Was Sie zum geplanten Wölfe-Abschuss wissen müssen
Erstmals ist in Hessen der Abschuss von Wölfen genehmigt worden. Zwei Tiere, die in der Rhön mehrfach Schafe auf umzäunten Weiden gerissen haben, dürfen gejagt werden. Die wichtigsten Fakten und Reaktionen.
Seit Donnerstag dürfen zwei Wölfe in Hessen abgeschossen werden. Sie hatten immer wieder in der hessischen und bayerischen Rhön trotz installierter Schutzzäune mehrere Schafe gerissen. Nach den bayerischen Behörden erteilte auch das Regierungspräsidium Kassel die sogenannte "Ausnahmegenehmigung zur Wolfsentnahme". Was bedeutet das konkret und wie sehen die Reaktionen auf die Genehmigung aus? Fragen und Antworten:
- Warum werden die zwei Wölfe jetzt zum Abschuss freigegeben?
- Wie geht Hessen mit gefährlichen Wölfen um?
- Wie wird der Abschuss organisiert?
- Welche Alternativen gibt es zum Abschuss?
- Was sagen Schäfer und Weidetierhalter?
- Wie stehen Umweltverbände zu dem Thema?
- Was sagt die Politik dazu?
Warum werden die zwei Wölfe jetzt zum Abschuss freigegeben?
Die Liste ist lang: Gleich 17 Mal taucht der Wolf mit dem Kürzel GW3092f in dem Verzeichnis des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) auf, das dokumentiert, wo überall Wölfe in Hessen nachgewiesen wurden. Gefunden wurde seine DNA an mehreren Schafen, einer Ziege, Rotwild oder Damwild - und das sind nur die Risse in Hessen. Da der Wolf in der Rhön an der bayerischen Landesgrenze unterwegs ist, gibt es auch dort einige Fälle, bei denen er Weide- oder Wildtiere angegriffen hat. Der andere Wolf, GW3222m, taucht auf der hessischen Liste drei Mal auf. Die Ereignisse haben es in sich: Er hat jedes Mal mehrere Schafe angegriffen, bis zu zwölf Schafe an einem Tag.
Wie geht Hessen mit gefährlichen Wölfen um?
Wölfe stehen unter Artenschutz und dürfen in Deutschland grundsätzlich nicht gejagt werden, das regelt das Bundesnaturschutzgesetz. Die Bundesländer dürfen aber Ausnahmen davon formulieren. Im hessischen Wolfsplan steht: "Wölfe, die wiederholt und systematisch den Grundschutz sowie erweiterte Herdenschutzmaßnahmen überwinden, sollen diese Fähigkeit nicht an Nachkommen weitergeben. Daher kann als letzte Maßnahme die Tötung eines Wolfes durch die zuständige Naturschutzbehörde genehmigt werden, sofern das zu befürchten ist."
Heißt im Klartext: Das Regierungspräsidium Kassel schätzt die zwei Wölfe im Landkreis Fulda so gefährlich ein, dass sie abgeschossen werden dürfen. Schon vor zwei Wochen hatten die Behörden auf bayerischer Seite die Wölfe zum Abschuss freigegeben.
Wie wird der Abschuss organisiert?
Die Wölfe dürfen nicht einfach im Wald abgeschossen werden - zu groß wäre die Gefahr, dabei ein falsches Tier zu treffen. Die Erlaubnis zur Wolfsentnahme, wie das Regierungspräsidium Kassel schreibt, gilt nur für das Gemeindegebiet Ehrenberg zwischen der Bundesstraße 278 und der Landesgrenze zu Bayern und hier auch nur für bestimmte Bereiche: "Die Entnahmebefugnis erstreckt sich ausschließlich auf mit Weidezäunen oder Weidenetzen umgrenzte Flächen mit Nutztierherden sowie einen Pufferbereich von maximal 1.000 Metern um diese Nutztierhaltungen."
Für die genaue Umsetzung ist dann die Untere Jagdbehörde des Landkreises Fulda zuständig. Laut Hessischem Umweltministerium wird geheim gehalten, wer die Wölfe am Ende abschießt, um die Jäger keinen Anfeindungen auszusetzen.
Welche Alternativen gibt es zum Abschuss?
Der Abschuss soll immer nur das letzte Mittel zum Schutz vor dem Wolf sein, vorher sollen die Halter von Weidetieren geeignete Zäune aufstellen. Doch diese sind für die Tiere oft kein Hindernis: Die Wölfe springen über die Absperrung oder graben sich unter ihr hindurch. Da die Wölfe sehr gut lernen, können sie mit der Zeit Techniken entwickeln, um Hindernisse zu überwinden.
Was sagen Schäfer und Weidetierhalter?
Aus Sicht von Hubertus Dissen vom Hessischen Verband für Schafzucht und -haltung ist die Entscheidung des Regierungspräsidiums Kassel überfällig: "Es kann so nicht weitergehen. Auf Dauer wird das mit immer mehr Wölfen und immer mehr Angriffen nicht funktionieren." Dissen kümmert sich in seinem Betrieb um etwa 1.000 Mutterschafe. Die Forderung, einfach bessere Zäune zu bauen, hält er für Schäfer nicht immer für umsetzbar: "Bei umherziehenden Schafherden ist das schwierig. Außerdem sind die Wölfe sehr clever, die springen auch über Zäune drüber."
Der Hessische Bauernverband sieht das Thema ähnlich: Die Entnahmegenehmigung sei "zwingend notwendig und überfällig", da die Weidetierhaltung in der hessischen und bayerischen Rhön eine große und wichtige Rolle für den Naturschutz und die Landwirtschaft spiele. "Die auffälligen Wölfe haben offenbar bereits gelernt, dass Nutztiere eine leichte Beute darstellen und dass Schutzzäune überwunden werden können." Der Verband kritisiert, dass die Genehmigung nur bis zum 9. November und nur für ein begrenztes räumliches Gebiet gilt.
Wie stehen Umweltverbände zu dem Thema?
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Hessen (BUND) sieht bei dem Thema die Halter von Weidetieren in der Pflicht: Sie müssten für einen besseren Schutz ihrer Herden sorgen, damit der Wolf sie nicht einfach so angreifen könne. Die Abschussgenehmigung des Regierungspräsidiums Kassel sei "das völlig falsche Signal", sagt der Wolf-Referent des BUND Hessen, Thomas Norgall.
"Die Abschussgenehmigung (…) ist eine Ermunterung an die Weidetierhalter*innen, auf die vom Land Hessen selbst empfohlenen und geförderten Herdenschutzmaßnahmen zu verzichten. Das muss sofort korrigiert werden", so Norgall. Aus Sicht des BUND sollte die Abschussgenehmigung nicht für alle Weiden gelten, sondern nur für solche, an denen es bereits Schutzmaßnahmen für die Tiere gibt.
Was sagt die Politik dazu?
CDU, AfD und FDP haben in ihren Wahlprogrammen für die hessische Landtagswahl gefordert, den Wolf grundsätzlich zur Jagd freizugeben, weil sein Bestand in Hessen inzwischen ausreichend stabil sei. Die SPD setzt auf Unterstützung beim Schutz von Weiden und Entschädigungsregelungen, die Grünen sind auch für bessere Prävention und Hilfe, wenn es Wolfsrisse gegeben hat.
Aus Sicht von Wiebke Knell, der jagd- und umweltpolitischen Sprecherin der FDP-Fraktion im hessischen Landtag, kommt die Abschussgenehmigung viel zu spät und ist lediglich eine Redaktion auf den Vorstoß aus Bayern. Oliver Conz, Staatssekretär im Umweltministerium, findet dagegen, dass viele Tierhalter es dem Wolf noch zu leicht machen, weil die Weiden nicht lückenlos eingezäunt seien. Er setzt darauf, dass die Förderungen, die es für den besseren Herdenschutz gibt, nach und nach angenommen werden und es deswegen auch weniger Risse in Hessen geben wird. Über weitere Abschussgenehmigungen werde immer im Einzelfall entschieden, sagte Conz dem hr.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 27.10.2023, 19.30 Uhr
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