Ein Mädchen sitzt auf in einer Reithalle auf einem Pferd, zwei Frauen und ein junger Mann stehen daneben.

Im Alltag von Familie Fiebrich aus Frankfurt dreht sich fast alles um die 14-jährige Nele, denn das Mädchen hat eine lebensverkürzende Krankheit. Eine ehrenamtliche Hospizbegleiterin entlastet die Familie. Eine Geschichte über kostbare Stunden.

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Kinder- und Jugendhospizdienst in Frankfurt

Frau spaziert mit Kind an der Hand
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"Festhalten und viel Spaß!" Langsam lässt Ruth Hopfenmüller die 14-jährige Nele los und Pferd Reika setzt sich in Bewegung – Nele auf ihrem Rücken und drei Helfer drum herum. Wie jede Woche hat Nele ihre therapeutische Reitstunde in der Spatzenscheune in Bad Soden (Main-Taunus). Und wie jede Woche begleitet ihre Hospizbegleiterin Ruth Hopfenmüller sie dabei.

Nele sitzt auf Therapiepferd Reika, die Therapeutin und Helfer stehen drum herum

Nele hat die Stoffwechselkrankheit Mukopolysaccharidose (MPS). Die Diagnose bekam sie im Alter von zwei Jahren. "Viele vergleichen die Krankheit mit einer Demenz bei Kindern“, erklärt Neles Mutter Nicole Fiebrich. Nach und nach gehen Körperfunktionen wie Laufen oder Sprechen verloren.

Ehrenamtliche Arbeit entlastet die Familie

Noch hat Nele viel Energie, läuft schon vor der Reitstunde Runde um Runde durch die Wohnung der Familie in Frankfurt-Griesheim. Doch das Laufen wird schwieriger werden. "Wir warten jetzt auf einen Rollstuhl. Einen Rehabuggy haben wir schon", sagt Nicole Fiebrich. Und Nele spricht kaum noch.

Der Alltag von Familie Fiebrich ist auf das Leben mit der Erkrankung ausgerichtet. Schon vor der Schule geht es zur Physiotherapie und Zuhause muss Nicole Fiebrich Nele immer im Blick behalten.

Bevor es zum Reiten geht, füttert sie sie mit Müsli, ihr älterer Bruder Jannis hilft ihr, die Klettverschlusschuhe anzuziehen. Für Nicole Fiebrich bedeuten die zwei Stunden pro Woche, in denen Nele mit Hospizbegleiterin Hopfenmüller unterwegs ist, ausnahmsweise Zeit für sich.

Kinderhospizdienst begleitet 45 Familien in Frankfurt

Zeit, die nur durch die Ehrenamtlichen des Kinder- und Jugendhospizdienstes (AKHD) in Frankfurt möglich ist. Aktuell begleitet der AKHD 45 Familien, deren Kinder lebensverkürzende Erkrankungen haben. Oft werden Kinder, Jugendliche und ihre Angehörigen wie bei Nele über Jahre begleitet.

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Der Hospiz- und Palliativ-Verband Hessen e. V. geht davon aus, dass rund 2.500 bis 3.000 Kinder und Jugendliche in Hessen eine lebensverkürzende Erkrankung haben. Insgesamt gibt es dem Verband zufolge hessenweit acht ambulante Kinderhospizdienste, die über die Krankenkassen gefördert werden, und ein stationäres Kinder- und Jugendhospiz. Im vergangenen Jahr wurden durch diese ambulanten Dienste hessenweit 293 Kinder und Jugendliche und deren Familien begleitet.

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Kurs bereitet auf den Umgang mit der Trauer vor

Ruth Hopfenmüller und ihre Kolleginnen und Kollegen haben dafür einen 100-stündigen Vorbereitungskurs absolviert. Darin geht es um Themen wie Nähe und Distanz oder rechtliche Grundlagen der Kinderhospizarbeit. "Und darum, wie ich mit meiner eigenen Trauer umgehe und auch mit der Trauer der Eltern, wenn der Fall eintritt, dass das Kind stirbt", sagt Sandra Rehkessel vom AKHD.

Erst im Juni haben 15 neue Ehrenamtliche den Kurs abgeschlossen. Einer von ihnen ist der 26-jährige Michael Bork. Er sagt, er habe durch den Kurs die Berührungsangst mit dem Tod verloren – auch wenn es in seiner Arbeit oft vor allem um die Ablenkung von den damit verbundenen Sorgen gehe.

Ehrenamtlicher Hospizbegleiter Michael Bork

Bork begleitet einmal die Woche einen neunjährigen Jungen, dessen jüngerer Bruder erkrankt ist. "Ich frage ihn immer, was er machen möchte und dann gehen wir ins Schwimmbad, Fußballspielen oder spielen mit Klemmbausteinen." Das Thema Tod spreche er nicht direkt an, gebe ihm aber Raum, wenn es aufkomme.

Lebens- statt Sterbebegleitung

Auch Ruth Hopfenmüller, die hauptberuflich als Sozialpädagogin arbeitet, war zu Beginn erstaunt, dass das Sterben in der Hospizbegleitung gar nicht so präsent sei, wie sie anfangs vermutet hätte.

Zitat
„Ich war sehr überrascht, dass es gar nicht so sehr um den Tod geht, sondern mehr um das Leben. Wenn ich mit Nele unterwegs bin, dann leben wir einfach diesen Moment – viel intensiver als den Rest der Woche. “ Ruth Hopfenmüller Ruth Hopfenmüller
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Hospizbegleiterin Ruth Hopfenmüller am Zaun des Reitplatzes

Sie begleitet Nele jetzt seit drei Jahren. Während das Mädchen mit den kurzen struppigen Haaren zunehmend entspannter im Takt mit den Pferdeschritten mitwippt, schaut Hopfenmüller zu, winkt oder macht Fotos für Neles Eltern. Für Hopfenmüller ist die Zeit mit Nele jede Woche ein Höhepunkt.

"Beim Thema Tod muss man hinschauen"

Sie hat sich für die Ausbildung zur Hospizbegleiterin entschieden, nachdem sie selbst eine Trauererfahrung gemacht hatte. "Kurz vorher war mein Schwiegervater gestorben und ich habe mich ganz intensiv mit dem Thema Tod auseinandergesetzt." Sie habe gemerkt, das sei ein Thema, wo man hingucken müsse, das man nicht einfach ignorieren könne.

Die Zeit mit Nele sei trotzdem "Leben pur". "Am Anfang war ich etwas verunsichert, wie ich mit ihr umgehen soll", sagt Hopfenmüller. Mittlerweile sei sie viel sicherer geworden. Das Vertrauen zwischen den beiden ist spürbar, auch ohne viele Worte.

Nele und ihre Hospizbegleiterin Ruth Hopfenmüller gehen zwischen den Feldern Hand in Hand spazieren.

Nach der Reitstunde bekommt Therapiepferd Reika Futter zur Belohnung und Nele und Ruth Hopfenmüller gehen Hand in Hand noch eine große Runde zwischen den Feldern spazieren, bevor es zurück nach Hause geht.

Weitere Informationen

Ehrenamtliche gesucht

  • Der Ambulante Kinder- und Jugendhospizdienst Frankfurt/Rhein-Main sucht weiterhin Ehrenamtliche
  • Für Herbst ist eine Infoveranstaltung geplant und im kommenden Jahr ein neuer Qualifizierungskurs
  • Interessierte können sich beim AKHD melden:

Tel.: 069/90 55 37 79

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