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Ausstellung macht mit KI Frauen in der Wissenschaft sichtbar

Physikerin Lise Meitner, KI-generiert von Künstlerin Gesine Born

Sie haben Großes geleistet - doch ihre Gesichter kennt man nicht: Eine Ausstellung in Darmstadt zeigt nun vergessene Wissenschaftlerinnen mit realitätsnahen Portraits - erstellt von einer Künstlichen Intelligenz (KI). Eine posthume Würdigung großer Frauen und ihrer Lebensleistungen.

Betritt man die Ausstellung "Versäumte Bilder" im Schader Forum in Darmstadt, wird man von einem großen Portrait der britischen Biochemikerin Rosalind Franklin begrüßt. Stolz hält sie den Nobelpreis in ihrer Hand, den sie in Wirklichkeit nie gewann. Doch waren es ihre Berechnungen und Messungen, durch die die Struktur unserer DNA entdeckt werden konnte. Dafür geehrt wurden stattdessen ihre Kollegen James Watson und Francis Crick.

Jetzt ist Rosalind Franklin eine von 17 Wissenschaftlerinnen, die in der Schader Stiftung mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz posthum gewürdigt werden. Es sind Frauen, die zu ihren Lebzeiten von Männern überschattet und benachteiligt wurden und von denen es nur wenige echte Fotografien gibt. Ihre KI-Portraits verleihen den Frauen ein Gesicht.

Ausstellungsansicht

Mit starken Posen in die Ahnengalerie

Die Fotografin und Wissenschaftskommunikatorin Gesine Born will mit ihrem Projekt gegen das Vergessen und den sogenannten Matilda-Effekt ankämpfen. Der Effekt beschreibt die systematische Leugnung von Frauen in der Wissenschaft, deren Arbeit oft ihren männlichen Kollegen zugeschrieben wird. "In der Wissenschaft gibt es diese schwarz-weißen Ahnengalerien von Männern", erzählt sie. "Frauen sind da absolut nicht vertreten. Ich will sie gleichstellen und den Ahnengalerien hinzufügen und portraitiere sie deswegen mit hartem Licht, starken Posen oder verschränkten Armen."

KI verarbeitet alle verfügbaren Informationen

Für ihre Bilder benutzt Gesine Born das Programm "midjourney". Es ist eine künstliche Intelligenz, die mit Hilfe von spezifischen Angaben in der Lage ist, täuschend echte Bilder zu erschaffen. Die alten, oft unscharfen oder schlecht aufgelösten Fotografien der Wissenschaftlerinnen gibt Born der Künstlichen Intelligenz. Informationen der Wissenschaftlerinnen kommen dazu, genauso wie ein Ort und eine Zeitangabe. Die Eingaben werden so lange angepasst, bis die KI aus der vorhandenen Fotografie das perfekte Portrait generiert:

Rosalind Franklin (KI generiertes Porträt)

Auch eine KI hat Vorurteile

Die KI-generierten Portraits wirken zwar täuschend echt, der Prozess dahinter kann aber auch zu vielen Fehlern führen. Oft zieht die künstliche Intelligenz ihr Wissen auch nur aus dem Internet. "Die KI hat dadurch Vorurteile", ergänzt Gesine Born. "Wenn ich jetzt nur ‚Foto eines Wissenschaftlers‘ eingeben würde, dann würde ich nur alte, weiße Männer bekommen. Wenn ich nicht die genau richtigen Angaben mache, generiert die KI die fehlenden Lücken aus dem eigenen Vorurteil heraus".

Wenn sogar eine künstliche Intelligenz annehme, dass ein Wissenschaftler männlich sein müsse, lasse das auf eine endemische Benachteiligung der Frau in der Wissenschaft schließen, so Born. "Ein transparenter Umgang mit dem neuen Medium KI ist deswegen besonders wichtig, weil dadurch Diskurs geschaffen und der Fokus erweitert wird."

Nobelpreis nie bekommen, späte oder keine Auszeichnung

Born hat sich internationale und bereits bekannte Wissenschaftlerinnen vorgenommen: Die Physikerin Lise Meitner wurde als "Mutter der Kernspaltung" 48-mal für den Nobelpreis nominiert, bekam ihn aber nie. Vera Rubin bestätigte als Astronomin schon in den 1970er-Jahren die Existenz von Dunkler Materie.

Katherine Johnson wurde erst 2015 für ihre Arbeit an der Mondlandung und ihre Lebensleistung für die NASA als "menschlicher Computer" ausgezeichnet. All diese Frauen hat Gesine Born porträtiert - anmutig und stolz.

Prägende Frauen aus der Region werden nun gesehen

Doch auch "versäumte Bilder" von acht vergessenen hessischen Wissenschaftlerinnen werden gezeigt: Jovanka Bončić-Katerinić, die 1913 als erste Absolventin der TH Darmstadt und erste Diplom-Ingenieurin Deutschlands ihr vierjähriges Studium abschloss. Zu sehen ist auch Judita Cofman, die erste Professorin für Mathematik an der Universität Mainz.

Auch Ottilie Rady, die erste habilitierte Kunsthistorikerin Deutschlands an der TH Darmstadt, bekommt in der Ausstellung ein Gesicht. Gesine Born führte viele Gespräche mit Menschen, die die Wissenschaftlerinnen persönlich kannten, um mehr über sie zu erfahren und sie realistisch durch KI abbilden zu können.

Sieht aus wie Fotos, sind aber keine

Was man bei "Versäumte Bilder" sieht, sind computergenerierte Abbildungen und Fenster in eine Vergangenheit, die so nie existierte. Lise Meitner, Rosalind Franklin oder Jovanka Bončić wurden nie portraitiert. Ihre Arbeit zu Lebzeiten wurde nie anmessend gewürdigt. "Es hat etwas Melancholisches, diese Frauen hier zu sehen", betont Gesine Born.

Man sieht Geister einer versäumten Vergangenheit. "KI bietet mir einen Möglichkeitsraum, Visionen zu erschaffen, die auch berühren können", sagt die Künstlerin. "Wenn man sieht, wie sich die Bilder in der künstlichen Intelligenz langsam aufbauen und quasi zum Leben erwachen, dann ist das die Visualisierung des Sichtbar-Machens schlechthin und für mich hat es dann auch etwas Tröstendes, diese Bilder zu sehen."

KI-generierte Stimme führt durch Ausstellung

Portraits sind nicht das Einzige, das bei "Versäumte Bilder" von einer künstlichen Intelligenz generiert ist. Dank alter Sprachaufnahmen von Lise Meitner kann die KI ganze Sätze in ihrer Stimme formulieren. Wer mehr von den 17 Wissenschaftlerinnen wissen will, kann sich deren Geschichten von Lise Meitner erzählen lassen.

Bis Ende Juni ist die Ausstellung im Darmstädter Schader Forum zu sehen. Wer es nicht schafft, kann sich außerdem die ganze Ausstellung, samt Audios, KI-Eingaben und Bilder auch auf der Ausstellungswebsite ansehen.

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