Zwei Pflegerinnen

Ausländische Pflegekräfte sollen nicht nur in der Altenpflege Personallücken schließen, sondern auch in Krankenhäusern. Am Uniklinikum Gießen und Marburg arbeiten mittlerweile über 150 aus dem Ausland angeworbene Personen, viele kommen von den Philippinen. Funktioniert das?

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Mehr ausländische Pflegekräfte in Krankenhäusern

hs 25.03.2024
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Einmal Pieks, kündigt Mae Malate freundlich an. Die Pflegerin setzt eine feine Nadel an die Fingerspitze der Patientin. Ein kleiner Stich und ein Blutstropfen fließt in ein Röhrchen.

Malate kontrolliert noch den Urinbeutel seitlich am Krankenbett. 150 Milliliter - sehr gut, lobt sie. "Brauchen Sie noch was?", fragt sie die Patientin. Einen Pudding vielleicht? Frischen Tee? Das versteht die Frau im Bett zuerst nicht so recht. Vermutlich, weil es mehr wie "Tie" klingt, so wie Malate das mit ihrem philippinischen Akzent ausspricht. Die Pflegerin zeigt auf die Tasse. "Schmeckt's?", fragt sie. "Noch warm?"

Alles gut, meint die Patientin und Malate huscht weiter. "Dann sehen wir uns nach dem Mittagessen, gell", sagt sie noch.

Zahlen haben sich vervierfacht

Immer mehr Patienten, immer weniger Personal. Was in der Altenpflege längst Usus ist, findet nun vermehrt auch in Krankenhäusern statt: Pflegekräfte aus dem Ausland werden gezielt nach Deutschland angeworben.

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Auch am Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM), wo die Pflegekrise Dauerthema ist, arbeiten mittlerweile rund 150 Pflegekräfte aus dem Ausland. 43 von ihnen wurden vor dreieinhalb Jahren auf den Philippinen angeworben.

Höchststand bei Anträgen

Wie das Hessisches Landesamt für Gesundheit und Pflege (HLfGP) auf hr-Anfrage mitteilte, gab es allein im vergangenen Jahr 3.161 Anträge von ausländischen Pflegekräften auf Anerkennung ihres Abschlusses in Hessen - so viele wie noch nie. Allein in den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl fast vervierfacht. Das HLfGP geht davon aus, dass die Tendenz weiter steigen wird.

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Sie kommen aus Serbien, Albanien oder Bosnien und Herzegowina – aber auch von deutlich weiter weg, etwa aus Brasilien oder Indien. Besonderes "Fokusland" ist laut HLfGP derzeit die Türkei. Viele kommen seit Jahren aber auch von den Philippinen.

"Aller Anfang ist schwer"

Als Mae Malate damals nach Gießen kam, war sie bereits fertig ausgebildet mit einem Bachelor in Gesundheits- und Krankenpflege und einem Jahr Berufserfahrung.

Um ihre Ausbildung anerkannt zu bekommen, müssen zugewanderte Pflegekräfte Deutschkenntnisse vorweisen. Außerdem müssen sie Eignungsprüfungen absolvieren oder in sogenannten Anpassungslehrgängen pflegerische Kompetenzen oder Sprachkenntnisse erwerben, die ihnen noch fehlen.

Malate kennt dafür mittlerweile sogar eine deutsche Redewendung. "Aller Anfang ist schwer", sagt sie. Sie habe auch ihre Familie vermisst und am Anfang viel geweint. Deutschland sei ganz anders als ihre Heimat. Das Essen natürlich. Aber zu Hause werde auch mehr gelacht. "Hier sind die Leute ernster."

Nicht nur herkommen, sondern auch hierbleiben

Das erklärte Ziel für das UKGM: Dass die Leute nicht nur herkommen, sondern sich auch wohlfühlen und bleiben. Denn der Anwerbeprozess ist aufwendig, erklärt Marijana Dobrijević, die für die Betreuung der ausländischen UKGM-Mitarbeitenden zuständig ist.

Dobrijević unterstützt die Pflegekräfte beim Einreiseverfahren im Vorfeld und später beim Ankommen in Deutschland. Die Wohnungssuche sei angesichts "astronomischer Mieten" momentan die größte Herausforderung. "Und es fehlt die Offenheit von Vermietern, jemandem mit befristetem Aufenthaltstitel eine Chance zu geben."

Auch emotional unterstütze Dobrijević die meist jungen Mitarbeitenden bei Bedarf, etwa wenn zu Hause jemand krank wird. Manche hätten inzwischen auch Ehepartner oder Kinder nachgeholt, berichtet sie. Einige würden auch ihre Familien in der Heimat finanziell unterstützen.

Bereicherung für die Station

Thiemo Meyer, Pflege-Stationsleiter auf der pneumologischen Intensivstation in Gießen, wo neben Mae Malate und noch weitere ausländische Kräfte arbeiten, sagt: Mit welchem Stand die internationalen Kräfte kämen, sei sehr unterschiedlich und durchaus abhängig von Gesundheitssystem und Arbeitskultur im jeweiligen Heimatland.

Besonders die philippinischen Pflegekräfte seien aber sehr gut vorbereitet gewesen und hätten sich schnell eingelebt. "Und wenn es mal sprachliche Schwierigkeiten gibt, wird nachgefragt." Meyer meint: Die neuen Kolleginnen und Kollegen würden als Fachkräfte dringend gebraucht. Sie seien aber auch menschlich eine Bereicherung fürs Team.

Kritik: Rekrutierung sorgt für "Brain Drain"

Kritik an der offensiven deutschen Pflegekräfte-Rekrutierung gibt es allerdings auch. Die Gewerkschaft Verdi bemängelte beispielsweise eine hohe Unzufriedenheit unter philippinischen Arbeitskräften. Viele fühlten sich in Deutschland "nicht willkommen" oder "fachlich abgewertet", so Verdi unter Berufung auf eine Untersuchung einer interkulturellen Beraterin.

Gewerkschaftssekretär Fabian Dzewas-Rehn meint: Grundsätzlich sei es nicht schlecht, ausländische Kräfte anzuwerben. Es dürften aber nicht zu viele sein. Das UKGM hole verhältnismäßig viele - und die müssten schließlich alle eingearbeitet werden. Klar sei aus Verdi-Sicht auch: Allein mit ausländischen Kräften werde sich der Pflegenotstand nicht überwinden lassen.

Vorbehalte gibt auch immer wieder in den Herkunftsländern selbst. Von "Brain Drain" ist die Rede - also einer Art "Abfluss von Intelligenz und Verstand" - wenn Industrienationen gut ausgebildete Kräfte aus wirtschaftlich schwächeren Ländern abwerben, die dann wiederum vor Ort fehlen.

UKGM sieht Integration der philippinischen Kräfte als Erfolgsmodell

Das UKGM sieht die Integration der Kräfte von den Philippinen jedenfalls als Erfolgsmodell. Von den 43, die vor dreieinhalb Jahren gekommen sind, sind 42 noch da, heißt es.

Auch Mae Malate sagt: Sie fühle sich willkommen und wolle bleiben. So richtig "eingedeutscht" sei sie zwar noch nicht, meint sie. Aber sie wisse mittlerweile sogar, was gemeint ist, wenn ein Patient einen Kolter will oder eine Kollegin ein Kneipchen (hessisch für Decke und Messer). Und auch die gängigen Schimpfwörter hätten ihr die Kollegen beigebracht. "Damit ich weiß, wenn jemand frech zu mir ist."

Über die Frage, was denn das Beste in Deutschland sei, muss sie übrigens nicht lange nachdenken: das Gehalt, ganz klar.

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