Digitaler Hühnerstall in Nordhessen Was dieser Transponder mit Henne, Hahn und Ei zu tun hat

Auf der Staatsdomäne Frankenhausen startet mit dem Regio-Huhn ein hessenweit einzigartiges Zucht-Projekt. Bauernhof-Romantik ist hier Fehlanzeige - es geht äußerst digital zu.

Collage aus einer Hand in Großaufnahme, die ein sehr kleines stabförmiges Objekt hält und einem Huhn auf blauem Hintergrund.
Jedes Huhn bekommt einen Transponder ans Bein. Bild © picture-alliance/Zoonar | Judith Kiener, hr, Collage: hessenschau.de

Welche Henne ist die Mutter vom Ei, welcher Hahn der Vater? Und welche Hühnerrassen sind im Ei vereint? Diese Fragen kann man auf der Staatsdomäne Frankenhausen künftig sicher beantworten.

Auf dem Hof zwischen Grebenstein, Immenhausen, Espenau und Calden im Kreis Kassel entsteht die erste digitale Leistungszuchtanlage Hessens. In drei Wochen sollen hier 360 Hennen und 180 Hähne einziehen.

Jede Henne wird einen kleinen Ring am Bein tragen. Darin ist ein Transponder. So kann jedes einzelne Huhn in der Anlage identifiziert werden.

Robust trifft leistungsstark 

Der digitale Hühnerstall ist Neuland für die Staatsdomäne Frankenhausen. Der Hof ist seit 1998 Lehr- und Versuchsbetrieb der Universität Kassel. Der Betrieb wird nach ökologischen Richtlinien bewirtschaftet und erzeugt Bioland- und Naturland-Produkte.

Das Projekt wird durch das Bundesprogramm Ökologischer Landbau gefördert und läuft parallel an der Uni in Bonn (Nordrhein-Westfalen) und der Hochschule in Osnabrück (Niedersachsen).

Ramelsloher Hühner stehen in einem Käfig. Ihr Gefieder ist rötlich-braun, der Kamm rot. Schnabel und Beine schieferblau.
Ramelsloher Hühner sind eine deutsche Züchtung aus dem 19. Jahrhundert. Sie stehen auf der roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen. Bild © picture alliance / dpa | Julian Stratenschulte

In dem voll digitalisierten Stall soll künftig das optimale Zweinutzungshuhn gezüchtet werden. So bezeichnet man ein Huhn, das sowohl viele Eier legt als auch als Fleischproduzent taugt. Damit sollen gleichzeitig seltene, robuste Hühnerrassen erhalten werden.

Transponder ermöglicht korrekte Zuordnung 

Dafür sei es wichtig, jedes einzelne Huhn mithilfe des Transponders zu erkennen, sagt Betriebsleiter Tobias Klenke. "Zucht und Selektion war früher einfach", so Klenke: "Ein Huhn, ein Käfig, ein Ei." Dann kam die Volierenhaltung mit Außenbereich, seitdem sei die Zuordnung von Ei und Henne schwieriger.

Die hochtechnisierte Versuchsanlage bietet laut Klenke alles, was Hühner brauchen und was für den ökologischen Landbau nötig ist: einen Auslauf im Außenbereich, einen Innenbereich mit abgedunkelten und ungestörten Legenestern, dazu ein Staubbad, Stangen zum Sitzen und viel Platz zum Scharren.

Eine Mann steht in einem Stall neben einer Apparatur mit kleinen Kästen aus Metall und spricht in Richtung Kamera.
Der Betriebsleiter der Staatsdomäne Frankenhausen, Tobias Klenke. Bild © hr

Nester mit Vorhang und Sensoren

Die Nester sind durch einen Vorhang aus Metall gesichert. Sobald eine Henne den Vorhang durchschreitet und sich auf dem Nest niederlässt, kann kein weiteres Huhn dazukommen. Denn die Henne drückt das sogenannte Weihenstephaner Muldennest mit ihrem Gewicht nach unten und verschließt damit den Eingang.

Jetzt kann sie in Ruhe brüten. Gleichzeitig wird sie gewogen. Das System weiß so jederzeit, wie schwer das Huhn ist.

Ein sogenanntes Weihenstephaner Muldennest: Ein mit Sensoren ausgestattetes Hühnernest aus orangefarbenem Kunststoff in einem Metallregal.
Noch ohne Einstreu: das Muldennest. Bild © Ekkehard Drewes (hr)

Ist das Ei gelegt, rollt es wie über eine kurze Kugelbahn aus dem Nest und wird weich aufgefangen. Über den Nestern und den beiden Reihen der Rinnen für die Eier ist viel Technik verbaut, "um die Eiablage dem richtigen Huhn zuordnen zu können", erklärt Klenke.

Auf einem zentralen Bildschirm werden Livedaten zu allen Nester angezeigt: Sind sie unbenutzt oder sitzt eine Henne darauf? Legt diese dann ein Ei, fällt es durch die Eiklappe - auch das wird vom System registriert. Außerdem werden in dem Hightech-Hühnerstall zentral die Lüftung gesteuert, die Fütterung überwacht und die Klappen zum Außenbereich geöffnet oder geschlossen.

Aufzucht von Bruderhähnen wirtschaftlicher machen 

Das Projekt läuft seit vier Jahren in einem kleineren Rahmen. Mit dem digitalen Stall machen die Verantwortlichen jetzt einen großen Schritt. 2028 sollen die ersten Ergebnisse vorliegen. Dann könne man Kreuzungstiere und Leistungsdaten liefern, so Klenke.

Mit dem Projekt Regio-Huhn wollen die Verantwortlichen die Genreserven alter Rassen erhalten und die Aufzucht von sogenannten Bruderhähnen wirtschaftlicher machen. Früher war es üblich, männliche Küken direkt nach dem Schlüpfen zu töten. Der Grund: Sie legen keine Eier und setzen kaum Fleisch an. Zuletzt starben so laut Landwirtschaftsministerium etwa 40 Millionen Küken pro Jahr.

Zwei Hühner mit rot gepunktetem Gefieder stehen auf einer Wiese. Ihr Schnabel ist gelb-beige.
Das Bielefelder Kennhuhn ist eine robuste Haushuhnrasse aus den 1970er Jahren. Bild © picture alliance / Zoonar | Judith Kiener

Seit 2022 ist das Töten von Küken in Deutschland verboten. Stattdessen kann man das Geschlecht im Ei bestimmen und männliche Küken vor dem Schlüpfen aussortieren. Das Verfahren ist allerdings recht aufwendig und nur innerhalb der ersten sieben Tage erlaubt.

Eine Alternative ist das sogenannte Bruderhahn-Konzept. Hierbei werden die Brüder der Hennen aufgezogen und verkauft. Weil sie länger brauchen, um Fleisch anzusetzen, benötigen sie mehr Futter. Deshalb ist ihr Fleisch teurer.

Verschiedene Rassen, verschiedene Eigenschaften 

Die Rassen Ramelsloher, Bielefelder Kennhuhn und Altsteirer bilden auf der Staatsdomäne die Basis für das Zuchtprogramm. Dazu werden verschiedene Legehennen- und Masthuhn-Rassen kombiniert. Sie alle seien vom Charakter völlig unterschiedlich, erklärt der Betriebsleiter. Die einen eher nervös, die anderen entspannte Schoßhühner.

Eine Frau steht in einem Stall neben einer Apparatur mit vielen Rinnen und lächelt in die Kamera.
Maria Finckh vom Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften. Bild © hr

Außer um die Aufzucht von Zweinutzungshühnern geht es bei dem Projekt um Biodiversität. Die genetischen Ressourcen der drei genannten bedrohten Hühnerrassen seien sehr wichtig, auch um die Tiere gegen Krankheiten wie die Vogelgrippe zu schützen, sagt Maria Finckh vom Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften.

"Wenn alle Hühner der Welt genetisch extrem nah beieinander sind, dann bedeutet eine Epidemie schnell das Ende", sagt die Dekanin des Fachbereichs. Das wollen die Hühnerzüchter verhindern.

Redaktion: Stefanie Küster und Ekkehard Drewes

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de