Frank Carstens bei seiner ersten Einheit in Wetzlar.

Handball-Bundesligist HSG Wetzlar hielt mit viel Mühe die Klasse. Neu-Trainer Frank Carstens zeigt nun bereits am ersten Tag, auf welche Tricks und Taktiken er setzt.

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Neuer HSG-Trainer: Das werde ich ändern

Frank Carstens beim Trainingsauftakt.
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Die für ihn schwierigste Botschaft hatte Frank Carstens schon am Wochenende hinter sich gebracht. Der neue Trainer des Handball-Bundesligisten HSG Wetzlar gratulierte der Mannschaft zum Klassenerhalt in der abgelaufenen Saison. Die schmerzliche Note dabei: Carstens war der Leidtragende der hessischen Energieleistung zum Saisonendspurt gewesen – und mit seinem vorherigen Klub GWD Minden aus der ersten Liga abgestiegen.

Seit dem 1. Juli steht der 51-Jährige in Diensten der Wetzlarer. Und beim Trainingsauftakt hob Carstens auch noch einmal darauf ab, dass er sich bis zu jenem Tag voll und ganz seinem alten Arbeitgeber und dem Abstiegskampf verschrieben hatte. "Es gab ein Moratorium bis zum 30. Juni, das von allen Seiten respektiert worden ist", versicherte er glaubhaft. Diesem Agreement hatte auch die HSG zugestimmt, wohl wissend um die Erschwernis der (Personal-)Planungen für die nun anstehende Spielzeit.

Neuzugänge für den Trainer ein "Glücksfall"

Immerhin: Die Wetzlarer konnten bereits die Vakanz am Kreis schließen und mit Vladimir Vranjes sowie Rasmus Meier Ejlerson zuletzt zwei Verpflichtungen bekanntgeben. "Gerade im Hinblick auf die Kürze der Zeit sind diese Transfers ein absoluter Glücksfall", ordnete Carstens ein. Beim Trainingsauftakt zeigte der 34-jährige Vranjes, wie er mit seiner Routine dem Team helfen kann. Beispielsweise überlistete er mit mehreren Hebern die Keeper und bewegte sich geschickt bei den Anspielen. Komplettiert wird das Trio der Neuzugänge von Rechtsaußen-Talent Julian Fuchs, das auf Leihbasis vom hessischen Rivalen MT Melsungen kommt.

Die Neuzugänge der HSG Wetzlar: Julian Fuchs (2.v.l.), Vladimir Vranjes (Mitte), Rasmus Meyer Ejlerson (2.v.r.).

Offen ist noch eine Verstärkung auf Rückraum rechts, nachdem Jovica Nikolic wohl bis in den Januar mit einer Knieverletzung ausfallen wird. Ersatz muss her, damit ein Linkshänder und eigentlich jemand, der sowohl in der Defensive als auch Offensive für Entlastung sorgen kann. "Eine eierlegende Wollmilchsau", beschrieb Geschäftsführer Björn Seipp am Montag die Schwierigkeit bei der Suche. Die Wetzlarer befänden sich schon in Gesprächen, im Idealfall kommt ein Neuer in der kommenden Woche. "Es erschwert natürlich die Vorbereitung, aber davon geht keiner unter, das kriegen wir hin", bemerkte Trainer Carstens lapidar.

HSG veranstaltet Trainingslager daheim

Ähnlich pragmatisch ging er die Planungen für die kommenden Wochen an. Durch das kurze Zeitfenster seit seiner Ankunft verzichtete der Klub auf eine Reise in ein Trainingslager, sondern veranstaltet ein "Trainingslager light". In den kommenden Wochen trainieren die Spieler vormittags und essen danach gemeinsam in der Halle zu Mittag. So sei laut Carstens für das soziale Miteinander gesorgt und "die Jungs können im eigenen Bett schlafen. Da regeneriert man am besten".

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HSG Wetzlar bestreitet das Trainingslager daheim

Wetzlar Carstens an der Seitenlinie von Minden. Energischer Blick.-
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Gerade die Stärkung des Zusammenhalts wird in der Vorbereitung wichtig werden. Schließlich mangelte es dem Team in der vergangenen Saison an Selbstvertrauen und Vertrauen zum Nebenmann. Unter anderem dank der teambildenden Maßnahmen und auch der Hilfe von Persönlichkeitstrainer Martin Daxl, der auch für die Bundesliga-Fußballer von Eintracht Frankfurt tätig ist, stellten sich die positiven Ergebnisse ein – und sicherten damit den Verbleib in der ersten Liga zum 25-jährigen Jubiläum.

Spieler sollen auf die Neuen Rücksicht nehmen

Carstens kündigte deswegen auch einen Dreisatz der Vorbereitung an: Athletik, Taktik, Teamspirit. Im Kreis mit den Spielern zum Ende der Auftakt-Einheit ging er erst einige Schritte zurück und dann wieder nah auf die Jungs zu. Seine Botschaft: Sie sollen eng zusammen stehen in der anstehenden Saison. Dazu forderte der Trainer, dass Deutsche und Skandinavier sofort ins Englische wechseln sollten, wenn ein Dritter dazu kommt, der die Sprache der anderen nicht verstehe. So sollen gerade die Neuen integriert werden, bis sie die Amtssprache Deutsch verinnerlicht haben. Und: Das gelte auch für den hessischen Dialekt, fügte der Coach mit einem Schmunzeln hinzu.

Bei den Punkten Athletik und Taktik ließ Carstens schon am ersten Tag durchblicken, was er von seinen Männern erwartet. In einer kräftezehrenden Übung mussten sie schnell von Angriff in die Defensive umschalten und direkt nach dem Abschluss die Passlinien schließen. "Das bestehende Angriffssystem werden wir aufnehmen. In der Defensive werden wir ein paar Sachen ändern. Da wird offensiver verteidigt, etwas mehr auf Ballgewinn gegangen", so Carstens.

Hammer-Auftakt für die HSG in der Liga

Der Coach, der seine Stoppuhr im Stutzen und die Pfeife um den Hals trug, fordert also Mut von seiner Equipe. Bei Missgeschicken während des Trainingsauftaktes motivierte er immer wieder: "Bälle dürfen weggehen, das kommt, erster Tag, kein Problem!"

Den Mut lebt er selbst vor. Auf Nachfrage, wie Carstens das Auftaktprogramm in der Liga bewerte, bekam er leuchtende Augen. Die HSG, in der abgelaufenen Saison gerade dem Abstieg von der Schippe gesprungen, startet daheim gegen den amtierenden Champions-League-Sieger SC Magdeburg und reist dann zum amtierenden Deutschen Meister THW Kiel. Der neue Coach sagte dazu: "Hammer. Das ist eine Riesenchance."