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Wotan fehlt und Otello muss sterben

Theaterszene mit drei Männern, einer hält einen Regenschirm in der Hand

Verschiebungen, Ersatzveranstaltungen und nun sogar eine komplett abgesagte Inszenierung: Das Staatstheater Wiesbaden stellt die Geduld seiner Besucher auf eine harte Probe. Hintergrund ist ein Streit ums Geld - und ein Machtkampf hinter den Kulissen.

In der Programm-Übersicht des Staatstheaters Wiesbaden ist in diesen Tagen viel Rot zu sehen. Für manche Aufführungen werden Ersatzveranstaltungen angeboten, andere entfallen ersatzlos, so wie das Neujahrskammerkonzert am vergangenen Samstag und eine Vorstellung des Jungen Schauspiels am Dienstag. Am Freitag wurde auch die für den nächsten Tag geplante Wiederaufnahme von "Otello" abgesagt.

Zur Begründung werden bei den Stücken "Der Sturm", "Endstation Sehnsucht" und "Komödie im Dunkeln" Erkrankungen im Ensemble angegeben. Beim entfallenen Neujahrskonzert ist von "dispositorischen Gründen" zu lesen. Bei der abgesagten Kindervorstellung hieß es, es sei an diesem Tag kein Proben- und Vorstellungsbetrieb am Hessischen Staatstheater Wiesbaden möglich.

"Vollständig handlungsunfähig"

Hinter einigen Ausfällen steckt mehr als die derzeit kursierende Erkältungswelle. Darauf weist ein Presse-Statement hin, das das Theater am Mittwoch veröffentlichte. "Dass das Staatstheater Wiesbaden zurzeit vollständig handlungsunfähig ist, ist offenbar und von den Trägern willkürlich herbeigeführt", heißt es darin.

Der Vorwurf: Die Träger, das Land Hessen und die Stadt Wiesbaden schadeten dem Theater, weil sie die seit mehreren Monaten durch Krankheit vakante Position des Geschäftsführenden Direktors nicht neu besetzten.

Träger fordern, den Betrieb sicherzustellen

"Stattdessen greift eine auf zwei Personen verteilte, dysfunktionale Vertretungsregelung, die in einen völligen Stillstand geführt hat", heißt es in der Mitteilung weiter.

Sie ist überschrieben mit dem schlichten Titel "Widerspruch" und eine Reaktion auf eine Pressemitteilung, die das Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der zuständige Wiesbadener Dezernent am Dienstag herausgegeben hatten.

Die Träger schreiben darin, man erwarte von der Leitung des Hauses, dass sie den Betrieb des Theaters sicherstelle. Eine Drohung der künstlerischen Leitung, sie wolle den Spiel- und Probenbetrieb komplett einstellen, weise man "auf das Schärfste zurück".

"Das Theater ist voll handlungsfähig, die Vertretungsregeln für den Geschäftsführenden Direktor greifen", so Staatssekretärin Ayse Asar (Grüne) und Kulturdezernent Hendrik Schmehl (SPD).

Streit um Sparmaßnahmen

Hintergrund des Streits ist ein lange schwelender Konflikt zwischen der künstlerischen Leitung des Hauses um Intendant Uwe-Eric Laufenberg und dem für Finanzen verantwortlichen Geschäftsführenden Direktor Holger von Berg, der den Rückhalt der Träger genießt. Dieser hatte im Herbst acht von Laufenberg geplante Inszenierungen aus Spargründen gestrichen.

Uwe Eric Laufenberg

Der Intendant zweifelte die Rechtmäßigkeit der Streichungen an, traf Absprachen und setzte Proben an. Damit habe Laufenberg weiter zur Arbeitsüberlastung der Beschäftigten beigetragen und "in Kauf genommen, dass durch den Ausfall der Vorstellungen jetzt höhere Kosten entstehen, als es zum Zeitpunkt der Anweisung des Geschäftsführenden Direktors der Fall gewesen wäre", so Land und Ministerium in ihrer gemeinsamen Mitteilung.

Auch weitere Inszenierungen betroffen

Der Machtkampf zwischen Intendant und Direktor hat auch Einfluss auf andere Inszenierungen, die gar nicht auf der ursprünglichen Streichliste standen, etwa die Wiederaufnahme des Ring-Zyklus von Richard Wagner.

Gastdirigent Michael Güttler beklagt, der Vertragsabschluss mit dem ursprünglich eingeplanten Sänger des Wotan sei so lange verzögert worden, dass dieser schließlich ein anderes Engagement angenommen habe. Verzögerungen bei Verträgen seien "eine Schweinerei" gegenüber den Gast-Sängerinnen und -sängern und trieben letztlich die Kosten in die Höhe, weil der kurzfristige Ersatz das Theater noch teurer komme.

Beteiligte krank gemeldet

Derzeit haben sich sowohl der Geschäftsführende Direktor als auch der Intendant krank gemeldet. Ein Ende des Machtkampfs scheint erst in Sicht, wenn mit der neuen Spielzeit 2024/25 zwei neue Intendantinnen, Dorothea Hartmann und Beate Heine, das Haus in Wiesbaden übernehmen. Dann wird auch der neue Kunstminister oder die neue Kunstministerin im Amt sein. Die Vorstellung soll nächste Woche erfolgen.

Beate Heine und Dorothea Hartmann übernehmen die Leitung des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
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