Betrug nach Amokfahrt Vermeintlicher Volkmarsen-Ersthelfer muss ins Gefängnis

Er will Opfern der Auto-Attacke von Volkmarsen geholfen und dabei selbst Traumata erlitten haben. Dafür erhielt ein 54-Jähriger tausende Euro an Kompensation. Der Betrug flog auf, ein Gericht hat ihn nun verurteilt.

Ein Mann und ein Anwalt in Robe sitzen nebeneinander an einem Tisch. Auf dem Tisch liegen Aktenordner.
Der Angeklagte (li.) sitzt im Prozess neben seinem Rechtsanwalt. Bild © hr
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Auto-Attacke in Volkmarsen – vermeintlicher Ersthelfer vor Gericht

Ein Strafverteidiger und ein Angeklagter, dessen Gesicht geblurrt ist.
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Wegen gewerbsmäßigen Betrugs ist ein 54 Jahre alter Mann vom Amtsgericht Korbach zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Er hatte nach der Amokfahrt beim Rosenmontagsumzug 2020 in Volkmarsen (Waldeck-Frankenberg) angegeben, unmittelbar nach der Tat als Ersthelfer vor Ort gewesen zu sein. Dabei habe er eine posttraumatische Belastungsstörung davongetragen - als Entschädigung strich er rund 16.500 Euro Verletzten- und Krankengeld ein.

Wie das Gericht nun feststellte, war alles gelogen. Die Richterin sah es am Montag in ihrem Urteil als erwiesen an, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Amokfahrt in seiner Wohnung in Bad Arolsen saß. Von der Tat habe er über die Medien erfahren und sie als eine Chance gesehen, um abzukassieren. Die Tat sei angesichts der schrecklichen Ereignisse in Volkmarsen "moralisch gesehen schwer nachvollziehbar", sagte die Richterin.

Zum Ende des Prozesses rang sich der 54-Jährige nach einem Gespräch mit seinem Anwalt zu einem Geständnis durch: Sein Verhalten tue ihm leid, er wisse, dass es falsch gewesen sei.

"Was steht einem jetzt alles zu?"

Ein damals 29-Jähriger war am 24. Februar 2020 vorsätzlich mit einem Auto in den Rosenmontagszug der Stadt Volkmarsen gerast und hatte dabei fast 90 Menschen verletzt, darunter 26 Kinder, teilweise schwer. Wie der Angeklagte einräumte, war er am Tag der Attacke in seiner Wohnung in Bad Arolsen und erfuhr von den Ereignissen aus den Medien. Gegenüber der Unfallkasse Hessen gab er sich aber als Augenzeuge der Tat und Ersthelfer aus.

Wie nun herauskam, hatte der Mann am Tag nach der Amokfahrt eine Mail an die Behörden geschickt mit der Frage: "Was steht einem jetzt alles zu?" Bereits damals habe sich gezeigt, dass es dem Mann lediglich darum gegangen sei, sich finanziell zu bereichern. Zum Zeitpunkt der Tat war er wegen eines anderen Betrugsvergehens bereits auf Bewährung.

Er habe aus einer schrecklichen Tat Profit schlagen wollen, hielt die Richterin dem Mann vor. "Alles was ging, wurde irgendwie noch mitgenommen", sagte sie. So habe der Angeklagte allein Taxifahrten im Wert von 1.500 Euro in Anspruch genommen mit der Begründung, er könne aufgrund des erlittenen Traumas nicht mehr Autofahren.

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Unmittelbar vor den Plädoyers wirkte die Richterin noch einmal auf den Angeklagten ein und gab ihm zu verstehen, dass sich ein Geständnis vor Gericht grundsätzlich strafmildernd auswirken könne. Daraufhin wurde die Verhandlung noch einmal kurz unterbrochen, und in dieser Pause beriet sich der 54-Jährige mit seinem Anwalt. Als er schließlich gestand, stellte er auch in Aussicht, die erschlichene Summe und die Prozesskosten in Höhe von gut 40.000 Euro zurückzahlen zu wollen - wenn es ihm gesundheitlich wieder besser gehe. Der Mann leidet an Diabetes.

Prozess mehrfach verschoben

Plädoyers und Urteil in dem Verfahren waren ursprünglich bereits am vergangenen Dienstag erwartet worden. Doch der Angeklagte war nicht zur Verhandlung erschienen. Nach Angaben des Gerichts hielt er sich im Krankenhaus auf. Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin einen Sitzungshaftbefehl gegen ihn. Bereits zum Prozessauftakt vor drei Wochen war der Mann der Verhandlung unentschuldigt ferngeblieben und auf Anordnung der Richterin von der Polizei zwangsweise vorgeführt worden.

Die Richterin sprach von einem Kartenhaus, das der Angeklagte bis zum Schluss mit aller Kraft versucht habe, aufrecht zu erhalten, selbst vor Gericht. So hatte er ein Attest vorgelegt, aufgrund dessen er verhandlungsunfähig sein sollte. Sowohl eine Ärztin als auch ein Psychologe bestätigten dem Gericht allerdings die Verhandlungsfähigkeit des Mannes.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren gefordert. Sie betonte die "besondere Verwerflichkeit" der Tat. Die Verteidigung hatte für eine schuld- und tatangemessene Strafe plädiert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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Redaktion: Fabian Weidenhausen

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 11.12.2023, 19.30 Uhr

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Quelle: Leander Löwe, hessenschau.de, dpa/lhe