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Prozessauftakt im Fall der getöteten Schülerin Ayleen

Bildlkombination: Foto eines Sees inmitten einer Landschaft links und rechts ein unkenntlich gemachtes Portraitfoto der toten Ayleen.

Der mutmaßliche Mörder der Schülerin Ayleen steht ab Dienstag in Gießen vor Gericht. Jan P. soll die 14-Jährige aus dem Schwarzwald vor knapp einem Jahr nach Hessen gebracht und ermordet haben. Ihre Leiche wurde in einem See in der Wetterau gefunden.

Es ist ein heißer Donnerstag im Juli, kurz vor den Sommerferien in Baden-Württemberg. Am späten Nachmittag verlässt die 14 Jahre alte Ayleen das Haus ihrer Eltern im kleinen baden-württembergischen Dorf Gottenheim. Angeblich will die Schülerin nur kurz dem Nachbarsjungen einen Pullover rüberbringen.

Als Ayleen nicht mehr nach Hause zurückkommt, ist die Familie alarmiert. Tagelang durchkämmen daraufhin Beamte und Freiwillige die Gegend rund um die Gemeinde zwischen Freiburg und der französischen Grenze. Mit Hunden und Hubschraubern durchsuchen sie die umliegenden Weinberge und den Wald, hoffen verzweifelt auf ein Lebenszeichen.

Acht Tage später ist klar: Das wird es nicht geben, Ayleen wird nie mehr nach Hause zurückkommen. Ihre Leiche wird im Teufelsee gefunden - rund 300 Kilometer entfernt in der hessischen Wetterau. An diesem Dienstag beginnt in Gießen der Prozess gegen den Mann, der das Mädchen dorthin gebracht und getötet haben soll.

Anklage auf Mord, versuchte Vergewaltigung und Entführung

Die Staatsanwaltschaft wirft dem inzwischen 30-jährigen Jan P. aus Waldsolms (Lahn-Dill) Mord vor, außerdem versuchte Vergewaltigung mit Todesfolge und Entziehung Minderjähriger. Im Fall einer Verurteilung droht ihm eine Sicherungsverwahrung.

Nach dem Verschwinden von Ayleen war die Polizei im vergangenen Sommer relativ schnell auf die Spur des Angeklagten gekommen: P. war schon seit Jahren als Sexualstraftäter polizeibekannt. Handydaten zeigten, dass sich sein Mobiltelefon in der Nähe von Ayleens Handy befunden hatte. Die Daten wiesen zudem auf einen längeren Aufenthalt am Teufelsee hin. Dort fand die Polizei dann schließlich Ayleens Leiche

Angeklagter soll gestanden haben

Inzwischen soll P. gestanden haben, Ayleen noch in der Nacht ihres Verschwindens getötet zu haben. Auch Gegenstände von ihr soll man bei ihm gefunden haben. Laut Staatsanwaltschaft zeigte er den Ermittlern auch den genauen Tatort, einen Feldweg bei Langgöns-Cleeberg im Kreis Gießen. Deshalb findet der Prozess nun vor dem dortigen Landgericht statt.

Die vermisste 14-Jährige aus Gottenheim wurde tot im hessischen Teufelsee gefunden.

Bekannt ist inzwischen auch, wie P. Kontakt zu Ayleen aufgebaut haben soll: über die Smartphone-App Snapchat und Chats in einem Online-Spiel. Zwei Monate lang sollen die beiden in Kontakt miteinander gewesen sein, manchmal mit Dutzenden von Nachrichten am Tag, zum Teil mit stark sexualisierten Inhalten.

Teil der Ermittlungsarbeit war deshalb die Auswertung tausender Chats und Kurznachrichten. 30 Personen umfasste die Soko "Lacus" (lateinisch: See) der Staatsanwaltschaft Gießen.  

Unklarheiten vor Prozessbeginn

Trotzdem gibt es vor dem Prozessauftakt weiterhin viele Unklarheiten. Zum einen über den Tathergang an sich: etwa, ob Ayleen freiwillig ins Auto gestiegen war. Und zum anderen über Jan P., seine Vorgeschichte und seinen Kontakt mit den Behörden.

Denn P. war bereits mehrfach als Sexualstraftäter aufgefallen. Schon als 14-Jähriger war er deshalb in die Psychiatrie eingewiesen worden und zehn Jahre dort geblieben.

Führungsaufsicht endete 2022

Nach seiner Entlassung im Jahr 2017 stand er daraufhin mehrere Jahre unter Führungsaufsicht. Er wurde also behördlich kontrolliert und musste strenge Auflagen einhalten. Auch das Landeskriminalamt beobachtete ihn.

2020 sollte diese Führungsaufsicht dann eigentlich unbefristet verlängert werden, doch P. legte bei Gericht Beschwerde ein - mit Erfolg. Zwei Jahre später endete die Führungsaufsicht. Das war etwa ein halbes Jahr vor dem Mord an Ayleen.

Laut Gießener Staatsanwaltschaft wurde P. im Mai in ein Programm für Mehrfach- und Intensivtäter aufgenommen. Nach hr-Informationen hätte dies eigentlich nahtlos an die Führungsaufsicht anschließen sollen, verzögerte sich jedoch, sodass er vier Monate nicht unter Beobachtung stand.

Inzwischen ist bekannt: In diesen Monaten war P. mehrfach auffällig geworden. Drei Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren erstatteten Anzeige gegen ihn, wegen Nötigung und sexueller Belästigung.

Am 8. August hätte gegen ihn verhandelt werden sollen, allerdings nicht wegen der Belästigungsvorwürfe, sondern aufgrund von kleineren Verkehrs- und Diebstahldelikten.

Anklageverlesung am Dienstag

Ob all das auch im Verfahren um den Mord an Ayleen eine Rolle spielen wird, muss sich zeigen. 15 Tage sind für die Verhandlung zunächst angesetzt. Am Dienstag wird zunächst die Verlesung der Anklage erwartet.

Jan P. wird laut Gericht Gelegenheit erhalten, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Ob er dies auch tun wird, ist derzeit noch nicht absehbar.

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