Eine historische Drogerie ist im Jungen Museum aufgebaut

Drucken, Papierschöpfen, Zahnpulver anrühren: Das Junge Museum Frankfurt ist Europas ältestes Kindermuseum und feiert seinen fünfzigsten Geburtstag. Über das besondere Konzept spricht Kuratorin und Spaß- und Wissensvermittlerin Laura Hollingshaus im Interview.

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Erleben und Spaß haben seit 50 Jahren im Jungen Museum Frankfurt

Laura Hollingshaus steht vor Exponaten in der Ausstellung "Frankfurt und der NS"
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Das Zauberwort im Jungen Museum in Frankfurt heißt: Machen. Anstatt vor Vitrinen zu stehen und lediglich Dinge anzuschauen, geht es in dem Museum darum, alles anzufassen und auszuprobieren. So wird Geschichte lebendig und spannend, sagt die Kuratorin und Vermittlerin Laura Hollingshaus: Einkaufen im Kolonialwarenladen, Zahnpulver mischen in der Drogerie, Drucken oder Kochen wie im 19. Jahrhundert.

Warum sie Spaß über Wissen stellt, Jugendliche der blinde Fleck im Museum sind und in den 1970er-Jahren die Exponate tiefer gehängt wurden, erzählt Hollingshaus im Interview.

hessenschau.de: Springen wir doch mal an den Anfang der Geschichte: Wie ist das Kindermuseum entstanden - und warum?

Laura Hollingshaus:1972 wurde hier im Historischen Museum tatsächlich als erstes in Europa das Kindermuseum gegründet. Das war am Anfang noch ganz anders, als wir uns das heute so vorstellen. Das bedeutete eigentlich zunächst nur, dass Objekte auf der Augenhöhe von Kindern angebracht waren, damit sie die überhaupt erst mal sehen und wahrnehmen konnten. Und dass es manchmal Spielzeuge gab, die zu den Objekten gepasst haben, die im Ausstellungsraum zu sehen waren. Das war damals schon bahnbrechend.

hessenschau.de: Welche Themen fanden damals Raum im Kindermuseum, und welche sind es heute?

Laura Hollingshaus: Kinder- und Jugendmuseen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine riesige thematische Bandbreite haben. Weil für uns natürlich alles interessant ist, was Kinder interessiert. Es gab Ausstellungen zum Thema Schule oder über Lebenswelten aus vergangenen Zeiten. Auch Spielzeug war immer ein beliebtes Thema. Heute haben wir einen etwas anderen Fokus. Dadurch, dass wir hier gemeinsam mit dem Historischen Museum in einem Haus sind, interessieren wir uns vor allem für Stadtgeschichte oder auch Themen aus der politisch-historischen Bildung. Wir haben jetzt zum Beispiel gerade eine Ausstellung zum Leben von Kindern und Jugendlichen in der Zeit des Nationalsozialismus.

Ein Mädchen mit einem langeb Zopf steht an einem Tisch mit bunten Stoffen, von hinten fotografiert.

hessenschau.de: Stichwort beschäftigen - Es scheint, dass mindestens die Hälfte des Museums nicht aus Anschauen, sondern aus Mitmachmöglichkeiten besteht.

Laura Hollingshaus: Ich würde eher sagen: Bei uns sind es 100 Prozent Machen. Also Gucken gehört natürlich auch dazu. Aber bei uns geht es ganz viel darum, dass man Dinge anfasst und dass man sie ausprobiert und sich selbst daran ausprobiert, also kreative Techniken kennenlernt und sich auch was zutraut. Unsere Werkstätten sind ein ganz wichtiger Bestandteil unseres Museumsprogramms. Wir haben zum Beispiel eine sehr gut ausgestattete Druckwerkstatt mit verschiedenen Druckmaschinen und Pressen. Oder einen Bereich für Stoffarbeiten.

hessenschau.de: Warum ist es so wichtig, dass Kinder und Jugendliche in einem historischen Museum Drucken oder Papierschöpfen können?

Laura Hollingshaus: Indem man Dinge mit den Händen tut, begreift man sie viel besser und kann sich das auch in einer gewissen Weise aneignen. Durch Anschauen können wir Dinge verstehen, aber dadurch, dass wir Dinge anfassen oder mit ihnen interagieren, können wir sie viel besser wahrnehmen und auch zu unserer Geschichte machen. Und natürlich geht es auch in der Papierwerkstatt zum Beispiel darum, warum man eigentlich Papier macht und wie das früher hergestellt wurde und wie es heute hergestellt wird.

hessenschau.de: Das Kindermuseum ist 2018 von seinem Ausweichquartier an der Hauptwache in das Historische Museum gezogen. Auf dem Weg hat es auch einen neuen Namen bekommen: Junges Museum Frankfurt. Warum das?

Laura Hollingshaus: Diese Umbenennung kommt nicht von ungefähr. Wir sind natürlich immernoch ein Museum für Kinder, ohne Frage, aber wir wollten unsere Zielgruppe so ein bisschen schärfen. Mit dieser Ausrichtung auf historisch-politische Themen sind wir eben kein Museum für Dreijährige, sondern eher für Grundschulkinder, für Jugendliche und für die Familien dieser Kinder.

hessenschau.de: Wie locken Sie Jugendliche ins Museum? Drucken und Papierschöpfen klingt nicht nach deren Lieblingsbeschäftigung.

Laura Hollingshaus: Für alle Museen, nicht nur für uns, ist es tatsächlich die größte Schwierigkeit, Jugendliche ins Museum zu kriegen. Das ist so die klassische Nicht-Besucher:innen-Gruppe. Meiner Erfahrung nach, wenn sie mal drin sind, ist es ein totaler Selbstläufer. Also gerade in den Werkstätten, weil viele sich dann doch auch so eine kindliche Neugier wieder zutrauen und in spielerisches Handeln kommen. Wir hatten gerade vor ein paar Wochen eine Gruppe mit 16-Jährigen in der Werkstatt und das war ein ganz tolles Bild, wie die interagiert haben und sich wirklich sehr viel Mühe gegeben haben, damit ihre Ergebnisse schön werden. Wir versuchen, eine Infrastruktur zu bieten, die interessant ist und einen Ort zu schaffen, der relevant ist für Jugendliche oder junge Menschen.

Bunte, handgeschöpfte Papierstücke hängen mit Wäscheklammern befestigt zum Trocknen an einer Leine.

hessenschau.de: Kinder und Jugendliche lieben Handys, Tablets und Zocken. Spielen solche Sachen im Jungen Museum auch eine Rolle?

Laura Hollingshaus: Also da muss man so ein bisschen differenzieren. Natürlich nutzen wir auch digitale Elemente. Wir hatten 2018 eine Ausstellung zu Revolution und Protestbewegung, die ein digitales Game war. Aber in den Werkstätten zum Beispiel steht es eher im Vordergrund, mit seinen Händen zu arbeiten. Digitale Vermittlungsformate sind dann gut, wenn sie eine sinnliche Erfahrung bereichern oder spielerische Zugänge liefern zu Objekten.

hessenschau.de: Was ist Ihnen persönlich wichtig an Ihrer Arbeit im Jungen Museum, was wollen Sie erreichen?

Laura Hollingshaus: Mir liegt besonders der möglichst uneingeschränkte Zugang für Kinder und Jugendliche zu kultureller Bildung am Herzen. Ich finde, das ist echt ein Knackpunkt, wenn alle ganz, ganz niedrigschwellig Zugang zu Kultur haben und sich ausprobieren können, auch vor allem an einem Ort der außerschulischen Bildung. Kinder und Jugendliche brauchen einen Freiraum für Information, Reflektion und Kreativität, in dem sie nicht ständig bewertet oder benotet werden. Das finde ich sehr bereichernd für unsere Gesellschaft.

hessenschau.de: Freuen Sie sich mehr darüber, wenn Kinder sagen, sie haben viel gelernt, oder sie haben viel Spaß gehabt im Jungen Museum?

Laura Hollingshaus: Ich finde Spaß wichtig. Um ehrlich zu sein: Man lernt doch mehr, oder hat insgesamt mehr davon, wenn man Spaß hat. Ganz klar, ein Museum muss in erster Linie ein Ort sein, an dem man Spaß hat. Viel Spaß.

Das Gespräch führte Katrin Kimpel.

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