Kirchenvorstand entlassen Nach Antisemitismus-Eklat: Landeskirche räumt in Darmstädter Gemeinde auf

Zwei Monate nach Antisemitismus-Vorfällen auf einem Weihnachtsmarkt in Darmstadt will die evangelische Landeskirche in der verantwortlichen Michaelsgemeide jeden Stein umdrehen. Im ersten Schritt wurde ein Kirchenvorstand seines Amtes enthoben und das Gemeindeleben weitgehend lahmgelegt.

Außenansicht einer Kirche mit Glockenturm.
Kirche der Darmstädter Michaelsgemeinde Bild © Imago Images, epd
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Rund zwei Monate nach den antisemitischen Vorfällen auf einem Weihnachtsmarkt in Darmstadt hat die Evangelische Kirche Hessen Nassau (EKHN) angekündigt, die verantwortliche Michaelsgemeinde neu aufstellen zu wollen. Gleichzeitig enthebt die EKHN das für die Organisation des Weihnachtsmarktes verantwortliche Mitglied des Kirchenvorstands seines Amtes, wie die Landeskirche am Freitag mitteilte.

In der Michaelsgemeinde seien jetzt "ordnende Schritte und klare Entscheidungen notwendig", heißt es in der Mitteilung des Dekanatssynodalvorstands, der nach dem Vorfall die Leitung der Gemeinde übernommen hatte.

Bei der Aufarbeitung der Vorfälle rund um den Weihnachtsmarkt sei unter anderem herausgekommen, dass die Räume in der Gemeinde und im zugehörigen Jugendhaus von verschiedenen Gruppen und Initiativen teilweise ohne Autorisierung genutzt wurden. Den Weihnachtsmarkt etwa hatte die Gemeinde zusammen mit der Palästina-Solidaritätsgruppe "Darmstadt4Palestine" organisiert.

Alle Gruppenaktivitäten gestoppt

Die EKHN stoppt deswegen ab sofort alle Gruppenaktivitäten in der Michaelsgemeinde. Die Nutzung der kirchlichen Räume im Martinsviertel müsse grundlegend überdacht und offene Fragen müssten geklärt werden.

Es gehe darum, die bisherigen Angebote der Michaelsgemeinde zu überprüfen und zu klären, was fortgeführt wird und was nicht. Ziel sei es, "tragfähige Lösungen zum Wohl der Gemeindemitglieder und des kirchlichen Lebens im Martinsviertel" zu finden. Lange bestehenden Gemeindegruppen, wie etwa einem Seniorenkreis, würden alternative Räume in Nachbargemeinden zur Verfügung gestellt. 

In den Tagen nach Bekanntwerden der Vorfälle waren mehrere Mitglieder des Kirchenvorstands der Michaelsgemeinde zurückgetreten. Auch der Hauptorganisator des Weihnachtsmarkts gehörte laut EKHN dem Vorstand an, er sei einer Bitte um Rücktritt aber nicht nachgekommen. Deswegen habe die Kirche nun beschlossen, den Mann seines Ehrenamtes zu entheben.

Nachbargemeinden springen ein

Dem Pfarrer der Gemeinde hatte die EKHN bereits im Dezember die Ausübung seines Amtes untersagt. Es werde derzeit geprüft, welche Aufgaben er künftig übernimmt, heißt es weiter in der Mitteilung. Die seelsorgerische und gottesdienstliche Betreuung der rund 1.500 Gemeindemitglieder werde vorerst von den Nachbargemeinden Martin Luther und Johannes wahrgenommen.

Auf dem sogenannten "Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt" der Michaelsgemeinde war kurz vor Weihnachten Material mit antisemitischen Slogans und verbotenen Symbolen aufgetaucht. Auf Flyern war beispielsweise der Spruch "From the river to the sea" zu lesen. Mit der Parole wird ein freies Palästina gefordert - und damit nach der Überzeugung vieler die Auslöschung Israels. Auch Schlüsselanhänger mit Hamas-Symbolen wurden verkauft.

Die EKHN sprach damals von "zutiefst verstörenden Bildern" und untersagte dem Pfarrer, gegen den in den Tagen nach Bekanntwerden des Vorfalls auch Morddrohungen eingingen, seine Amstsausübung. Sowohl EKHN als auch die Stadt Darmstadt, die Jüdische Gemeinde und der hessische Antisemitismusbeauftragte erstatteten Strafanzeige gegen die Michaelsemeinde. In der Darmstädter Politik entbrannte ein heftiger Streit.

Sendung: hr4,

Quelle: hessenschau.de