Baustelle mit dem fast fertigen ersten Haus im Hintergrund und einem "See" in der Baugrube im Vordergrund

In Hanau verkommt ein neugebautes Mehrfamilienhaus seit fast vier Jahren zur Bauruine. Der Grund: Baupfusch. Ob das Gebäude bezogen werden kann, ist unklar. Bauträger und Versicherungen streiten sich um Millionen.

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Versicherungsstreit in Hanau – seit drei Jahren Baustopp

hs
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Seit bald vier Jahren das immergleiche Bild: Auf dem Boden liegen Bauschutt, Dämmmaterial und leere Eimer, die Baugrube ist durch den Regen mit Wasser vollgelaufen. Eine Leiter erweckt den Eindruck eines Schwimmbeckens.

Doch zu Spaß und Freude verleitet dieser Anblick den Verantwortlichen der Baustelle im Hanauer Stadtteil Lamboy, Bülent Aktas, nicht. Im Gegenteil: Aktas berichtet von psychischen Problemen, Angst vor der Insolvenz und Scham. "Ich traue mich kaum noch hierher in den Stadtteil. Auch, wenn ich für das alles nichts kann – ich kann den Menschen nicht mehr in die Augen schauen."

Statt Schutz bekam das Nachbarhaus massive Schäden

Drei Mehrfamilienhäuser sollten in Lamboy entstehen: Wohnraum für knapp 40 Familien. Die Wohnungen waren schnell verkauft, die ersten Bauarbeiten verliefen problemlos, wie sich Aktas erinnert. Doch vor bald vier Jahren habe dann das Unheil seinen Lauf genommen.

Bauträger Aktas beauftragte mit seiner Firma Fremdfirmen. Eine sollte zwischen der Baustelle und einem der Nachbarhäuser eine Stützwand errichten, um es während der Bauarbeiten zu schützen. "Genau das Gegenteil ist passiert", ärgert sich Aktas. Die Firma habe weder die richtigen Geräte noch die richtige Technik eingesetzt – habe schließlich Stahlträger mit einer Baggerschaufel in den Boden gehämmert.

Anwohner erzählen dem hr, die ganze Straße habe gewackelt – wie bei einem Erdbeben. Die Folge: Das Nachbarhaus wurde so stark beschädigt, dass es an einigen Stellen abgesackt ist. Heute gilt es als einsturzgefährdet.

Ein großes Loch klafft in der Decke eines Wohnzimmers

Baustopp gilt bis heute

Wenig später fegte ein Unwetter über Hanau und setzte die Baustelle unter Wasser. Das von Aktas mit den Erdarbeiten beauftragte Unternehmen sollte die Baugrube leerpumpen – doch auch hier habe es Pfusch gegeben, so der Bauträger.

Weitere Schäden entstanden: Der Boden wurde beschädigt, auch das neugebaute Mehrfamilienhaus sackte ab, steht nun um mehrere Zentimeter schief. Einfahrten und Wände der Nachbarhäuser haben seitdem große Risse. Ein Baustopp gilt bis heute, alles steht unverändert still.

Mehrere Familien plötzlich obdachlos

"Wir hätten nie gedacht, dass es so lange dauert", sagt Osman Samangül. Er hatte im Neubau zwei Wohnungen gekauft, die auch fast fertig sind: Böden sind verlegt, sogar die Küchen eingebaut. Einziehen konnte hier aber bisher niemand.

Zu Beginn des Baustopps hatten viele Familien schon ihre Mietverträge gekündigt, wollten in die neuen Wohnungen einziehen. Weil sie das nie konnten, waren sie plötzlich obdachlos. Mehrere Familien haben deshalb wochenlang in Hotels gelebt.

"Die drücken sich vor den Auszahlungen"

Mittlerweile haben die meisten Betroffenen andere Wohnungen gemietet, während sie weiterhin den Kredit für die Wohnung zahlen, von der sie nicht wissen, ob sie jemals fertig wird. "Es ist eine Ungewissheit da", sagt Osman Samangül. "Die ganze Familie leidet drunter. Es ist eine sehr, sehr schlimme Zeit – immer noch."

Das Problem: Zwar haben Gutachten, die dem hr vorliegen, geklärt, dass die Fremdfirmen für die Schäden verantwortlich sind. Auch das Hanauer Landgericht bestätigte das. Doch für diese Schäden aufgekommen sind die Unternehmen oder ihre Versicherungen bisher nicht.

"Es ist faktisch alles geklärt, aber 'auf gut Deutsch': Die drücken sich vor den Auszahlungen", so Bauträger Aktas. Bisher sei allein er für alle Kosten aufgekommen. Seinen Schaden beziffert er auf rund acht Millionen Euro. "Die ganze Existenz ist hier drin und das wird quasi von einer Sekunde auf die nächste plattgemacht."

Versicherungen wehren sich gegen Verzögerungsvorwürfe

Aktas Vermutung: Die Versicherungen spielen auf Zeit und hoffen, dass er Insolvenz anmeldet – und die Versicherungen schließlich weniger oder gar nichts zahlen. Die betroffenen Versicherungen erklären auf hr-Anfrage: Sie könnten sich zu laufenden Verfahren nicht äußern.

Eine Sprecherin der R+V-Versicherung erklärt immerhin. "Wir als Versicherung haben großes Interesse daran, dass Schäden möglichst zeitnah behoben werden. Eine Verjährung der Ansprüche ist nicht unser Ziel. Es ist also nicht richtig, dass wir im vorliegenden Fall auf eine Verjährung möglicher Ansprüche hoffen."

Bauträger klagt auf Zahlung

Ob die Neubauten jemals fertig werden, ob die Häuser abgerissen werden müssen – all das ist unklar. Fakt ist: Geld ist noch keines geflossen.

Bauträger Bülent Aktas will das nicht auf sich sitzen lassen. Er hat mittlerweile eine Zahlungsklage eingereicht, will die Unternehmen jetzt also zum Zahlen zwingen. Bis dahin bleibt auf der Baustelle im Hanauer Stadtteil Lamboy auch weiterhin alles beim Alten.

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