War was? Eine ganz kleine Geschichte des Streiks
Na, auch am Bahnhof / Flughafen / Autobahnzubringer gestrandet? Keine Sorge, "War was?" hat fünf Fun Facts zum Thema Streik, die die Wartezeit verkürzen.
Hessen, das Bundesland, in dem immer was los ist. An dieser Stelle wirft unser Kolumnist Stephan Reich mit seiner Glosse "War was?" jeden Freitag einen ganz eigenen Blick auf die Nachricht der Woche. Nehmen Sie diesen Blick bitte keinesfalls ernst.
Es ist mal wieder so weit: Claus Weselsky hat sich mit seinem Traktor auf einer Autobahnauffahrt an eine Lufthansa-Maschine geklebt, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Oder so. Auf jeden Fall streiken mal wieder alle. Für den Fall, dass Sie gerade irgendwo in einem Streik und/oder Protest festhängen, hier ein paar Fun Facts zum Thema.
1. Der erste Streik
Einer muss ja den Anfang machen, in diesem Sinne eine solidarisch in die Höhe gereckte Faust an die Genossinnen und Genossen auf der Baustelle der Königsgräber in Theben-West im Alten Ägypten. Die nämlich hatten am 10. Peret II 1159 vor Christus, was den 4. November meint, die Nase voll, weil ihnen Pharao Ramses III seit 18 Tagen ihr Deputat an Getreide verwehrt hatte. Weswegen sie laut Überlieferungen des Schreibers Amun-Nechet die Arbeit niederlegten und "Wir sind hungrig!" skandierend protestierten. Mit dem Ergebnis, dass sie ihr Getreide bekamen. Ha! Nimm das, Pharao Ramses III!
2. Es leben die Steinmetze!
Na, schauen Sie auch schon sehnsüchtig auf die Uhr, wann denn endlich Feierabend ist? Nun, bedanken Sie sich im Zuge dessen bei den australischen Steinmetzen. Die nämlich hatten anno 1856 einfach keine Lust mehr auf endlose Arbeitstage und forderten die Einführung des Acht-Stunden-Tages. Eine Idee des schottischen Unternehmers und Sozialisten Robert Owen, der schon 1817 der Meinung gewesen war, der Tag solle gleichmäßig auf Arbeit, Freizeit und Ruhe aufgeteilt werden. Verrückt. Die Steinmetze jedenfalls gingen in Streik, nachdem die Baufirmen ihre Forderung abgelehnt hatten. Und siehe da: Keine Steinmetze, keine Universität von Melbourne – also gaben die Baufirmen nach. Und nach und nach verbreitete sich der Acht-Stunden-Tag. Und nun schauen Sie ruhig noch einmal auf die Uhr, Sie haben gerade wieder zwei Minuten gutgemacht.
3. Und es nimmt kein Ende
Es mag sich ja lang anfühlen, wenn man mehrere Tage auf einer unbequemen Bank am Frankfurter Flughafen leben muss. Aber es geht schon auch länger. So beispielsweise im US-amerikanischen Sheboygan. Dort nämlich streikten einst die Angestellten des Sanitärbedarf-Herstellers Kohler, und zwar für sage und schreibe elf Jahre, von 1954 bis 1965. Sonderlich lebenswert dürfte es in Sheboygan, einer Art Werksstadt von Kohler, zu dieser Zeit nicht gewesen sein. Weil nur etwa zwei Drittel der Angestellten streikten, war das Klima vergiftet, das Time-Magazine nannte Sheboygan damals in die "hasserfüllteste Gemeinde in den USA".
Fast ebenso lange dauerte der Streik der Mitarbeiter des Congress Hotels Chicago, die von 2003 bis 2013 streikten. Bitter: Auch nach zehn Jahren Streik bekamen sie keinerlei Zugeständnisse des Managements. Der längste Streik in Deutschland ist übrigens nur einen Bruchteil so lang: 1956 streikten norddeutsche Metallarbeiter – für 114 Tage.
4. Streik ist nicht gleich Streik
Man kann sich übrigens nicht einfach irgendwo festkleben, seinen Traktor im Halteverbot parken oder einfach auhören, beispielsweise Kolumnen zu schreiben, weil man am Burger-Donnerstag in der hr-Kantine mal wieder zu spät gekommen und leer ausgegangen ist. Man sollte schon wissen, was man tut. So listet Wikipedia sage und schreibe 16 Formen des Streiks auf, und das meint nur jene Streiks in der Arbeitswelt, außerhalb derer es noch andere Streikformen wie den Schulstreik, den Hungerstreik, den Konsum-Streik und ja, auch den Sexstreik gibt. Besonders ertappt fühle ich mich übrigens beim sogenannten Bummelstreik, bei dem langsamer als normal gearbeitet wird. Wusste gar nicht, dass ich so sehr im Arbeitskampf engagiert bin.
5. Gib mir mal ne Flasche Bier, sonst streik ich hier!
Zum Abschluss der kurioseste Grund für einen Streik, der mir während der Recherche über den Weg gelaufen ist: Im frühen 20. Jahrhundert traten die Mitarbeiter der englischen Brauerei Bullard & Sons in Streik, weil einer ihrer Kollegen gefeuert worden war. Ein Foto zeigt sie mit einem Banner vor der Brauerei: "Ein Brauereiangestellter mit etwa 22 Dienstjahren wurde fristlos entlassen, nachdem er eine tote Katze in einem Bierfass gefunden hatte.“ Genau rekonstruieren lässt sich die Geschichte leider nicht mehr. Katzen wurden damals in Brauereien eingesetzt, um die Mäuse vom Malz fernzuhalten, wahrscheinlich verlor die Geschäftsführung durch den Fund ein Fass Bier und strafte den Finder ab. Was sicher ist: Die Brauer streikten so lange, bis der Kollege wieder eingestellt wurde. Darauf ein leckeres Fassbie-, ach nee, lieber doch nicht.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 07.03.2024, 19.30 Uhr
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