich schnell heraus.
Anstatt allerdings dem Biber ans Fell zu wollen, zeigte sich der Landwirt verständnisvoll. Zum Wohl aller Seiten, wie sich bald zeigte.
Seenlandschaft auf ehemaligem Acker
Der Biber müsse bleiben, "alles andere wäre ein Armutszeugnis", sagte Ruwe - nur eben bitte nicht auf Kosten der Landwirtschaft und Anwohner. Ruwe entfernte nach Absprache mit dem Bibermanagement einige Dämme, so dass der Bach nicht mehr wahllos übertrat, sondern gezielt an wenigen Stellen. Außerdem nahm er den Spaten in die Hand und leitete Seitenarme des Baches so um, dass sie möglichst nicht über Äcker liefen.
Das funktionierte. "Seit knapp zwei Jahren besteht das Revier jetzt so, wie es ist", sagt Weller. Die Leute im Ort akzeptierten das Tier und seinen See und schauten dort gerne vorbei.
Der Obbornhofener Biber hat ganze Arbeit geleistet. Der See ist so groß wie ein kleines Fußballfeld. Am Ufer wachsen Schilfpflanzen, auf dem Wasser schwimmen dutzende wilde Vogelarten, auch Nilgänse, sogar ein Storch genießt die kühle Oase. Alles dem Biber zu verdanken, sagt Landwirt Hans Ruwe.
Arten, die vorher nicht da waren
"Wenn wir bedenken, dass hier der Eisvogel jetzt herkommt und auch der Schwarzstorch manchmal, dann sind das Arten, die vorher nie da gewesen sind", schwärmt der Landwirt, der ja eine Ackerfläche verloren hat wegen der Bautätigkeit des Bibers. Als Ersatz bekam er ein anderes Flurstück.
Der eurasische Biber galt als fast ausgerottet. Hierzulande wurde er lange wegen seines Fells getötet und verspeist, nur an der Elbe konnte er sich noch halten. Ab den 1960er Jahren erholten sich die Bestände langsam wieder, heute steht der Nager unter Naturschutz.
Weller zeigt auf einen Damm, den der Biber im Bach errichtet hat. Etwa vier Meter breit und einen Meter hoch ist er. Er besteht aus viel Gehölz und ist verdichtet mit Schlamm, wie eine Art Natur-Fachwerkhaus.
Oberhalb des Damms steht das Wasser, von einem Fließgewässer kann kaum noch die Rede sein. Im See baut der Biber seine Burg, wobei der Eingang unter Wasser liegt, was Feinden das Eindringen quasi unmöglich macht.
Biber gewinnt
Dünne Bäume fällt der Biber in ein bis zwei Stunden, dicke in einer Nacht. "Wenn ich mich mit dem Biber anlege", sagt Landwirt Hans Ruwe, "verliere ich immer. Man muss mit ihm zusammenarbeiten."
Aber natürlich weiß auch Ruwe: "Den Biber sehen nicht alle positiv." Gerade Landwirte, deren Saat auf einem Feld eine Überflutung unbrauchbar macht und die dann einen Verlust haben, äußerten dann den Wunsch, den Biber zu beseitigen.
Für solche Fälle gibt es eben die Biber-Manager. Die Landesregierung hat Sorge dafür getragen, dass es in jedem Regierungspräsidium welche gibt. Sie allein können aber nicht jeden möglichen Konfliktfall kennen. Daher sucht Sebastian Weller ehrenamtliche Biber-Beobachter. Weller hebt hervor, dass die Zusammenarbeit mit Ruwe ein Positivbeispiel dafür sei, wie erfolgreiches Bibermanagement zum Wohle aller Beteiligten ablaufen könne. Ohne Ehrenamtliche gehe es nicht, sagt Weller. Und ohne gegenseitiges Verständnis wohl auch nicht.