Karin, Gabi und Louisa haben eine Gemeinsamkeit - sie haben Trisomie 21. Ihre Vorstellungen vom Leben sind jedoch ganz unterschiedlich. Während die einen sich in der Werkstatt zuhause fühlen, will Louisa zeigen, dass mehr in ihr steckt.

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Welt-Down-Syndrom-Tag − Einblick in das Leben Betroffener

hessenschau vom 21.03.2024
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Die Zwillingsschwestern Karin und Gabi Bleeker sind ein Herz und eine Seele - seit 64 Jahren. Beide haben Trisomie 21. "Auf geht's", sagt Gabi und bringt die Taschengeldkasse in die Verwaltung im Wiesbadener Facettenwerk, einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Aufgaben wie diese, mit Verantwortung, machen ihr Spaß.

Werkstatt als geschützter Raum

Die Schwestern arbeiten in der Werkstatt in der gleichen Arbeitsgruppe. Eigentlich müssten die beiden mit 64 Jahren gar nicht mehr arbeiten, sie fühlten sich aber noch fit, sagt Karin grinsend: "Fit wie ein Turnschuh, ich turne und schwimme auch." Gerade stempeln sie Flaschendeckel, das heißt, sie drücken kleine Kunststoffplättchen in die Deckel, 13 Stück passen in eine Reihe, zählt Karin. 

Karin und Gabi Bleeker

Die geschätzte Lebenserwartung, die nach ihrer Geburt vorhergesagt wurde, haben die Zwillinge längst übertroffen. Heute liegt sie für Menschen mit Trisomie 21 bei zirka 60 Jahren. Etwa 50.000 Menschen mit Down-Syndrom leben schätzungsweise in Deutschland, genaue Zahlen gibt es nicht, da Trisomie 21 hierzulande nicht im Geburten- oder Sterberegister erfasst wird. 

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Das Down-Syndrom

Menschen mit Trisomie 21 haben das Chromosom 21 dreimal. Der 21.3. ist deshalb als Welt-Down-Syndrom-Tag gewählt. Medizinisch ist Trisomie 21 heute gut erforscht. Es gibt zahlreiche Förderangebote und bei entsprechender Förderung ist für viele Menschen mit Down-Syndrom ein eigenständiges Leben möglich.

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Die Schwestern teilen ihr ganzes Leben mit Arbeit und Zimmer und auch zahlreiche Hobbies, wie Schwimmen und Theater spielen haben sie gemeinsam. Gerade haben die beiden ein neues WG-Zimmer bekommen, erzählt Karin. "Mit Doppelbett, ich vorne, die Gabi hinten." Für die beiden ist die Werkstatt ein Wohlfühlort: Bekannte Gesichter, Aufgaben, die sie können, Routinen. Sie kennen es nicht anders und wollen auch nichts anderes.

"Früher wurden sie mitleidig angeschaut"

Bei Louisa Gagel ist das anders. Die 25-Jährige hat große Pläne für ihr Leben und überhaupt keine Lust mehr auf die Werkstatt. "Dafür bin ich zu fit", sagt sie selbstbewusst. Für Christiane Jungkenn ist sie ein gutes Beispiel dafür, wie sich der Umgang mit dem Down-Syndrom und damit auch das Bewusstsein derer, die es haben, verändert hat.

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Leben mit Trisomie 21

Bildkombination aus zwei Fotos: links eine Frau auf der Bühne im Scheinwerferlicht, die ihren Arm nach oben streckt. Rechts zwei Frauen, die an einem Tisch in einer Werkstatt sitzen und Dinge in Körbe werfen.
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Seit 30 Jahren ist Jungkenn für die Öffentlichkeitsarbeit der Lebenshilfe Wiesbaden zuständig und betreut als Theaterpädagogin auch das Theater Franz, ein Theater für Menschen mit kognitiver Einschränkung. "Früher war das eine Frage des Mitleids, sie wurden mitleidig angeschaut, nicht ernst genommen", erklärt sie. Den Eltern der Bleeker- Zwillinge sei damals zum Beispiel nicht gesagt worden, dass ihre Kinder Trisomie 21 haben.

Die Eltern hätten ihre Kinder eigenständig gefördert, sodass Gabi und Karin Lesen und Schreiben können. Ein anderer Weg, als der in die Werkstatt, wäre aber damals nicht gesehen worden. Das habe sich massiv verändert, sagt Jungkenn. Heute wären Eltern viel informierter und mit gezieler Förderung gebe es auch ganz andere Möglichkeiten.

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Down-Syndrom und der reguläre Arbeitsmarkt

Laut einer Umfrage des Down-Syndrom-Infocenters unter Menschen mit Trisomie 21 arbeiten 17,3 Prozent am ersten Arbeitsmarkt. Dabei gebe es einen Zusammenhang zwischen Schulbesuch und Arbeitsweg. Kinder, die eine Förderschule besuchen, werden später eher in einer Werkstatt arbeiten. 67 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Angebote zur Berufsorientierung.

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Auch wenn sich im Umgang mit Trisomie 21 in den vergangenen Jahren einiges verändert hat, der 25-jährigen Louisa ist das nicht genug. Ihr Wohlfühlort ist die Bühne. Seit neun Jahren ist sie beim Theater Franz. Das mache Spaß sagt sie, ihr Talent sieht sie allerdings eher woanders. Sie will lieber singen, am liebsten sogar beruflich.

Umso glücklicher war sie, dass sie beim letzten Stück eine Gesangsrolle hatte. "Ich fühle mich frei, wenn ich auf der Bühne stehe und singe, ich habe das Gefühl, die Last fällt dann von mir", beschreibt sie. 

Louisa Gagel auf der Bühne beim Theater Franz

Viel Frühförderung, wenig Teilhabe als Erwachsene

Die Last, damit meint Louisa den Umgang mit ihr als Mensch mit Trisomie 21. Oft fühlt sie sich nicht ernst genommen und unterschätzt: "Mein Vorbild ist meine große Schwester Valerie, weil sie nicht bevormundet wird. Die geben meiner Schwester mehr Freiheit, mehr Entscheidungsfreiheit."

Sie habe das Gefühl, ihr werde nicht vertraut. So sei in ihrem Handy eine Kindersicherung eingebaut, obwohl sie doch bereits 25 Jahre alt ist. Bus und Bahn fahren darf sie dagegen seit dem 13. Lebensjahr alleine. "Das kann nicht jeder mit Behinderung, aber da bin ich gut drin", sagt sie stolz. 

Außerdem kann sie nähen, sagt Louisa. Erst kürzlich habe sie einen Nähkurs besucht. Sie liebt es kreativ zu sein und zu zeichnen. Sie hat vor, sich auf eine Ausbildung als Schneiderin zu bewerben. Und in Sachen Gesang, da würde sie am liebsten mal bei einer Casting-Show wie "The Voice of Germany" mitmachen.

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