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Corona-Einschränkungen hinterlassen Spuren bei Kindern und Jugendlichen

Scherenschnitt einer Gruppe Jugendlicher mit ihren Fahrrädern.

Kinder und Jugendliche haben besonders unter den Corona-Einschränkungen gelitten - und sie tun es noch. Therapeuten berichten von einem riesigen Ansturm. Die aktuellen Krisen rufen neue Ängste hervor. Immerhin: In vielen Fällen hilft ein einfaches Mittel.

Es erscheint derzeit sehr unwahrscheinlich, dass es im bevorstehenden dritten Corona-Winter wieder zu Schulschließungen oder allgemeinen Kontaktbeschränkungen kommen wird. Doch an den Auswirkungen dieser Maßnahmen in der heißen Phase der Pandemie knabbern Kinder und Jugendliche immer noch. Die Darmstädter Kinderpsychiaterin Edith Linow erlebt das täglich.

"Es kommen viele mit depressiven Symptomen. Angsterkrankungen haben deutlich zugenommen, Schulängste. Auch Zwänge haben wir sehr viele, und akute Suizidgedanken", berichtet sie. In ihrer Praxis meldeten sich so viele Kinder und Jugendliche, dass sie nicht einmal alle zurückrufen könnten.

Leistungsdruck und wenige Kontakte

Annika, eine 14 Jahre alte Schülerin aus Langen (Offenbach), berichtet vom Druck, der auf ihr und ihren Freundinnen laste: "Natürlich merkt man, dass einen der Stoff aus der Corona-Zeit einholt, denn damals hat man weniger für die Schule gemacht. Aber die Schule macht so weiter, als hätte man normal Unterricht gehabt." Während Corona sei für sie das Schwierigste gewesen, ihre Freunde und Freundinnen nicht zu sehen. Sie habe das Gefühl gehabt zu vereinsamen.

Kinder und Jugendliche hätten vor allem unter den mangelnden sozialen Kontakten in den Corona-Jahren gelitten, mal abgesehen von dem Leistungsdruck in den Schulen, hat auch Psychiaterin Linow beobachtet. Umso wichtiger sei es nach dem Ende der Beschränkungen, soziale Kontakte zu pflegen und wieder in der Gruppe Sport zu machen, sagt Christine Margarete Freitag, Kinderpsychiaterin am Universitätsklinikum Frankfurt.

Freitag rät dringend dazu, dass Jugendliche ihre Zeit reduzieren, die sie online verbringen, und vor allem weniger am Computer oder der Konsole spielen. Das fördere "nachweislich ängstliches und depressives Verhalten, weil die Sozialkontakte wegfallen und man sich mit dem eigenen Leben nicht mehr auseinandersetzt", warnt die Kinderpsychiaterin. Leider habe die Corona-Zeit mit ihrem Zwang, zu Hause zu bleiben, viele Jugendliche vor dem PC versacken lassen.

Anspannung hat zugenommen

Mara aus Frankfurt, 15 Jahre, erinnert sich: "Man saß die ganze Zeit drinnen und hat seine Freunde nicht mehr sehen können. Man konnte ihnen natürlich schreiben oder mit ihnen telefonieren, aber das ist nicht das gleiche, wie sie persönlich zu treffen. Das hat schon auf die Stimmung geschlagen."

Eine Stimmung, von der sich viele Mädchen und Jungen bis heute nicht ganz erholt haben, wie eine aktuelle Studie der Frankfurt University of Applied Sciences zeigt. Dafür haben die Soziologen Andreas Klocke und Sven Stadtmüller dieselben Jugendlichen vor Corona, mittendrin und nach dem Ende der Einschränkungen in diesem Sommer nach ihrem Befinden befragt. 

Auf die Frage "Kommt es vor, dass du dich in der letzten Woche mehr als an zwei Tagen gereizt, angespannt gefühlt hast?" hätten vor der Pandemie 40 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Ja geantwortet, erzählt Andreas Klocke. "Mitten in der Pandemie waren es dann 60 Prozent, also eine Steigerung um 50 Prozent." Inzwischen sei mit einer Zustimmungsquote von 50 Prozent eine Erholung eingetreten, aber das Niveau vor Corona noch nicht erreicht. "Der Schreck sitzt vielen noch im Nacken", sagt Klocke: "Und man schaut mit bangem Blick auf die nächsten Wochen und Monate: Kommt das alles wieder?" 

Hilfe von Verwandten oder der Schulpsychologin

Trotz aller Probleme litten die wenigsten Jugendlichen unter ernsthaften Depressionen oder Angststörungen seit Corona, sagen die Psychiaterinnen Linow und Freitag. "Manchmal ist es ja nur so ein Gedankenkreisel, aus dem man nicht gut rauskommt, ohne dass man gleich schwer depressiv sein muss", so Linow.

Da würden schon Entspannungstechniken einen Ausweg bieten. Oft könne auch ein Verwandter oder die Schulpsychologin helfen. Für schwerere Fälle - bei anhaltenden Schlafstörungen oder raschen Gewichtsverlusten - seien etwa am Uniklinikum Frankfurt kurzfristig Termine in der ambulaten Beratung erhältlich, ergänzt Freitag.

Tricks gegen die Grübelei

Die Frankfurter Psychotherapeutin Miriam Hoff nimmt auch an, dass die meisten sich mit ein paar Tricks selbst gut helfen könnten. Jugendliche müssten lernen, wie sie ihre Gedanken umlenken oder stoppen könnten. "So können sie aus Grübelschleifen aussteigen, indem sie sich an positive Momente in ihrem Leben erinnern", sagt Hoff.

Solche Techniken müsse man allerdings üben. Weil auch Hoff längst nicht allen Kindern und Jugendlichen, die sie um einen Termin bitten, einen anbieten kann, hat sie ein Buch geschrieben, worin sie solche Übungen erklärt. Es heißt "Mind is Magic" und soll vor allem im Alltag helfen. "Die Botschaft ist tatsächlich, dass wir mit unseren Gedanken ganz viel beeinflussen können und zwar zum Negativen, aber auch zum Positiven", sagt die Psychotherapeutin: "Wir können Umstände im Außen nicht beeinflussen - aber wir können beeinflussen, wie wir darauf reagieren."

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