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Kommentar: Abrechnung mit der Ampel-Regierung

Die Spitzenkandidaten von AfD, Grünen, SPD und CDU, Lambrou, Al-Wazir, Faeser und Rhein (von links) im hr-Wahlstudio

"Kurs statt Chaos": Mit diesem Mantra hat Boris Rhein seine CDU zum Erfolg bei der Hessen-Wahl geführt. Jetzt ist die Zeit der Slogans vorbei. Die Union muss zeigen, wie sie den Herausforderungen der Zeit gerecht werden will.

Geschlagene 25 Jahre regiert die CDU nun schon am Stück - und nach dem fast schon triumphalen Wahlsieg des amtierenden Ministerpräsidenten Boris Rhein kommen weitere fünf Jahre dazu.

Drei Jahrzehnte ohne Machtwechsel - das mag man demokratietheoretisch bedauern. Aber Wechselstimmung gab es in Hessen eben nicht. Es gibt sie dafür im Bund.

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Portrait von Wolfgang Türk in einem Kreis auf grauem Hintergund. Daneben steht "Meinung".

Wolfgang Türk
Redakteur hessenschau.de

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Das haben alle drei an der Ampel-Regierung in Berlin beteiligten Parteien - SPD, Grüne und FDP - bei der Hessen-Wahl schmerzhaft zu spüren bekommen. Zunächst im gleichermaßen schlichten wie ausgebufften Wahlkampf der Union. Motto: Hessen muss ampelfrei bleiben, auf uns ist Verlass. Dann am Wahlabend in Form bitterer Verluste.

Von Verlustängsten unterfütterte Grundstimmung

Landespolitik spielte eine kleine Nebenrolle. Eine Befragung von infratest dimap für die ARD zeigt vielmehr: Die schrumpfende Wirtschaft samt Inflation, der Klimawandel, die Energiewende und nicht zuletzt die Zuwanderung bereiten vielen Menschen gerade die größten Sorgen. 

Ob Heizungsgesetz oder Asylpolitik: Das Lavieren, das Dilettieren und das Streiten der Ampel auf manchen Gebieten haben zu jener sorgenvollen, von Verlustängsten unterfütterten Grundstimmung erheblich beigetragen, die auf der Landtagswahl lastete.

Faesers Plan ging nicht auf

Mit dem Hinweis auf Gegenwind aus Berlin sind die Landesparteien aber nicht aus dem Schneider. Die Grünen mit Vize-Ministerpräsident Tarek Al-Wazir vertraten ihr kompromissbereites Realo-Programm personell und inhaltlich immerhin noch folgerichtig und pannenfrei.

 

Die Hessen-SPD dagegen fuhr ihr bislang schlechtestes Landtagswahlergebnis auch mit gravierenden eigenen Fehlern ein. Dazu zählte die Doppelrolle von Nancy Faeser als Spitzenkandidatin und Bundesinnenministerin, die obendrein von Anfang an nach einer Wahlniederlage in Berlin bleiben wollte. Das ging nicht auf, ihr Posten im Bundeskabinett wackelt jetzt kräftig.

Welchen Partner wählt die CDU?

Die Pointe dabei: In Wiesbaden könnte der am Boden liegenden SPD jetzt sogar noch der Platz als neuer Juniorpartner am Kabinettstisch winken. Wer weiß schon, an wen Rhein am Wahlabend dachte, als er eine "Regierung der Mitte" ankündigte?

Ihn und die CDU trennt bei vielen Themen in Hessen weniger von der SPD als von den Grünen. Die wiederum haben sich als verlässliche Partnerin erwiesen. Dafür werden sie nun immerhin damit belohnt, dass die CDU mit ihnen das erste Sondierungsgespräch führen will.

Klar ist auch: Einfach in den Schoß gefallen ist der Wahlsieg der CDU unter Boris Rhein nicht. Sie hat ihn sich hart erarbeitet, indem sie Hessen mit den Grünen stabil und vergleichsweise geräuschlos regiert hat. In Zeiten von Corona und Energiekrise ist das gerade in einem lagerübergreifenden Bündnis kein geringes Verdienst.

Versprechungen gemacht

Allerdings wird sich die CDU schwer tun mit dem kaum zu haltenden Versprechen, in einer Zeit der Umwälzungen den Menschen Veränderungen nur in homöopathischen Dosierungen zuzumuten.

Denn die Probleme, bei deren Lösung die Bundesregierung laut Rhein versagt, sind riesig. In der langen Zeit, in der die CDU in Berlin den Ton angab, hat sie in der Asylpolitik auch keinen Durchbruch geschafft. In der Klimapolitik hat sie vieles verschlafen und den Nachfolgern in der Energieversorgung einiges eingebrockt. Man darf auf die "sanften Erneuerungen" gespannt sein, die Rhein für Hessen angekündigt hat.

Wunsch nach einfachen Lösungen

Mit der noch steileren Grundthese, trotz weltweiter Flucht- und Wanderungsbewegungen und des Klimawandels könne fast alles wie früher werden, ist die AfD zum zweiten Wahlsieger geworden - und erstmals zur zweitstärksten Fraktion im Landtag.

Dass sich die AfD-Fraktion dort seit 2019 schwerste interne Grabenkämpfe liefert, dass ein Teil der Partei vor allem im Osten sich offenbar nicht bloß die 1950er Jahre zurückwünscht, sondern noch etwas frühere Zeiten - es hat ihre Wähler nicht gestört.

Nun werden wieder Vernunft, Haltung und gemeinsame Arbeit als Rezepte gegen den Aufstieg des Rechtspopulismus beschworen. Anders geht es nicht. Aber hilft das, wenn sich immer mehr Menschen in schwierigen Zeiten nach einfachen Lösungen sehnen, wo es keine geben dürfte? Das Fragezeichen dahinter ist mit diesem hessischen Wahlabend größer geworden.

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