Die Fassade des "ruruHauses" ist bemalt, hier arbeitet das Künstlerkollektivg Ruangrupa

Die künstlerische Leitung der documenta hat neue Vorwürfe wegen antisemitischer Bildsprache auf der Kunstausstellung in Kassel zurückgewiesen und die Veränderung eines Werks verteidigt. So habe man vielmehr Missverständnissen vorbeugen wollen.

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documenta: Schon wieder Antisemitismus-Vorwurf

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Die künstlerische Leitung der documenta hat auf die erneuten Antisemitismus-Vorwürfe reagiert. In einem schriftlichen Statement erklärte das kuratierende Künstlerkollektiv Ruangrupa, in dem Werk "All Mining is Dangerous" des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi sei keinerlei antisemitische Bildsprache enthalten. Der Holzschnitt zeigt demnach die muslimische religiöse Führung in Indonesien und übt Kritik am weltweiten Bergbausystem.

Junges Forum nennt Darstellung "offen antisemitisch"

Am Dienstag waren Vorwürfe des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) gegen das Werk öffentlich geworden. Der Bundesvorsitzende des Jungen Forums, Constantin Ganß, bezeichnete die Darstellung von vier Personen, die große Mengen Geld in Form von Geldsäcken unter sich aufteilen, als als "offen antisemitisch". Eine der Figuren sei mit langer Nase, wulstigen Lippen und hämischem Grinsen abgebildet. Auf dem Kopf trage sie eine Kopfbedeckung, die mit einem schwarzen Stück Klebeband überklebt worden sei.

Bei der überklebten Kopfbedeckung handele es sich um eine Kippa, wie nähere Betrachtungen vor Ort und der Vergleich mit älteren Aufnahmen des Bildes zeigten. Es sei unfassbar, dass die Verantwortlichen der documenta dächten, durch das Abkleben einer Kippa sei das Problem gelöst, sagte Ganß.

Ruangrupa: Überarbeitung sollte Fehlinterpretationen vermeiden

Bereits kurz nach der Eröffnung der documenta war ein Banner von Taring Padi wegen antisemitischer Abbildungen abgehängt worden. Im nun beanstandeten Fall handelt es sich dem Kuratorenkollektiv Ruangrupa zufolge aber nicht um die Darstellung einer jüdischen Person, sondern um Petruk, einen wiederkehrenden Charakter des in Indonesien bekannten Puppentheaters Wayang. Die überklebte Kopfbedeckung zeige entgegen der Interpretation des Jungen Forums der DIG keine Kippa, sondern die klassische und weit verbreitete indonesische Kopfbedeckung "Kopiah", auch "Songkok" oder "Peci" genannt. Im Gegensatz zur jüdischen Kopfbedeckung Kippa reiche die Kopiah dem Träger bis zu den Ohren.

Das Bild zeigt eine Puppe aus einem Schattentheater. Sie hat ein goldenes Gesicht mit einer langen Nase und wülstigen Lippen, einen dunklen Pferdeschwanz und einen schwarzen dicken Bauch.

Wie das Kuratorenkollektiv in dem Statement erklärt, habe das Werk ursprünglich die sogenannte Hadsch-Mütze gezeigt, die in Indonesien von religiösen Führern getragen werde. Um einer Verwechslung der Mützen vorzubeugen, sei das Werk nach Rücksprache mit und auf Initaitive von Taring Padi am 21. Juni von den Künstlern selbst mit Klebeband überarbeitet worden - also kurz nachdem das Banner "People's Justice" wegen antisemitischer Abbildungen abgebaut worden war.

Die Entscheidung, das Werk "All Mining is Dangerous" abzukleben, sei aus Einfühlungsvermögen gegenüber der breiten Öffentlichkeit und als Präventivmaßnahme gegen eine mögliche Fehlinterpretation erfolgt, heißt es in der Mitteilung weiter. Jedem Künstler und jeder Künstlerin stehe es frei, ihr oder sein Werk zu bemalen, zu bekleben oder anderweitig zu bearbeiten. In diesem Fall sei das nicht geschehen, um etwas zu vertuschen. Man habe vielmehr "eine weitere Fehlinterpretationen" vermeiden wollen.

Expertenrat soll Werk prüfen

Wie die documenta am Donnerstag mitteilte, hätten Ruangrupa diese Hintergründe nach dem Bekanntwerden der neuen Vorwürfe auch Vertretern beider Gesellschafter, der Stadt Kassel und dem Land Hessen, sowie dem Antisemitismusbeauftragten des Landes, Uwe Becker, erläutert. Sie seien der Auffassung, dass als antisemitisch in der Diskussion stehende Beiträge bis zur abschließen Klärung aus der Ausstellung entfernt werden sollten.

Ihre abschließende Haltung zu dem umstrittenen Beitrag Taring Padis machen sie demnach von der Einschätzung der von den Gesellschaftern eingesetzten Expertenkommission abhängig. Bereits am Dienstag hatte die documenta angekündigt, die Arbeit dem Expertenrat vorzulegen. Das siebenköpfige Gremium berät die documenta bei der Aufarbeitung problematischer Werke.

Wie der hr am Donnerstag erfuhr, wird das Bild von Taring Padi zunächst nicht entfernt. Stattdessen werde es umgehend mit einer Einordnung zum Kontext versehen, teilte die Sprecherin mit. Die documenta fifteen wird seit Monaten von Antisemitismus-Vorwürfen begleitet. Mehrere Werke wurden als judenfeindlich kritisiert.

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