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Angeblicher Ersthelfer nach Amokfahrt in Volkmarsen vor Gericht

Justizia und Gerichtsakten (picture alliance / dpa)

Wegen eines angeblichen Traumas kassierte ein vermeintlicher Augenzeuge nach der Amokfahrt in Volkmarsen Geld von der Krankenkasse. Dann stellte sich heraus: Der Mann hatte von der Tat nur aus den Medien erfahren. Jetzt steht er wegen Betrugs vor Gericht.

Verspätet hat am Dienstag im Amtsgericht Korbach der Prozess gegen einen Mann begonnen, der sich als Geschädigter der Amokfahrt in Volkmarsen (Waldeck-Frankenberg) ausgegeben haben soll. Da der Angeklagte zum Verhandlungsbeginn um 12 Uhr nicht vor Gericht erschienen war, wurde er kurzerhand von einer Polizeistreife abgeholt.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 54-Jährigen aus Bad Arolsen Betrug sowie versuchten Betrug vor. Der Mann wies die Vorwürfe zum Prozessauftakt zurück.

Gegenüber der Unfallkasse Hessen soll er angegeben haben, er sei Augenzeuge und Ersthelfer der Amokfahrt im Februar 2020 gewesen. Infolgedessen leide er an einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Kranken- und Unfallkasse geprellt

Tatsächlich soll er sich an dem Tag zu Hause in Bad Arolsen aufgehalten und aus den Medien von den Ereignissen erfahren haben. Von der Krankenkasse erhielt er laut Anklage Verletzten- und Krankengeld in Höhe von etwa 16.500 Euro, für seine stationäre Behandlung seien der Unfallkasse weitere Kosten von rund 30.000 Euro entstanden. Außerdem soll der Angeklagte zweimal erfolglos versucht haben, bei Hilfsorganisationen einen Schmerzensgeldzuschuss zu bekommen.

Der Angeklagte habe "bewusst wahrheitswidrig" behauptet, Opfer der Tat geworden zu sein, um sich finanziell zu bereichern, sagte die Staatsanwältin am Dienstag. "Ich war dort", behauptete hingegen der Beschuldigte.

Der 54-Jährige berichtete, er sei bereits vor dem Umzug angekommen und habe vor Ort eine Bratwurst gegessen. Nach der Attacke habe er einer aufgelösten älteren Frau geholfen, die ihre Tochter gesucht habe. Er habe sich dann von dem Geschehen entfernt und sei von einem Ehepaar mit dem Auto nach Hause gefahren worden.

Textnachrichten widersprechen Aussagen

Die Richterin hielt ihm daraufhin widersprüchliche Sprach- und Textnachrichten vor. So sagte der Angeklagte in einer Sprachnachricht an eine Bekannte kurz nach der Tat, er schaue gerade den Kölner Karneval im Fernsehen. Wenige Minuten später in einer weiteren Nachricht sagte er, er habe gerade aus den Medien von dem Vorfall in Volkmarsen erfahren. "Überleg mal, wir hätten uns da umentschieden und wären heute nach Volkmarsen gefahren", hieß es zudem. "Wir hätten ja genauso gut da stehen können."

Er habe diese Aussagen auf seine Tochter bezogen, mit der er in der Vergangenheit zusammen bei dem Umzug in Volkmarsen gewesen sei, erklärte der Beschuldigte dazu. Er selbst sei aber da gewesen. Er habe das in den Nachrichten verschwiegen, weil seine Bekannte sehr neugierig sei. Außerdem sei er in einer Schocksituation gewesen. Den Vorwurf, er habe sich bereichern wollen, wies er zurück: "Ich hätte liebend gerne auf die Reha und alles mögliche verzichtet."

Das Amtsgericht Korbach hat in dem Verfahren zunächst zwei weitere Verhandlungstermine anberaumt. Ein Urteil könnte demnach am 5. Dezember fallen.

Auto raste in Rosenmontagszug - 90 Verletzte

Am 24. Februar 2020 war ein damals 29-Jähriger vorsätzlich in den Rosenmontagszug der Stadt Volkmarsen gerast und hatte fast 90 Menschen teilweise schwer verletzt, darunter 26 Kinder. Der Fahrer wurde Ende 2021 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

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