Das Logo der SPD leuchtet beim SPD-Bundesparteitag

Trotz eines historischen Wahldebakels regiert die SPD nach 25 Jahren wieder in Hessen mit. An diesem Samstag wählt der Juniorpartner der CDU nach dem Rückzug Nancy Faesers in Frankfurt eine neue Spitze. Den Ton gibt in Zukunft nicht unbedingt ihr Nachfolger an.

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Sören Bartol soll die hessische SPD von Berlin aus führen

Sören Bartol am Rednerpult im Bundestag, mit gehobener Hand
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Die SPD in Hessen von Berlin aus führen: Kann das gut gehen? Das ist eine der zentralen Fragen, die an diesem Samstag über dem Landesparteitag der Hessen-SPD in Frankfurt stehen. 

Mit Nancy Faeser als Vorsitzender und Spitzenkandidatin gelang das im Landtagswahlkampf des vergangenen Jahres nicht sonderlich gut. Am Ende standen 15,1 Prozent – als Wahlsieger kamen Ministerpräsident Boris Rhein und seine CDU auf mehr als das Doppelte

Und doch will die SPD die Berliner Karte noch einmal spielen: Faesers Nachfolger und neuer Landesvorsitzender soll der Marburger Sören Bartol werden, als Bundestagsabgeordneter Mitglied der im Dauer-Umfragetief befindlichen Ampel-Koalition. Bartols Wahl zum SPD-Landeschef gilt als gewiss.

Direktmandat abonniert

Der 49-Jährige gilt als Macher, der Wahlkampf kann. Sein Direktmandat als Bundestagsabgeordneter für Marburg hält er seit 2002. Das muss man erst mal schaffen, zumal von der eigenen Partei längst nicht immer Rückenwind kam. Das Rekordergebnis von 47,8 Prozent bei seiner ersten Bundestagswahl hat er allerdings nie mehr erreicht.   

Inzwischen ist Bartol 49 Jahre alt. Zum Politikstudium kam der gebürtige Norddeutsche nach Hessen. Die Landespolitik ist ihm nicht fremd: Nach dem Studium arbeitete er zwei Jahre für einen Landtagsabgeordneten.   

Bauziel verfehlt

Bartols Themen im Bundestag sind Verkehr, Bau, Stadtentwicklung. Dass ihn seine Parteikollegin und Bauministerin Klara Geywitz 2021 als Parlamentarischen Staatssekretär in ihr Haus holte, war aus SPD-Sicht logisch. Dort kämpft Bartol für mehr Wohnungsbau.  

Das erklärte Ziel, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, wurde bisher zwar stets verfehlt. Doch Bartol verweist auf die Umstände: "Wir haben trotz schwierigster konjunktureller Lage die Bautätigkeit stabilisiert."

Erfahrungen in schmerzlichen Kompromissen 

Im Koalitionsvertrag hat seine Partei zu spüren bekommen, wie dominant die CDU in der Landesregierung ist. Der Marburger kennt das aus Berlin. 

Dort hat er in Zeiten der Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als Verkehrspolitiker hautnah erlebt, was es heißt, schmerzhafte Kompromisse mit der Union einzugehen. So trug er 2017 die umstrittene und später teuer gescheiterte Pkw-Maut mit. Seinerzeit lautete Bartols Beitrag im Bundestag dazu: "Wir hätten gerne auf den heutigen Tag verzichtet."  

Wer ist der wahre Chef?

Als Parteichef wird der Marburger die Regierungspolitik in Hessen kaum maßgeblich mitgestalten. Er gilt als Parteichef von Gnaden der lokalen Fürsten. Auf den Schild heben ihn schließlich die Parteibezirke Hessen-Süd und Hessen-Nord, die sehr viel mächtiger sind als der Landesvorstand – erst Recht nach Faesers Wahlniederlage und ihrem Rückzug. 

Kaweh Mansoori, Chef der SPD in Hessen-Süd, gilt als der eigentliche starke Mann der hessischen Sozialdemokraten. Er sitzt als Superminister für Wirtschaft, Energie und Verkehr und auch als Vize-Ministerpräsident an Rheins Seite. 

Drei starke Männer

Viele hatten damit gerechnet, dass Mansoori selbst nach dem Vorsitz greift. Der will sich aber offenbar lieber auf die Arbeit in der Regierung konzentrieren. Gefahr vom Landesvorstand droht angesichts der starken Rolle der Bezirke ohnehin nicht. Und auch so könnte Mansoori auch in der Landespartei die wichtigen Strippen ziehen. 

Was hinzukommt: Bartol verbindet einiges mit dem SPD-Wirtschaftsminister - und mit dem zweiten neuen starken Mann der Hessen-SPD. Das ist Timon Gremmels, Chef der SPD-Hessen-Nord und mit dem Ressort Wissenschaft und Kunst ebenfalls einer von insgesamt drei SPD-Ministern der neuen schwarz-roten Koalition in Wiesbaden. 

Parteilinke dominieren über Kabinett und Bezirke

Wie Bartol waren Mansoori und Gremmels Bundestagsabgeordnete. Beide wechselten erst nach Wiesbaden, als die Regierungsbeteiligung feststand und wichtige Posten winkten. Die beiden neuen Landesminister zählen zur Parteilinken. Bartol ist den "Netzwerker" genannten pragmatisch-progressiven Reformern in der SPD zuzuordnen. 

Die bislang dominanten, eher konservativen Kräfte der Landespartei verliert an Einfluss: Nachdem klar war, dass Faeser sich zurückzieht, kam ihr früherer Vertrauter Günter Rudolph als Minister nicht zum Zug und wurde auch noch als Fraktionschef verdrängt.

Ironie der Geschichte: Gerade auf Faeser und Rudolph hatte Rhein gesetzt, als er die SPD zur Partnerin wählte und den Grünen den Laufpass gab. Als Wahlverlierer, die unter anderem die Jusos in Faeser und Rudolph ausgemacht hatten, weichen die beiden nun Mitglieder jener Berliner Ampel-Koalition, die laut Analysen mit ihrer Performance ebenfalls maßgeblich Anteil am Desaster der Hessen-SPD bei der Landtagswahl hatte. Selbst in Hochburgen ging nichts mehr.

Ein Kitt, der wohl hält

Macht ist ein starker Kitt. Der klar entschiedene innerparteiliche Machtkampf und die Aufbereitung der Wahlniederlage, die doch noch zum Erfolg führte: Sie werden auf dem Parteitag kaum zum Zerwürfnis führen. Zumal auch die Neubesetzung des zweiten wichtigen Postens Streit über die Schuld am schlechten Landtagswahlergebnis dämpft. 

Portrait Josefine Koebe, vor rotem SPD-Hintergrund

Der bisherige Generalseketär Christoph Degen, dem viele erhebliche Verantwortung an einer misslungen Wahlkampagne gaben, ist zum Staatssekretär im Wissenschaftsministeriums befördert worden. Nachfolgerin soll Josefine Koebe, Ökonomin mit Doktortitel aus Bensheim (Bergstraße), werden. 

Die Vision der SPD

Wie sie die Rolle ausfüllt, dürfte spannend werden: Koebe ist 35 Jahre jung, Mutter von vier Kindern, seit Januar Landtagsabgeordnete und ambitioniert. Sie könnte so etwas wie Bartols Statthalterin in Wiesbaden sein – beispielsweise in Koalitionsrunden, wenn Bartol in Berlin zu tun hat.   

"Visionen, wie wir gerechter zusammenleben können" – das nennt Koebe unter anderem, wenn sie über ihre politischen Ziele spricht. Wie für sie in ihrer designierten Rolle als Generalsekretärin wird es für die ganze Hessen-SPD beim Parteitag in Frankfurt um eine weitere Vision gehen: Wie schafft sie es, nach der nächsten Landtagswahl 2028 die CDU erfolgreicher anzugreifen als beim letzten Mal? 

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