Kein Bikini mehr im Schwimmbad: Das möchte der Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Sicherheit in Wiesbaden.

Weibliche Brüste erblicken in Wiesbadener Freibädern das Licht der Welt: Das Oben-ohne-Verbot für Frauen und nicht-binäre Menschen ist gekippt worden. Grund zum Jubeln ist das nicht, eher eine Selbstverständlichkeit - wenn wir von Gleichberechtigung ausgehen.

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Oben ohne optional: Wiesbaden ändert Badeordnung

Frau taucht ins Wasser ein
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In Wiesbadener Hallen- und Freibädern dürfen Frauen und nicht-binäre Menschen künftig offziell "oben ohne" baden. Damit haben sie im Jahr 2023 die gleichen Rechte bekommen wie die Männer. Wow.

Die Wiesbadener Volt-Partei hatte sich für eine Gleichstellung der Geschlechter im Punkt Oben-ohne-Baden in öffentlichen Schwimmbädern eingesetzt. Am späten Donnerstagabend wurde diese Forderung von der Stadtverordnetenversammlung durchgewunken. Zuvor war der Anblick von nackten Frauenbrüsten in den Wiesbadener Bädern verboten gewesen.

Oben-ohne-Verbot? - Come on, it's 2023, baby!

Vorangegangen war eine Debatte, wie sie derzeit beispielhaft für viele Orte in Hessen geführt wird. Und bei der man sich ernsthaft fragen muss: In welchem Jahr leben wir eigentlich? Müssen wir wirklich darüber diskutieren, ob es weiterhin nur Männern gestattet sein soll, oben ohne zu baden?

Die Gemüter sind erhitzt. Die einen finden die Vorstellung von frei im Wind wehenden Brüsten furchtbar, sprechen von "Ordnung" und "Sitte". Viele (Männer) geben sich defensiv: "Als ob sich jemand beschweren würde, wenn eine Frau da oben ohne liegt. Hehe, ganz im Gegenteil" - und reiben sich insgeheim schon aufgegeilt die Hände.

Wer spielt die "Busenpolizei"?

Dass wirklich jemand Beschwerde beim Badepersonal einlegt und die betreffende Frau dann hochkant und barbusig aus dem Bad geschmissen wird, davon würde ich jetzt erst mal auch nicht ausgehen. Man wird halt "nur" angegafft. Das ändert sich erst, wenn nackte Frauenbrüste normalisiert werden und überhaupt erst einmal erlaubt sind.

Denn es ist doch leider so: Wenn sich eine Frau dazu entscheidet, sich - trotz Verbots - oben ohne zu sonnen, dann scheint sie für manche nicht einfach Lust auf streifenfreie Bräune zu haben. Sondern dann erscheint das Blankziehen plötzlich als ein rebellischer Akt.

Wenn Blankziehen zur Rebellion wird

Sonnt man sich als einzige Frau oben ohne, dann fragt sich nämlich schon der erste Bade-Bubi aufgeregt: "Will sie mir ihre Brüste zeigen? Will sie, dass ich hinschaue?" Die Antwort lautet natürlich in den meisten Fällen: "Nein."

Andere sprechen von Sitten und meinen damit eigentlich Sittenverfall. Die Schuld dafür, dass ihr Blut bei einem nackten Busen in Wallung gerät, sehen sie dann nicht bei den Pornos, die sie sich kürzlich reingezogen haben. Sondern in der bloßen Brust selbst.

Stinknormale Brustwarzen, die sie selbst einmal gesäugt haben, werden dann in ihren Köpfen zu zwei kleinen erigierten Mini-Penissen. Aber das ist einfach Unsinn. Noch mal für alle: Das Pendant zum Penis wäre - na? Die Vulva. Nur weil Penisse und Brüste beide auch mal im Wind schlackern können, sind sie nicht miteinander zu vergleichen.

Der Busen außerhalb des Beuteschemas

Apropos im Wind schlackern: Wenn ein Busen durch die Form aus dem allgemeinen Beuteschema rausfällt, dann wird er in der allgemeinen Wahrnehmung auch schnell mal "unansehnlich" und sogar als eklig bezeichnet. "Das will doch keiner sehen", sind dann die Argumente. Musst du ja auch nicht. Konzentrier' dich einfach auf deine Portion Pommes.

Es geht um die Selbstverständlichkeit von nackten Brüsten. Und solange diese Selbstverständlichkeit nur in Pornos existiert, wird die weibliche Brust in der breiten Masse niemals als "einfach da" akzeptiert, sondern weiterhin sexualisiert - und angegafft.

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Ihre Kommentare Oben ohne im Schwimmbad erlaubt: Ihre Meinung?

59 Kommentare

  • Ich finde es gut, wenn jeder eine Meinung hat. Die Meinung in diesem Artikel wertet allerdings die Meinung/Denke/das triebgesteuerte Empfinden zumindest eines Teils der Bevölkerung ab, und damit bin ich nicht einverstanden.
    Die Diskussion über Oben-Ohne-Für-Alle im Freibad finde ich interessant und bin gespannt, wie sie sich in den nächsten Jahren entwickelt.
    Mir persönlich ist es wurscht, wer sich wo ganz oder teilweise ausziehen will und warum. Nur dass der Mensch hormongesteuert ist, wird niemand abstellen können. Je nach Erziehung/kultureller Prägung gehen wir unterschiedlich damit um.

  • Jede Frau sollte selber entscheiden, ob sie das möchte oder nicht. In meiner Jugend war es völlig normal im Darmstädter Woog auch oben ohne zu baden. Ich habe das nie gemacht, viele andere aber schon. Wo ist das Problem? Hauptsache nicht mit Kleidung ins Wasser- das ist ein echtes Problem.

  • Ganz toll geschriebener Text. Die Autorin drückt genau aus, was ich denke. Vielen Dank dafür!

    Ich verstehe wirklich nicht, warum wir Frauen uns einschränken sollen, damit Männer ihren Sexualtrieb unter Kontrolle halten können.

    Und das Argument, Kinder könnten sich an Brüsten stören ist doch sehr weit hergeholt. Kinder übernehmen was man ihnen vorlebt!

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