Drei junge Menschen, die aus Afghanistan zurückgekehrt sind

Vanessa Faizi und Wais Zakir sind nach Besuchen in Afghanistan in Frankfurt gelandet. Beide berichten über ihre Angst nach der Machtübernahme der Taliban. Auch Asib Malekzada aus Kassel erzählt von seiner Angst - sitzt aber nach wie vor in Kabul fest.

Vanessa Faizi aus Hofheim: "Panik, nie wieder heim zu kommen"

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Afghanistan-Rückkehrer in Frankfurt gelandet

hs
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"Ich habe es nicht geglaubt, dass wir rauskommen", sagt Vanessa Faizi. Die junge Frau aus Hofheim (Main-Taunus) steht vor der großen Anzeigetafel im Frankfurter Flughafen, um sie herum das übliche rege Treiben im Terminal. Den Alptraum, der hinter ihr liegt, kann sie noch immer kaum fassen.

Faizi ist eine von 131 Passagieren des Evakuierungs-Fluges aus der afghanischen Hauptstadt Kabul, der am Mittwochmorgen um 3.30 Uhr in Frankfurt gelandet ist. Sie ist in Sicherheit.

"Die ersten Tage waren noch so schön"

Nur zwei Wochen war Faizi zu Besuch in Afghanistan: als Gast auf einer Hochzeit. Sie selbst ist in Frankfurt geboren, ihre Eltern in Afghanistan. Zwei kurze Wochen, in denen sich die Lage im Land um 180 Grad gedreht hat:

"Die ersten Tage waren noch so schön", erzählt sie. Mit ausladenden Gesten beschreibt sie die Restaurants, den Friseur mit den Fotos von weiblichen Models im Schaufenster. "Die Menschen sind rausgegangen. Kopftücher wurden gar nicht mehr wirklich getragen." Dann der Schnitt: "Aus einer Hochzeit wurde Panik."

Eine Stadt nach der anderen fällt an die radikal-islamischen Taliban. Faizi sieht die Frauenfotos aus den Schaufenstern verschwinden. "Es gibt kein Fernsehen mehr. Wie in der Steinzeit." Faizi, ihre Freunde und Familienangehörigen bekommen es mit der Angst zu tun.

Angst von den Taliban entführt zu werden

Drei Tage versuchen sie alles, um auszureisen. Sie telefonieren mit dem Auswärtigen Amt, lassen sich auf Passagierlisten setzen. Doch die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam. "Jede Stunde habe ich auf eine Mail gewartet", erzählt Faizi und hat jetzt Tränen in den Augen. Draußen seien Schüsse gefallen "Wenn man in einer Paniksituation ist und Angst hat, von den Taliban entführt zu werden - wie soll man denn ruhig bleiben?"

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch dann die überstürzte Flucht auf eigene Faust zum Flughafen. Zum Kofferpacken bleibt keine Zeit - und der Flughafen ist voll: "Wir haben Menschenmassen gesehen, die sich zertrampelt haben. Wir haben gedacht: Hier kommen wie niemals durch."

Die Verzweiflung ist Faizi immer noch anzuhören. Ihren deutschen Pass habe sie sich kaum getraut vorzuzeigen - aus Angst, er könnte ihr abgenommen werden. "Ich hatte solche Panik, nie wieder hierher zu kommen."

Wais Zakir aus Münster: "Gefühl, ich werde gleich erschossen"

Wais Zakir

Wais Zakir lebt seit zehn Jahren in Deutschland - zurzeit in Münster in Nordrhein-Westfalen. Auch für ihn war der Flieger nach Frankfurt die Rettung vor den Taliban. Auch er wollte eigentlich nur etwas Zeit bei seiner Familie in Afghanistan verbringen. "Ich wollte zur deutschen Botschaft, die wurde umzingelt von den Taliban", erzählt er.

"Am Flughafen war die Situation so schlimm, dass man es als Mensch nicht mehr verkraften konnte. Man hörte Schüsse, da waren Kinder, da waren ältere Menschen, die hin und her geschubst wurden."

"Die Menschen werden psychisch krank"

Afghanische Soldaten hätten die Menschen geschlagen und bedroht. Auch Zakir beobachtet die Veränderung des Landes im Zeitraffer und mit Schrecken: "Ich habe in diesen zwei Wochen gemerkt, die Menschen werden psychisch krank. Ich beobachte meine Eltern, meine Brüder, meine Geschwister: Wir haben keine Hoffnung mehr."

Geblieben, so scheint es, ist nur Resignation. "Die sagen, ich möchte von diesem Land nichts mehr. Ich gehöre hier nicht mehr hin. Diese 20 Jahre, die in Afghanistan investiert wurden, der Aufbau - dass das jetzt alles auf null gesetzt ist, verkraftet kein Afghane mehr."

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Rund 250 weitere Gerettete unterwegs nach Frankfurt

Am Mittwochabend ist ein weiterer Lufthansa-Airbus mit Geretteten vom usbekischen Taschkent aus gestartet. Die Maschine sollte am Donnerstagmorgen gegen 3.50 Uhr in Frankfurt landen. An Bord waren nach Angaben der Lufthansa rund 250 Menschen. Die Bundeswehr hatte nach Angaben des Verteidigungsministeriums bis zum Abend insgesamt 678 Menschen aus Kabul nach Usbekistan geflogen.

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Er selbst kann sich ein Leben in einem Afghanistan unter Taliban-Herrschaft nicht vorstellen: "Dieses Gefühl zu haben, ich bin nicht frei, dieses Gefühl zu haben, ich werde gleich erschossen", sagt Zakir, "damit jeden Tag zu leben - ich persönlich könnte das nicht durchhalten, weil ich ein anderes Leben gewöhnt bin.“

Asib Malekzada aus Kassel: "Möchten so schnell wie möglich hier raus"

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Kasseler sitzt mit Verlobter in Kabul fest

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Asib Malekzada muss noch durchhalten. Denn der 33-Jährige aus Kassel sitzt noch immer in Kabul fest. Auch er ist erst vor zwei Wochen hingeflogen. "Die Taliban haben die Stadt fest im Griff", berichtet er. In der Stadt herrsche gespenstische Stille, die Menschen blieben aus Angst zu Hause - auch Asib selbst.

"Wir haben Angst und möchten so schnell wie möglich hier raus". Seit 20 Jahren lebt er in Deutschland, arbeitet in Kassel in der Erwachsenenbildung. Per Skype erzählt er im Interview mit dem hr, wie er eigentlich nur seine Verlobte aus Kabul abholen wollte - und dann dort bleiben musste.

Ärger über Bürokratie

Denn während Malekzada ausreisen dürfte, verweigern die Behörden seiner Verlobten die Ausreise: Nur unmittelbare Familienangehörige dürften mit dem deutschen Evakuierungsflug ausreisen, so die Begründung. Einen Hochzeitstermin beim Kasseler Standesamt haben die beiden zwar schon, aber verheiratet sind sie eben noch nicht.

"Man beharrt auf die deutsche Bürokratie", ärgert sich Malekzada. Und ohne seine Verlobte ausreisen, kommt nicht in Frage. So bleibt den beiden momentan nur: ausharren und auf ein Einlenken der Behörden hoffen.

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