Obst- und Gemüseausgabe in der Lebensmitteltheke

Dort, wo die Tafeln nicht präsent sind, schließen oft lokale Initiativen die Lücken, wie etwa die Lebensmitteltheke in Groß-Bieberau. Der stark gestiegene Bedarf bringt diese Organisationen an die Grenzen der Belastbarkeit - und ihrer finanziellen Möglichkeiten.

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Wenig Unterstützung für tafelähnliche Organisationen

Sie helfen gerne: Ludwig Hummelt (li.) und Teile des ehrenamtlichen Teams der Lebensmitteltheke.
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Körbe voller frischem Obst und knackigem Gemüse, daneben Kühlschränke mit Milchprodukten und anderen Lebensmitteln. Ein bisschen sieht es hier aus wie in einem Hofladen auf einem Bauernhof. Doch in der Lebensmitteltheke in Groß-Bieberau (Darmstadt-Dieburg) können nicht alle einkaufen, sondern nur jene, die es nicht so üppig haben.

Die Lebensmitteltheke ist eine von zahlreichen lokalen Lebensmittelorganisationen in Hessen, die Bedürftigen das Nötigste zum Leben für ganz kleines Geld anbieten.

Der Bedarf ist groß und wird immer größer. "Uns gibt es seit zehn Jahren, aber im vergangenen Jahr ist der Zustrom regelrecht explodiert", sagt Jochen Gaydoul, erster Vorsitzender des Vereins Diakoniezentrum Groß-Bieberau, der die Lebensmitteltheke anbietet.

Bedarf explosionsartig angestiegen

"Anfang des Jahres hatten wir etwa 60 registrierte Kunden, Ende des Jahres waren es bereits rund 240." Etwa die Hälfte davon kämen aus der Ukraine, aber auch die Inflation habe die Menschen zur Lebensmitteltheke getrieben. Hinter den registrierten Kunden stehen oft auch noch bedürftige Familien. Gaydoul schätzt, dass momentan fast 600 Menschen über die Lebensmitteltheke versorgt werden.

Damit ist die Lebensmitteltheke nicht alleine. Auch die anderen tafelähnlichen Organisationen müssen den steigenden Zustrom bewältigen. Der kleine Verein Warenkorb in Weiterstadt (Darmstadt-Dieburg) etwa muss seit Beginn des Ukraine-Kriegs rund 30 Prozent mehr Menschen versorgen, berichtet der Vorsitzende Eugen Moczygemba.

Die Arbeit ist in etwa vergleichbar mit der der Tafeln. Anders als die Tafeln, die jährlich mit Millionenbeträgen vom Land gefördert werden, stellt das Sozialministerium seit Februar dieses Jahres für sogenannte tafelähnliche Organisationen, wie die Lebensmitteltheke eine ist, gerade einmal 100.000 Euro zur Verfügung. Pro Organisation ist der Betrag dabei abhängig von der Größe auf maximal 5.000 Euro gedeckelt.

"Wir machen hier die gleiche Arbeit"

"Die Tafel in Dieburg, die in etwa so groß ist wie wir, bekommt rund 40.000 Euro vom Staat", sagt Gaydoul von der Lebensmitteltheke. Die Betriebskosten für seine Initiative schätzt Gaydoul für das laufende Jahr auf etwa 20.000 Euro. Das wäre eine Verdopplung zum Vorjahr, da vor allem Mietkosten und gestiegene Benzin- und Energiepreise zu Buche schlagen.

Bislang finanzierte sich die Lebensmitteltheke rein durch Spenden und Sponsoren. In den vergangenen Jahren hätten laut Gaydoul auch die umliegenden Kommunen immer wieder Geld zugeschossen. Für 2023 könne mit dem Geld der Kommunen etwa ein Drittel der Kosten gedeckt werden. "Wir müssen also immer wieder neue Sponsoren an Land ziehen", so Gaydoul, der sich eine Gleichbehandlung mit den Tafeln wünscht: "Wir machen hier die gleiche Arbeit, allerdings nur mit Ehrenamtlichen."

Rein ehrenamtliche Angelegenheit

Zwischen 60 und 70 Ehrenamtliche arbeiten derzeit für die Groß-Bieberauer Lebensmitteltheke, die meisten davon sind bereits im Rentenalter. Auch Leiter Ludwig Hummelt ist bereits in Rente. Die Lebensmitteltheke sei für ihn die Möglichkeit, etwas von dem Glück, das ihm das Leben beschert habe, zurückzugeben, sagt er. "Mein moralischer Kompass hat mir gesagt, dass wer viel bekommt auch viel geben sollte."

Heller und freundlicher Wartebereich für die Kunden der Lebensmitteltheke.

Und er gibt wahrlich viel, teilweise arbeitet er bis zu 48 Stunden in der Woche für die Lebensmitteltheke, organisiert, plant und packt an. Im Zentrum seiner Bemühungen stehen die Menschen, die kommen. Im freundlich und hell eingerichteten Wartebereich wird Kaffee ausgegeben, es gibt eine Spielecke für Kinder. Auch die Helferinnen und Helfer begegnen den Menschen freundlich und zugewandt. "Ihr seid hier willkommen", lautet die Kernbotschaft.

Im letzten Jahr sei die Belastung aber sprunghaft angestiegen, sagt Hummelt. "Wir haben die Kapazität um fast 100 Prozent erhöht bei gleicher Mannschaftsstärke." Zusätzlich zum gewohnten Ausgabetag am Donnerstag hat die Lebensmitteltheke noch den Dienstag als Ausgabetag für ukrainische Menschen eingeführt. Dienstags werden zum Beispiel die Ansagen und Ankündigungen auch in Russisch gemacht, was in der Ukraine die Amtssprache ist.

"Jede helfende Hand ist willkommen"

"Unser Team ist sehr engagiert, aber auch sehr belastet. Deswegen ist jede zusätzliche helfende Hand willkommen", wirbt Hummelt um Unterstützung. Auch Lebensmittelspenden sind gerne gesehen, denn die Spendenbereitschaft der Läden und Supermärkte habe merklich abgenommen. "Die verkaufen ihre verderbliche Ware oft abends billiger, das fehlt uns dann am nächsten Tag beim Abholen." Als gemeinnütziger Verein kann die Lebensmitteltheke auch Spendenquittungen ausstellen.

Aber wozu eigentlich der ganze Aufwand, wenn es doch die Tafeln gibt? "Wir decken mit der Lebensmitteltheke in Groß-Bieberau eine Lücke ab, die zwischen den Tafeln entsteht", erklärt Hummelt.

Dort präsent, wo die Tafel nicht sind

In Südhessen gibt es Tafeln nur in Darmstadt, Dieburg, Michelstadt und Bensheim. Viele bedürftige Menschen seien aber nicht oder nur eingeschränkt mobil, könnten also nicht so einfach zu den Tafeln in den Städten gelangen.

Deswegen sei es wichtig und notwendig, dass es tafelähnliche Organisationen wie die Lebensmitteltheke gibt. "Ich wünsche mir einfach, dass das Land das auch entsprechend würdigt", so Hummelt. Damit wäre jenen geholfen, die anderen helfen.