In derselben Maschine wie Europaminister Pentz Hessische AfD-Abgeordnete fliegen trotz Ausladung nach Belgrad

"Gesichert rechtsextremistisch": Wegen der Neueinstufung ihrer Partei durch den Verfassungsschutz lud Hessens CDU-Europaminister zwei AfD-Politiker von einer Balkanreise aus. Die beiden flogen auf eigene Faust trotzdem mit.

Startendes Flugzeug am Frankfurter Flughafen
Startendes Flugzeug am Frankfurter Flughafen Bild © picture-alliance/dpa
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Europaminister Pentz: Keine AfD-Abgeordneten auf Auslandsreisen

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Ohne die ursprünglich ebenfalls eingeladenen AfD-Landtagsabgeordneten Anna Nguyen und Christian Rohde wollte sich eine hessische Delegation mit Europaminister Manfred Pentz (CDU) am Montagabend auf eine fünftägige Reise nach Serbien und Kroatien begeben. In den Hauptstädten Belgrad und Zagreb geht es um Werbung für den Wirtschaftsstandort Hessen.

Nachdem der Bundesverfassungsschutz am Freitag die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hatte, lud Pentz die zwei Politiker kurz vor Abflug am Sonntag aus.

Doch die beiden Politiker saßen trotzdem in der Maschine, mit der die Delegation vom Frankfurter Flughafen abhob: Sie hatten sich nach Angaben der AfD-Fraktion privat Tickets besorgt. Ein eigenes Programm für die beiden sei ebenfalls organisiert, heißt es in einer Mitteilung vom Dienstagmorgen.

Manfred Pentz (CDU), Hessens Minister für Internationales
Manfred Pentz (CDU), Hessens Minister für Internationales Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)

Pentz: Gesprächspartnern nicht zumutbar

Delegationsteilnehmer bestätigten dem hr, dass die AfD-Politiker mitflogen. Die ursprünglich gebuchten Tickets für die AfD-Politiker hatte das Ministerium stornieren lassen. Ein Pentz-Sprecher sagte auf Anfrage, Privatreisen von Landtagsabgeordneten kommentiere man nicht. Beide AfD-Abgeordnete gehören dem Europaausschuss des Landtags an. Nguyen ist Vorsitzende des Gremiums.

Minister Pentz hatte angekündigt, vorerst auch bei anderen Reisen keine AfD-Politiker mehr mitzunehmen. Bisher waren stets Vertreter aller Landtagsfraktionen eingeladen worden. Er könne es internationalen Gesprächspartnern "nicht zumuten, sich mit Vertreterinnen und Vertretern einer gesichert rechtsextremen Partei an den Tisch zu setzen", erklärte Pentz.

Die Entscheidung des Verfassungsschutzes sei ein Weckruf: "Wir müssen der Welt jetzt zeigen, dass unsere Demokratie wehrhaft ist und dass Demokraten standhaft sind."

AfD-Politikerin: Lassen uns nicht ausgrenzen

Pentz hatte wie bei solchen Delegationsreisen bisher üblich alle Fraktionen im Landtag vor mehreren Wochen zur Teilnahme eingeladen. Die AfD benannte dafür Nguyen und Rohde. Über die Ausladung wurde die Partei am Sonntag informiert. Sie ist die größte Oppositionsfraktion im Landtag.

Die Reaktion auf die Ausladung zeige, dass es nicht gelingen werde, ihre Partei auf Dauer auszugrenzen, wird Nguyen in der AfD-Mitteilung zitiert. Da sei es egal, "wie sehr man es versucht und welche unlauteren Mittel man dafür verwendet".

AfD-Fraktionschef Lambrou sprach von einer "Hauruck-Aktion", mit der Pentz als Minister eine schlechte Figur abgegeben habe. Nun sei doch noch das gesamte politische Spektrum auf der Reise vertreten. Allerdings sind Nguyen und Rohde nicht bei den Terminen der Landesdelegation dabei. Man habe für die beiden selbst politischen Treffen und Medienterminen organisiert, teilte Frank Grobe mit, der parlamentarische Geschäftsführer der AfD.

Hessen dürfte mit Pentz' Reisestart nur drei Tage nach Bekanntwerden der Entscheidung des Verfassungsschutzes eines der ersten Bundesländer sein, das die AfD aus einer Reisedelegation ausschließt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die Einordnung der Partei als gesichert rechtsextremistisch mit einer "die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei" begründet.

Diese Einstufung seiner Partei hatte der ausgeladene AfD-Mann Rohde am Montag rechtswidrig und "eine Farce" genannt. Das Vorgehen von Pentz werde im Ausland für Unverständnis sorgen, zumal weder Nguyen noch er Anlass dafür gegeben hätten.

Die AfD-Abgeordnete Anna Nguyen im hessischen Landtag.
Die AfD-Abgeordnete Anna Nguyen sollte auch nicht mit der Hessen-Delegation reisen. Bild © picture-alliance/dpa

Ausschussvorsitz, aber kein Vize-Präsident

Anders als derzeit im Bundestag haben die anderen Fraktionen der AfD im Landtag bislang entsprechend ihrer Größe als zweitstärkste Fraktion Posten als Vorsitzende in Ausschüssen überlassen. Den Europaausschuss leitet Nguyen seit Beginn der laufenden Legislaturperiode im Januar 2024. Ihr Parteikollege Bernd Erich Vohl ist seitdem Vorsitzender des Haushaltsausschusses. Der AfD-Mann Patrick Schenk hat dieses Amt im Rechtsausschuss inne.

Mit ihren Kandidaten für ein Amt als Vizepräsidenten des Landtages scheiterte die Partei allerdings jedes Mal seit ihrem erstmaligen Einzug ins Parlament im Jahr 2019. Laut Geschäftsordnung ist für jede Fraktion zwar prinzipiell jeweils ein Vize-Posten vorgesehen. Die Kandidaten müssen jedoch vom Landtag mit Mehrheit gewählt werden.

Beamtenbund warnt vor Reflexen

Unterdessen hat der Deutsche Beamtenbund (dbb) in Hessen zu einer Versachlichung der öffentlichen Debatte über die Folgerungen aufgerufen, welche die Neubewertung der AfD für Beamte und Beamtinnen habe. Landeschef Heini Schmitt ist die Debatte zu "reflexhaft". Sie komme bei den Beamtinnen und Beamten "mitunter undifferenziert" an, sagte er am Montag.

Schmitt betonte, wer nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehe, habe im öffentlichen Dienst nichts verloren. Den Nachweis dafür habe der Dienstherr bei Beamten aber "nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen im jeweiligen Einzelfall zu führen". Und erst nach der Entscheidung eines Gerichtes dürfe ein Beamter auch aus dem Dienst entfernt werden.

Der Beamtenbund lehne daher entschieden ab, dass betroffene Beamte per Verwaltungsentscheidung ohne vorherige Anrufung des Gerichts aus dem Dienst entfernt werden könnten, wie es eine Novelle des Disziplinargesetzes für Bundesbeamte vorsehe.

Gerichtsfester Nachweis gefordert

Skeptisch äußerte sich der dbb-Landesvorsitzende über eine von Hessens CDU-Innenminister Roman Poseck angekündigte Initiative in der Innenministerkonferenz, der Bayern folge wolle. Dabei solle geprüft werden, inwieweit eine AfD-Mitgliedschaft mit dem Beamtenstatus vereinbar sei. Schmitt dazu: "Diese Frage dürfte in der Tat nicht ohne Weiteres eindeutig zu beantworten sein. Denn am Ende soll ja gerichtsfest die fehlende Verfassungstreue im Einzelfall nachgewiesen werden."

Eindeutiger dürften laut Schmitt Sachverhalte zu werten sein, in denen Beamte sich aktiv als Funktionäre der AfD in der Öffentlichkeit präsentierten. Er nannte als Beispiel den thüringischen AfD-Landeschef Björn Höcke. Dessen Rückkehr als Lehrer in den hessischen Schuldienst könne mit den bestehenden Gesetzen verhindert werden.

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Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe