Mann mit Hund und Einkaufstrolley sitzt auf dem Boden neben einem Baum.

In der aktuellen Hitzewelle gilt die Devise: ab ins Kühle. Doch was tun, wenn man sich nicht in die eigene Wohnung flüchten kann? In Frankfurt versorgen Streetworker Obdachlose mit Wasser und Sonnenschutz. Wir haben sie begleitet.

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Erste Hilfe für Obdachlose in der Frankfurter Hitze

Kollage 2 Streetworker/in in Frankfurt vor liegender Person auf Bank.
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Die Hitze steht zwischen den grauen Fassaden des Frankfurter Bahnhofsviertels. Die Luft flimmert auf dem Asphalt. 34 Grad zeigt die Temperaturanzeige an diesem Montag. Streetworkerin Bettina öffnet ihre schwarze Umhängetasche, greift nach einer Wasserflasche und hält sie einem obdachlosen Mann hin. Ihren Nachnamen will Bettina an dieser Stelle wegen Sicherheitsbedenken nicht nennen.

Zwischen 400 und 600 Menschen in Frankfurt leben laut aktuellen Schätzungen wie er auf der Straße. "Häufig haben die Leute fünf, sechs Kleiderschichten an, dann noch eine Mütze auf dem Kopf, dicke Schuhe und am besten noch einen Schlafsack um. Das ist wirklich kritisch", erzählt sie mit Blick auf die Temperaturen.

Bevor sie losgegangen sind, haben die Streetworker Bettina und Kevin vom Diakoniezentrum WESER5 Süßigkeiten, Feuchttücher, Wasserflaschen und Apfelschorle in ihre schwarzen Umhängetaschen gepackt. Manchmal haben sie auch Sonnencreme dabei. Einen Teil davon finanziert die Stadt Frankfurt, den Rest zahlt die Einrichtung aus Spenden. Sie verteilen nicht nur, sondern fragen auch nach: Braucht jemand T-Shirts, weil er nur einen Pullover hat? Möchte jemand duschen? Wie geht es der Person gesundheitlich?

Acht bis zwölf Kilometer jeden Tag

Ihr heutiges Ziel: Der Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen. Am Willy-Brandt-Platz steigen sie in die U-Bahn. Vorher verteilen sie dort noch Wasser und Gummibärchen an einen obdachlosen Mann. "Danke, voll cool von euch", antwortet dieser. Acht bis zwölf Kilometer lassen sie jeden Tag hinter sich, das ganze Jahr über. Bei starker Hitze sogar zwei Mal am Tag. "Deswegen sind Laufschuhe immer die richtige Wahl", sagt Kevin. Er arbeitet erst seit zwei Wochen in der Beratungsstelle WESER5.

Streetworker Kevin arbeitet seit zwei Wochen bei WESER5. Mann mit Sonnenbrille und längeren lockigen Haaren steht im Frankfurter Bahnhofsviertel.

"Das Wichtigste ist, dass die Leute merken, dass sie uns nicht egal sind"

Bettina steuert auf einen Discounter zu, wo sie einen Obdachlosen vermutet. "Nach dem müssen wir auch mal wieder schauen." Nicht alle lassen sich helfen. Doch Bettina bleibt hartnäckig. Flasche für Flasche baut sie Vertrauen auf. Manchmal versucht die Streetworkerin, Obdachlose mit zum Tagestreff WESER5 zu nehmen. Dort ist es kühl, es gibt Essen, eine Dusche und einen Ruheraum.

"Hallo, wie geht’s Ihnen? Warm, oder?" Bettina steht einem Mann gegenüber, der sich aus Pappkartons notdürftig einen Verschlag auf einer Parkbank gebaut hat. Wie sonst auch, lehnt er ihre Hilfe ab. "Und sonst auch keinen Bedarf?" "Nein, nein, nein." Bettina verabschiedet sich. Morgen wird sie wiederkommen. "Das Wichtigste ist, dass die Leute merken, dass sie uns nicht egal sind und wenn er in Not ist, kommt er schon auf uns zu."

"Diese Extremwetterlagen sind lebensgefährlich"

Bettina arbeitet schon seit zehn Jahren hauptberuflich als Streetworkerin. Sie kennt fast alle. Die meisten haben ihre festen Plätze in der Stadt. Wie viele Obdachlose Bettina und Kevin auf ihrer Tour antreffen, ist unterschiedlich. Manchmal bis zu 20 Personen, heute sind es insgesamt fünf. "Und wenn wir auch mal nur einen getroffen haben, dann ist das auch schon ein Erfolg", sagt Bettina.

Sie hebt ihre Sonnenbrille von der Nase und kneift die Augen zusammen. "Schau mal, da sieht man schon eine Messi-Platte." Ein Berg aus Kissen und Schaumstoff liegt auf dem Asphalt. Bettina schaut dahin, wo die meisten wegschauen. Geht in Gebüsche oder auf Bahnhofstoiletten. Fehlanzeige! Hier liegt niemand.

Bettina arbeitet seit zehn Jahren als Streetworkerin. Frau mit Sonnenbrille, in schwarz gekleidet steht mit einer schwarzen Umhängetasche im Frankfurter Bahnhofsviertel.

Bettina erzählt, viele Obdachlose seien nachts aktiv und würden sich morgens in den Schatten schlafen legen. Nach ein paar Stunden lägen sie dann in der prallen Sonne. Erst vergangene Woche mussten sie deshalb den Krankenwagen rufen. "Den Mann haben wir nur mit Mühe und Not wach bekommen, mit Getränken versorgt und in den Schatten bewegt. Gerade diese Extremwetterlagen sind für Obdachlose lebensgefährlich."

Schätzungen des Robert-Koch-Instituts, des deutschen Wetterdienstes und des Umweltbundesamtes zufolge sind allein 2018 insgesamt 740 Menschen in Hessen an den Folgen von Hitze gestorben. Wie viele davon obdachlos waren, ist nicht bekannt.

Im Winter achten Menschen eher auf Obdachlose

Helfen könne jeder, finden die beiden Streetworker. Morgens könne man beispielsweise eine zweite Wasserflasche oder eine Banane einpacken. Viele melden die Fälle auch bei den Einrichtungen oder dem Frankfurter Nottelefon. Trotzdem fehle das Bewusstsein. Im Winter seien die Menschen aufmerksamer, sagt Bettina. "Die Hitze ist positiv besetzt. Die Leute genießen ihr Eis und daneben verdursten andere."

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So können Sie helfen

Melden Sie dehydrierte wohnungslose Menschen in Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe in Ihrer Nähe oder unter der Not-sehen-und-helfen-Hotline 212-700 70. Bei besonders kritischen Fälle sollte die 112 verständigt werden.

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Zurück in der U-Bahn Richtung Willy-Brandt-Platz. "Am Ende des Tages ist der eigentliche Erfolg, der Kontakt zu den Menschen, nicht die Anzahl an Wasserflaschen, die wir verteilt haben. Das ist schon mal ein Riesenschritt, wenn sie eine Anlaufstelle haben."

Bettina wischt sich den Schweiß von der Stirn. Auch den beiden Streetworkern macht die Hitze sichtlich zu schaffen. Doch auf dem Heimweg werden sie weiter Ausschau halten. So wie jeden Tag.

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