Gedenktafel für die nach Theresienstadt deportierten Jüdinnen und Juden aus Darmstadt

Im September 1942 wurden hunderte Jüdinnen und Juden aus Darmstadt in das Konzentrationslager Theresienstadt gebracht. Für diese Menschen will die Stadt nun ein zweigeteiltes Mahnmal errichten. Die Idee dazu stammt von Jugendlichen.

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Holocaust-Mahnmal soll an deportierte Darmstädter Juden erinnern

Gefangene im Konzentrationslager Theresienstadt
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Der 27. September 1942 war ein schwarzer Tag in der Geschichte Darmstadts. Allein an diesem Tag deportierten die Nationalsozialisten 202 jüdische Menschen aus Darmstadt und der engeren Umgebung in das Konzentrationslager Theresienstadt im heutigen Tschechien. Viele fanden dort einen grausamen Tod oder wurden in andere Vernichtungslager weitertransportiert.

Um diesen Opfern des Holocaust in besonderer Weise zu gedenken, will die Stadt Darmstadt zusammen mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) und dem Edith-Stein-Gymnasium ein Mahnmal errichten. "Erinnerungsarbeit ist der Stadt und mir ein besonderes Anliegen", sagte Oberbürgermeister Hanno Benz (SPD) am Mittwoch bei der Vorstellung des sogenannten "Projekts Theresienstadt".

Das geplante Mahnmal besteht aus zwei Teilen: Eine Gedenktafel soll direkt am Konzentrationslager Theresienstadt angebracht werden, in Darmstadt soll zudem ein Gedenkstein an die Deportierten erinnern.

Zitat
„Wir gedenken der jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Darmstadt und Südhessen, die nach Theresienstadt deportiert und ermordet wurden. Wir erinnern an ihr Leben und ihr Leid. Sie dürfen nie vergessen werden.“ Inschrift der Gedenktafel Inschrift der Gedenktafel
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"Wir schlagen damit eine Gedenkbrücke zwischen Darmstadt und Theresienstadt", erklärt Bernd Lülsdorf, katholischer Vorsitzender der GCJZ. Dieser doppelte Ansatz sei bislang einzigartig. Viele deutsche Städte haben bereits Gedenktafel im Konzentrationslager angebracht, keine davon habe aber ein Gegenstück aufgestellt, so Lülsdorf.

Zwei Gedenktafeln aus demselben Stein

Beide Teile, die bei einem Darmstädter Steinmetz gefertigt werden, stammen aus einem Stein. Die Bruchkante am unteren Ende der Tafel passt zum Stein in Darmstadt und soll daran erinnern, dass auch die Juden und Jüdinnen damals mitten aus der Stadtgesellschaft herausgebrochen wurden. Rund 25.000 Euro kostet das Projekt, finanziert wird es unter anderem durch die Stadt Darmstadt, die Hessische Landeszentrale für politische Bildung und mehrere Stiftungen.

Am 8. Februar soll die Gedenktafel im Rahmen einer feierlichen Enthüllung in der Gedenkstätte Theresienstadt angebracht werden, an der neben einer Delegation der Edith-Stein-Schule und der GCJZ auch Oberbürgermeister Benz teilnehmen möchte.

Wann und wo der Stein in Darmstadt aufgestellt wird, steht dagegen noch nicht fest. Die Stadt sucht zusammen mit allen Beteiligten noch nach einem geeigneten Standort. "Es sollte ein Ort sein, der gut sichtbar und dem Gedenken würdig ist", sagt Benz. Der sei bislang noch nicht gefunden. Lülsdorf hofft, dass es noch in diesem Jahr gelingen wird.

Dieser Gedenkstein soll in Darmstadt aufgestellt werden. Ob er noch eine Inschrift bekommt, ist noch unklar.

Jugendliche entwerfen Mahnmal

Die Idee für das Mahnmal in Form einer Gedenkbrücke stammt von Oberstufenschülerinnen und Schülern der Edith-Stein-Schule. Im Frühjahr 2023 reiste eine 20-köpfige Gruppe mit Lehrkräften nach Theresienstadt. In diesem Rahmen setzten sich die Jugendlichen auch mit den Biografien der deportierten Darmstädterinnen und Darmstädter auseinander.

"Die Grausamkeiten sind dort für uns greifbar geworden", erinnert sich die 19-jährige Tilia Ennemoser. "Wir haben abends in der Gruppe zusammengesessen und überlegt, wie wir unsere Erfahrungen und Eindrücke verarbeiten und teilen können." Neben dem Mahnmal sind aus der Reise auch noch ein Film, ein Magazin und ein Blog hervorgegangen.

Im Mittelpunkt steht aber das Mahnmal, das die die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe von Stadt und GCJZ verwirklichen konnten. "Mit diesem Projekt sollen junge Menschen und die gesamte Stadtgesellschaft herausgefordert und ermutigt werden, sich gegen Antisemitismus, Rassismus und jede Form von Menschenfeindlichkeit zu engagieren", sagt die evangelische GCJZ-Vorsitzende Ulrike Schmidt-Hesse.

Neue Wege des Erinnerns

Aus Sicht der Schule erfüllt das Mahnmal zweierlei Funktionen. "Die Nationalsozialisten wollten den Menschen ihre Würde nehmen, in dem sie sie deportierten und ihre Namen durch Nummern ersetzten. Wir wollen aus diesen anonymen Zahlen wieder greifbare Schicksale machen", sagt Geschichts- und Religionslehrer David Holluba, der das Projekt rund um das Mahnmal begleitet hat. So trägt auch besagtes Magazin den Titel "Aus Zahlen werden Namen".

Gleichzeitig sei das Projekt auch ein Weg, um junge Menschen an das Erinnern heranzuführen. "Erinnern darf nicht zum reinen Ritual werden, wir müssen neue Wege beschreiten", so Holluba. "Durch das tiefe Eintauchen in die Schicksale der deportierten Menschen aus Darmstadt haben die Schülerinnen und Schüler einen emotionalen Zugang zur Erinnerungsarbeit bekommen", betont auch Schulleiterin Doris Krumpholz.

Ob jung oder alt, nach Vorstellung von Oberbürgermeister Benz soll das Mahnmal - wo immer es auch stehen wird - alle Darmstädterinnen und Darmstädter zum Erinnern und Nachdenken anregen. "Gerade die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen zeigen, wie wichtig es ist, daran zu erinnern, welches Ausmaß Intoleranz, Rassismus und Antisemitismus erreichen konnten und können", spielt Benz dabei vor allem auf den spürbaren Rechtsruck in Deutschland und die Terrormorde der Hamas an.  

Oder wie es auf der Gedenktafel heißt: "Wir erinnern an ihr Leben und ihr Leid. Sie dürfen nie vergessen werden."

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