AfD-Fraktionschef Lambrou (r.) und sein Parteikollege Keko Scholz am Donnerstag im Landtag

Im künftigen hessischen Landtag ist die AfD nicht nur stärkste Oppositionspartei. Weil die nächste Fraktion größer wird, kann sie auch im Alleingang die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen fordern. Mit der Corona-Pandemie hat sie bereits ein Thema gefunden.

18,4 Prozent hat die AfD bei der Landtagswahl am Sonntag laut vorläufigem amtlichen Endergebnis erzielt. Das Plus von 5,3 Prozentpunkten gegenüber der vorherigen Hessen-Wahl macht die Partei nicht nur erstmals zur zweitstärksten Fraktion im Parlament und zur stärksten Oppositionskraft. Es gibt ihr den rechtlichen Hebel für mehr Einflussnahme.

Das hat Folgen, wie AfD-Co-Landeschef Andreas Lichert am Tag nach der Wahl in Wiesbaden ankündigte. Nachdem der künftige Landtag im Januar seine Arbeit aufnimmt, will seine Partei für die Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses sorgen.

20-Prozent-Hürde überschritten

Bisher kann die AfD das nicht, weil sie dazu auf Stimmen anderer Fraktionen angewiesen wäre. Die aber lehnen jede Zusammenarbeit strikt ab.

Im künftigen Landtag bekommt die AfD aber auch alleine den notwendigen Anteil von einem Fünftel aller Stimmen, also 20 Prozent, zusammen. Damit können auch Minderheiten laut Gesetz die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragen.

Die AfD liegt künftig knapp über dieser 20-Prozent-Hürde: Das Landesergebnis von 18,4 Prozent aller gültigen Stimmen bringt ihr 28 von 133 Sitzen im Landtag. Das entspricht 21 Prozent der Mandate.

"Hohe Priorität"

Laut Lichert will die Fraktion nun dafür sorgen, dass "seriös und vernünftig" aufgearbeitet werde, "was da alles schiefgelaufen ist". Eine Aufarbeitung der im Zuge der Corona-Pandemie ergriffenen Maßnahmen sei zwingend erforderlich.

Den Zeitpunkt für einen entsprechenden Antrag im Landtag ließ Lichert offen, fügte aber hinzu: "Das wird mit Sicherheit ein Projekt sein, dass mit hoher Priorität angegangen wird."

Kritiker sprechen von Desinformation

Die AfD hatte die Auseinandersetzung mit den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie bereits im Februar gefordert. Ihr Antrag auf Einsetzung des Ausschusses stieß auf Ablehnung.

Die Maßnahmen des Landes zur Bekämpfung der Pandemie seien "in Teilen sowohl funktional als auch ethisch und rechtlich zweifelhaft" gewesen - so hatte es Volker Richter, gesundheitspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, Anfang des Jahres begründet. Kritiker werfen der Partei wegen ihrer Haltung Desinformation vor.

Erst im Juli hatte der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité auf einem Symposium in Frankfurt die positive Bilanz von Corona-Maßnahmen wie Lockdown, Impfungen und auch Schulschließungen untermauert. Alleine im Frühjahr 2020 seien in Deutschland rund 60.000 Leben gerettet worden.

Drosten klagte über eine Spaltung infolge "unseliger Debatten" in Gesellschaft und Medien, weil wissenschaftliche Fakten ignoriert würden.

Im Gesetz geregelt

Dass die AfD in der Sache im neuen Landtag allein erfolgreich sein kann, geht auf Paragraf 2 des hessischen Untersuchungsausschussgesetzes zurück, der von den "Rechten der qualifizierten Minderheit bei der Einsetzung" handelt.

Darin heißt es im Absatz 1: "Ist die Einsetzung von einem Fünftel der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Landtags beantragt, so hat der Landtag sie unverzüglich zu beschließen."

Mit dieser Regel soll das Recht der Opposition gestärkt werden, das Handeln von Regierung und Behörden kritisch zu beleuchten.

Weitere Folgen im neuen Landtag

Die stärkere Rolle der AfD kann im künftigen Landtag weitere Folgen haben. So ist es üblich, der stärksten Oppositionsfraktion in Debatten die erste Rede zur Entgegnung auf Regierungserklärungen zu gewähren.

Laut aktueller Geschäftsordnung hat die AfD bald als zweitstärkste Kraft im Landtag auch Zugriff auf den Vorsitz eines prestigeträchtigen Ausschusses. Denn die Fraktionen können in der Reihenfolge ihrer Größe zugreifen. Die AfD wäre dann nach der CDU an der Reihe. So kam die SPD als zweitgrößte Fraktion der noch laufenden Legislaturperiode an den Vorsitz im Haushaltsausschuss. Traditionell fällt dieser Posten auch im Bundestag an die Opposition.

Als bislang zweitstärkste Oppositionspartei hat die AfD den Vorsitz in zwei Parlamentsausschüssen schon inne: im Rechtsausschuss und im Europaausschuss.  

In der Frage des Vize-Präsidenten abgeblitzt

Abgeblitzt ist die AfD in der laufenden Wahlperiode schon mehrfach mit dem Versuch, einen Kandidaten für das Amt eines Vize-Landtagspräsidenten durchzubringen. Alle anderen fünf Fraktionen besetzen jeweils einen solchen Posten.

Mit dem Einzug der AfD hatte der Landtag beschlossen, in der Geschäftsordnung die Zahl der Vizepräsidenten von fünf auf sechs zu erhöhen. Für die AfD wäre daher noch ein Platz frei.

Bislang fand sich aber keine Mehrheit für ihre Bewerber. Nach der Konstituierung Anfang kommenden Jahres könnte das neue Parlament die Geschäftsordnung aber auch ändern.

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