Im Bildvordergrund eine hessische Fahne, die auf dem Dach eines Gebäudes steht. Sie weht im Wind vor blauem Himmel mit Wolke.

"Dammbruch" und "gefährliche Normalisierung": Die Union bezieht für die Verabschiedung eines Gesetzes mithilfe der AfD in Thüringen auch aus Hessen Kritik. Für CDU-Landeschef Rhein gibt es keine offenen Fragen.

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Diskussion über Verhältnis zur AfD: Bröckelt die Brandmauer?

Hessische Politiker beim Waldspaziergang
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Keine zwei Monate ist es her, dass der hessische Ministerpräsident Boris Rhein in seiner Funktion als Landesvorsitzender der Union versicherte, dass die Brandmauer seiner Partei zur AfD "klar steht". Damals waren Äußerungen des CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz der Auslöser.

Nachdem die CDU am Donnerstag im Thüringer Landtag mit Hilfe von AfD und FDP eine Steuersenkung verabschiedet hat, war die Sache am Freitag wieder auf der Tagesordnung - bundesweit und auch in Hessen.

"Die Brandmauer steht", wiederholte Rhein auf Anfrage des hr am Rande eines Besuchs beim Pharmaunternehmen Merck in Darmstadt. Die AfD sei kein Partner, im Gegenteil gelte: "Mit unseren christdemokratischen Werten ist die Partei nicht in Einklang zu bringen." Dabei werde es auch bleiben. "Ich habe das jetzt nicht zu beurteilen", sagte Rhein über das Verhalten der Unionsfraktion in Thüringen.

Rhein schließt jede Form der Zusammenarbeit aus

Am Samstag bekräftigte Rhein auf Nachfrage des hr: "Für die hessische CDU ist jede Form der Zusammenarbeit ausgeschlossen. Dazu gehört für uns in Hessen auch eine klare Absage an das Einbringen einer Initiative, die angewiesen ist auf Stimmen der AfD." Angesichts "stabiler Verhältnisse in Hessen" rechnet Rhein aber ohnehin nicht damit, dass seine CDU in eine ähnliche Lage kommen werde wie die Parteifreunde in Thüringen.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) bezeichnete die gemeinsame Abstimmung gegenüber der FAZ als Fehler. Ein "wie auch immer geartetes Zusammenwirken" der CDU mit der AFD ist laut Günther ausgeschlossen. "Ebenfalls ein schwerer Fehler" sei es aber auch von der rot-rot-grünen Regierung in Erfurt gewesen, keine Mehrheit der demokratischen Mitte mit der CDU organisiert zu haben.

Die FDP im hessischen Landtag wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Grüne: Brandmauer darf kein löchriger Käse sein

Der Thüringer Landtag hatte mit den Stimmen von CDU, AfD und FDP auf Antrag der Union eine Senkung der Grunderwerbssteuer beschlossen. In Hessens Nachbarland regiert ein Bündnis aus Linke, SPD und Grünen, das jedoch im Landtag keine Mehrheit hat.

In der erregten bundespolitischen Debatte folgten auch von Politikern aus Hessen kritische Reaktionen. Hier ist am 8. Oktober Landtwagswahl.

Eine Brandmauer dürfe kein "löchriger Schweizer Käse" sein, mahnte Mathias Wagner, Fraktionschef der mit der CDU regierenden Grünen. "Wir dürfen Mehrheiten niemals auf die Zustimmung der AfD stützen - egal um was es geht", befand Tarek Al-Wazir, Wirtschaftsminister und Ministerpräsidenten-Kandidat der Grünen.

Faeser: Gefahr der Normalisierung

"Die CDU reißt die Brandmauer nach rechts immer weiter ein", schrieb Bundesinnenminister Nancy Faeser (SPD), auf X (vormals Twitter). Sie bezeichnete den gemeinsamen Beschluss mit der AfD als einen "gefährlichen Beitrag zur Normalisierung von Rechtsextremen". Den Umgang der CDU mit der AfD nannte sie "irrlichternd". Faeser will als Spitzenkandidatin der SPD Ministerpräsidentin werden.

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Einen "Dammbruch" kritisierte Elisabeth Kula, Fraktionschefin und Spitzenkandidatin der Linken. Mit der FDP habe sich die Union zum "Steigbügelhalter der Höcke-AfD und somit des Faschismus gemacht".

Empörte Kritik wie diese wurde auch in der Bundespolitik geübt. Dem trat die CDU-Vize-Bundesvorsitzende Karin Prien entgegen. Es sei "fast schon infam", der CDU zu unterstellen, eine Nähe zur AfD zu zeigen oder gar deren Normalisierung zu betreiben, sagte sie im Deutschlandfunk. Die CDU habe auch in Thüringen keine Absprachen mit der AfD getroffen.

Hessische AfD erneuert Angebot

"Das ist positiv, was in Thüringen passiert ist. Das ist Demokratie", freute sich AfD-Landeschef Robert Lambrou in Wiesbaden . Die Brandmauer der CDU bröckele nicht nur dort, sondern auch in Hessen. Wenn Rhein es bei Themen wie "einem Ende der Masseneinwanderung" ernst meine, gehe das nur in einer Koalition mit der AfD.

In Thüringen wird die AfD vom Landesverfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall nachrichtendienstlich überwacht. In Hessen wehrt sich die Partei juristisch dagegen. Hier ist sie seit Beginn der laufenden Wahlperiode 2019 erstmals im Landtag vertreten.

Alle Fraktionen halten demonstrativ Distanz zu ihr - auch die Union. Eine Zusammenarbeit bei politischen Initiativen oder Sachthemen gibt es nicht. Anders als in Erfurt sind die Mehrheitsverhältnisse in Wiesbaden eindeutig, es gibt keine Minderheitsregierung. Schwarz-Grün hat zwar nur eine Stimme mehr als die Opposition, diese Mehrheit hält aber stabil.

Einmal Aufregung im Untersuchungsausschuss

Für Kritik sorgte einmal eine Abstimmung im inzwischen abgeschlossenen Untersuchungsausschuss zur Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke. Nach Information der HNA beschlossen im November 2021 die Vertreter der schwarz-grünen Koalition in geheimer Sitzung mit den Stimmen der AfD und gegen SPD, Linke und FDP, eine Zeugin wie von ihr gewünscht nicht in öffentlicher Sitzung zu befragen.

Nur mit der AfD kam die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit zustande. Der Ausschussvorsitzende Christian Heinz (CDU) wies den Vorwurf der unziemlichen Zusammenarbeit entschieden zurück. Seiner Darstellung zufolge hatten die Mitglieder keine andere Wahl, als mit der AfD zu stimmen. Der Ausschuss war demnach verfassungsrechtlich verpflichtet, dem Gesuch der Zeugin nach einer nicht-öffentlichen Vernehmung zu entsprechen.

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Die "Tabubruch"-Debatte

Wie halten es die demokratischen Parteien mit der AfD? Der Streit darüber hat schon einmal mit Beteiligung von CDU und FDP Empörung ausgelöst - und in Thüringen eine Regierungskrise. 2020 wurde der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Hilfe von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt. Auch damals war von "Dammbruch" und "Pakt mit Faschisten" die Rede. Die Bundesparteien von CDU und FDP kamen in Erklärungsnot.

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