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Ein Film über Klarenthal

Zwei junge Männer in Daunenjacken vor einem Hochhaus, sie schütteln einander die Hände.

Das Hochhaus-Viertel Klarenthal ist bei manchen Wiesbadenern als Ghetto verschrien, als Problemviertel, wo Kriminalität Alltag ist. Ein junger Filmemacher aus Wiesbaden hat eine Kurz-Doku über den Stadtteil gedreht und ein ganz anderes Bild gezeichnet.

Miko und Lenny nennen sich "Bruder", obwohl sie gar keine Brüder sind. Sie kennen sich seit ungefähr sechs Jahren. Lenny hat Miko zweimal zufällig "vor Stress" bewahrt, seitdem sind sie Freunde. Seite an Seite laufen sie durch die Hermann-Brill-Siedlung im Wiesbadener Stadtteil Klarenthal, rauchen gemeinsam am Sportplatz.  

"Viele sagen ja, Klarenthal ist kriminell. Aber im Endeffekt wollen die Jungs nur hier raus, und das wird dann als Kriminalität angesehen." Miko wohnt schon sein ganzes Leben in Klarenthal, kennt viele Leute hier. "Hier bin ich zum Mann geworden, hier habe ich alles gelernt", sagt er stolz.

Eine Siedlung als Hauptdarsteller

Der 25-Jährige brachte seinen Kumpel Lenny Westend auf die Idee, über die Siedlung einen Film zu drehen. "KT197 – eine Heimat, ein Stadtteil, ein Klarenthal" heißt die 24-minütige Dokumentation, die kürzlich beim "Exground"-Filmfestival einen Publikumspreis gewann. Die "197" steht dabei für die letzten drei Ziffern der Postleitzahl, die Klarenthal und die benachbarten Stadtteile von der Wiesbadener Innenstadt unterscheiden.

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Plattenbau statt Gründerzeit

Wer an Wiesbaden denkt, hat vermutlich als erstes die pittoresken Gründerzeithäuser und das elegante Kurviertel vor Augen. Aber nur knapp 10 Minuten von der Innenstadt entfernt, sieht es in Klarenthal ganz anders aus.  

Zwar ist der Stadtteil umgeben von Wald und nennt sich selbst "Das grüne Tor nach Wiesbaden". Doch gerade im nördlichen Teil sieht man vor allem die Folgen einer verfehlten Stadtplanung: Plattenbau reiht sich an Plattenbau, hier wohnen viele arme Menschen, die Arbeitslosigkeit und die Zahl der Sozialhilfebezieher ist weit über dem Wiesbadener Durchschnitt.  

Es ist ein Stadtteil mit schlechtem Ruf. Bei der Landtagswahl 2023 hat die AfD mit knapp 29 Prozent hier das beste Ergebnis in ganz Wiesbaden eingefahren. "Das sind alles Leute, die einsam in ihrer Wohnung sitzen", sagt Miko nicht ohne Trotz über die AfD-Wähler.

Doku ohne Ghetto-Klischees   

Im Gegensatz zu Miko kommt sein Freund Lenny nicht aus Klarenthal, sondern Wiesbaden-West. Der 29-Jährige studiert Kunst an der Hochschule für Gestaltung Offenbach und wollte sich im Doku-Bereich ausprobieren. 

Abgeschreckt habe Lenny Westend, der eigentlich Lennard Lüdemann heißt, das Image von Klarenthal nicht: "Vorbehalte hatte ich gar keine. Im Gegenteil, ich wollte genau deswegen hingehen."

In seinem Film wollte er den Stadtteil anders darstellen – nicht als Problembezirk oder Ghetto. "Ich wollte zeigen, was die Leute hier wirklich machen, was sie wirklich denken, was sie wirklich wollen", sagt Lenny.  Sein Freund Miko ergänzt: "Wir sind alles Menschen und da weiß ich nicht, warum manche nicht so denken."

Authentisch und ausdrucksstark 

Herausgekommen ist eine ehrliche Innenansicht eines Stadtviertels, das sonst nur im Schatten steht. Es wechseln sich Interviews, Drohnenflüge über die Siedlung und Reportage-Elemente ab.  

Mit Miko und Marvin, einem weiteren jungen Mann, hat Lenny Westend zwei Klarenthaler Stimmen gefunden, die deutlich machen, warum dieses Viertel für sie ihr Zuhause ist.  

Eine Gemeinschaft wie auf dem Dorf

Marvin schätzt das "Dorfmäßige", dass hier jeder jeden kennt. Im Großen und Ganzen habe die Integration geklappt, findet er. Auch Miko betont den "Zusammenhalt mit den Jungs".

Hin und wieder wirkt der Film noch wie ein Erstlingswerk ohne großen Produzenten im Rücken. Seine Stärke: Lenny kennt seine Protagonisten, wodurch die Doku nicht elitär von außen erzählt wirkt. 

Auszeichnung für KT197  

Als der Film kürzlich beim Wiesbadener "exground"-Filmfestival mit einem Publikumspreis als bester Wiesbaden-Film ausgezeichnet wurde, haben die Jungs aus Klarenthal kräftig mit abgestimmt.  

"Wir leben für die Gegend, wir lieben die Gegend so", sagt Miko, "ich bin so proud, Mann." Die Jungs sind stolz auf ihr Klarenthal - und vielleicht auch stolz darauf, endlich mal gesehen zu werden.

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