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Wochenendrebellen: Kinofilm erzählt Geschichte eines besonderen Caldener Fußball-Fans

Jason und sein Vater Mirco sitzen auf einer Wiese. jason hält einen ball, sein Vater das Buch "Wir Wochenendrebellen".

Autismus, Fußballbegeisterung und der Hass auf Plüschmaskottchen: Ein Junge und sein Vater sind seit über zehn Jahren auf der Suche nach einem Lieblingsfußballverein für den heute 18-Jährigen. Am Donnerstag kommt die Geschichte dieser Reise ins Kino.

Jason ist 18 Jahre alt und hat eine Behinderung: Er ist Autist. Angst vor Berührungen, lauten Geräuschen und viele andere Einschränkungen im Alltag halten ihn aber nicht davon ab, seit über zehn Jahren an den Wochenenden mit seinem Vater von Kassel aus mit dem Zug durch Deutschland und inzwischen auch Europa zu reisen – und in großen Stadien und auf kleinen Plätzen nach einem Lieblingsfußballverein für sich zu suchen.

Einfach den regional passenden Verein oder den Lieblingsclub vom Opa oder Vater zu übernehmen, das kam für Jason nie in Frage – eine so wichtige Lebensentscheidung wollte er nicht dem Zufall überlassen. Zufall ist nicht sein Ding, eher die Physik, in die er sich reingräbt und über die er alles liest und immens viel weiß, seit er sechs Jahre alt ist.

Ihre lange Fußball-Reise dokumentieren Jason und sein Vater - Papsi wie er ihn nennt - im Internet auf dem Blog Wochenendrebell, der mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde. Dort teilen sie auch Informationen und Erfahrungen zum Thema Autismus.

Eine lange Suche als Spielfilm

Außerdem schreibt Jason über seine Herzensthemen Physik und Klimawandel und sammelt Spenden für eine nachhaltige Wasserversorgung in Ostafrika. Zwei Bücher haben Vater und Sohn bereits gemeinsam veröffentlicht, nun kommt die Reise der beiden zu sich selbst und zum Fußballverein fürs Leben auch als Spielfilm ins Kino.

Was ihm sein Autismus bringt, warum Fußball für ihn Zufall ist und Spielerkreise und Plüschmaskottchen auf dem Index stehen, erzählt Jason im hessenschau.de-Interview.

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hessenschau.de: Auf einer Skala von 1 bis 10 – wieviel Interesse hast Du an dem Fußball als Sport?

Jason von Juterczenka: Das ist eine vier, vielleicht. Wenn wir im Stadion sind, schaue ich natürlich auch gerne Fußball und ich achte dann auf sehr viele Dinge. Auch auf das Verhalten der einzelnen Spieler*innen, oder die Schuhfarbe, oder auf spannende Biografien von Menschen, die ich dort erkenne. Aber der Fußballsport ist nicht der Hauptfaktor.

hessenschau.de: Offenbar gibt es viele Tabus und ein absolutes Ausschlusskriterium für einen möglichen Lieblingsverein ist für Dich das Maskottchen. Was kann daran schlecht sein?

Jason: In Berlin bei Hertha BSC wollte Hertinho, das Plüschmaskottchen von Hertha, mich mal umarmen und ich musste richtig flüchten. Seitdem sind Plüschmaskottchen tabu. Ebenso wie Spieler*innenkreise, wo sich die Personen anfassen auf dem Spielfeld. Auch Vereine mit Einweg-Platikbechern stehen auf der Tabu-Liste. Außerdem muss ein Verein mit dem Zug erreichbar sein, aus Klimaschutzgründen.

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hessenschau.de: Fantum, Makottchen, die man hassen kann, oder Schuhfarben, das gibt es doch auch bei anderen Sportarten. Warum also Fußball?

Jason: Das ist Zufall. Papsi hat halt damals meinem Opa ein Fußballspiel in Leverkusen zum Geburtstag geschenkt und so war ich zum ersten Mal dabei und fand das toll. Und Papsi hat das Versprechen gegeben, dass wir einen Fußballverein für mich suchen. Wenn Papsi meinem Opa irgendetwas anderes geschenkt hätte, ein Basketballspiel zum Beispiel, dann hätte es mir dort bestimmt genauso gut gefallen. Und wir würden heute meinen Lieblingsbasketballverein suchen.

hessenschau.de: Was verbindest Du damit, einen Lieblingsverein zu haben? Wie wichtig ist Dir das heute noch?

Jason: Ich hätte dann halt einen Verein, mit dem ich mitfiebern würde und in dessen Geschichte ich mich einlesen würde, für den ich mich einfach spezialisieren würde und über den ich wahrscheinlich nach kurzer Zeit alles wissen würde. Aber der Weg ist auch irgendwie das Ziel und die Suche macht ja auch großen Spaß und wir erleben und finden viel – wenn auch bislang nicht den Verein. Und wenn wir ihn gar nicht finden, bin ich auch nicht unglücklich. Dann suchen wir halt für immer weiter. Das ist ein Lebensprojekt. So oder so, ich bin zufrieden.

hessenschau.de: Wie ist es für Dich, so viel und so offen über Deinen Autismus zu sprechen und zu schreiben?

Jason: Das sorgt vor allem dafür, dass das Thema eben genau nicht so viel Raum für mich einnimmt, sondern dass es halt funktioniert. Wenn man offen darüber spricht, habe zumindest ich tendenziell die wenigsten Probleme. Weil die Menschen es dann wissen und Rücksicht auf mich nehmen können. Und es ist vielleicht auch eine Form von Verantwortung und eine Chance, das Bild über Autismus positiv zu prägen.

hessenschau.de: Du bezeichnest Autismus als Behinderung. Inwiefern behindert er Dich?

Jason: Es behindert mich insofern, dass ich Hilfe brauche im Alltag, dass ich darauf angewiesen bin, dass sich meine Mitmenschen emphatisch verhalten. Denn wenn sie das nicht tun, können sie mir damit großen Schaden zufügen. Etwa wenn sie mich unangekündigt berühren oder es zu plötzlicher Lautstärke kommt. Das ist natürlich sehr behindernd im Alltag, wenn man nicht in volle Züge einsteigen kann, zum Beispiel. Wir brauchen oft länger, bis wir irgendwo ankommen.

hessenschau.de: Bekommst Du auch etwas von deiner Behinderung?

Jason: Ja, es ist auch eine Behilflichkeit, dass ich die Fähigkeit habe, mich für Themen sehr zu begeistern. Für mich ist es sehr einfach, mich reinzulesen und Wissen zu erwerben. Ich sehe es als Vorteil, dass ich sehr gut logisch denken und sehr konsequent handeln kann. Ich weiß aber nie, ob das 100 Prozent Autismus sind, oder ob das vielleicht auch einfach meine Persönlichkeit ist. Ich kann das nicht wirklich trennen.

Das Thema Ehrlichkeit sehe ich auch als einen großen Vorteil. Ich kann es nicht und ich möchte es nicht, dass ich meinen Mitmeschen die Unwahrheit erzähle, oder lüge. Ich glaube, wenn alle Menschen sich so verhalten würden, hätten wir vielleicht keine friedlichere, aber definitiv eine bessere Welt.

Vater und Sohn im Stadion, der Vater schirmt sie mit seiner Jacke ab.

hessenschau.de: Nun kommt Eure Geschichte als Spielfilm ins Kino. Welches sind die wichtigsten Unterschiede zwischen Eurer Realität und dem Kinofilm?

Jason: Meine emotionalen Ausraster sind im Film deutlich entschärft. Und Papsi hat im echten Leben nie im Stadion oder auf unseren Touren auf die Fresse bekommen. Tatsächlich wurden wir fast überall, wo wir hinkamen, immer sehr nett behandelt.

Im echten Leben haben wir auch von Anfang an schon im unterklassigen Fußball nach dem Verein gesucht und die Suche nicht so streng in 1. 2. und 3. Liga unterteilt. Aber im Großen und Ganzen ist der Film schon sehr nah an der Realität. Ich habe ja auch am Drehbuch mitgeschrieben.

hessenschau.de: Und wie gefällt Dir "Dein" Film? So als Filmerlebnis?

Jason: Unfassbar gut! Alles an diesem Film ist toll, die Stadionszenen, die Schauspieler*innen sind toll. Die Geschichte ist toll – das ist ja unsere Geschichte, das ist ja klar, dass ich die gut finde. Aber ich denke auch objektiv ist das ein toller Stoff und auch wenn es nicht unsere Geschichte wäre: Das ist einfach ein sehr starker Film.

hessenschau.de: Im Zuge des Films, aber auch schon davor, hast Du immer viel Medienrummel um Dich, gibst viele Interviews. Wie ist das für Dich?

Jason: Mir macht das großen Spaß. Ich mag es sehr, mit anderen Menschen über unsere Geschichte zu sprechen und genieße das Interesse und die Aufmerksamkeit. Ich weiß, dass mit jeder Öffentlichkeit auch Verantwortung einher geht. Aber ich brauche Öffentlichkeit, um das zu erreichen, was ich erreichen möchte. Nämlich über meine Themen Autismus und Klima zu sprechen und noch mehr Spenden für das Wasserprojekt in Ostafrika zu sammeln.

hessenschau.de: Wo siehst Du Dich in fünf Jahren? Wo Lebst Du? Was machst Du?

Jason: Ich lebe bei meinen Eltern, Papsi und ich sind immer noch als Wochenendrebellen unterwegs, haben vielleicht bereits Wochenendrebellen III geschrieben, und haben noch viel mehr Spenden gesammelt. Ansonsten ist eigentlich alles wie jetzt auch, außer dass ich vielleicht mein Studium abgeschlossen habe und Astrophysiker bin – oder Klimaforscher.

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