Walmart-Deal für Start Up Amerikaner trinken jetzt aus hessischen Halmen

Ein hessisches Start Up hat Trinkhalme aus Edelstahl erfunden, die knickbar sind. Hunderttausende davon haben es in die Regale einer amerikanischen Supermarkt-Kette geschafft - und erfreuen sich dort großer Beliebtheit. Die Inspiration für den Halm kommt aus dem Schweinestall.

Eine Person hält ein Glas, gefüllt mit Apfelsaft. Darin steckt ein Trinkhalm.
Trinkhalme aus Hessen gibt es jetzt auch in den USA zu kaufen. Bild © Julian Moering/hr

Heller Holzboden, viel Glas und in der Ecke lehnt ein Rennrad an der Wand - das Büro der kleinen Firma Halmbrüder im Frankfurter Osten schreit Besucherinnen und Besuchern direkt entgegen: Hier ist ein hippes Start Up zuhause. Mittendrin steht Tobias Michael und erklärt stolz das Produkt, einen Trinkhalm aus Edelstahl, der auf den Markennamen Knyg hört. So gut, so gewöhnlich. Doch der Knyg-Halm hat eine Besonderheit, die ihn einmalig macht: "Kannste knicken", sagt der 36 Jahre alte Mitbegründer.

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Metalltrinkhalme "made in Hessen" für die USA

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Bild © hessenschau.de
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Tasächlich produzieren die Halmbrüder laut Michael den weltweit ersten Edelstahl-Trinkhalm, den man so knicken kann, wie man es von seinen mittlerweile verbotenen Plastik-Pendant kannte. Seit etwa fünf Jahren versuchen Michael und seine Mitstreiter ihre Erfindung unters Volk zu bringen, jetzt ist ihnen der Durchbruch gelungen. Denn der US-amerikanische Einzelhandelsriese Walmart ist auf die hessische Innovation aufmerksam geworden - und hat auf einen Schlag 400.000 Stück bestellt.

"Erstmal richtig gefeiert"

"Wir konnten das kaum glauben", sagt Michael. Vor etwa einem halben Jahr sei plötzlich abends eine E-Mail aus den USA im Posteingang aufgeploppt. Kurz darauf ploppten die Sektkorken. "Wir haben erst einmal richtig gefeiert", erinnert sich Matthias Jahn, einer von drei weiteren Gründern. Die Zoll-Eskapaden von US-Präsident Donald Trump sorgten zwar kurzzeitig für erhöhten Puls, doch an dieser Stelle konnte Walmart schnell wieder beruhigen: "Die haben gesagt, dass wir das Zoll-Problem mal ihre Sorge sein lassen sollen."

Eine Kundin nimmt die Trinkhalme aus einem Regal in einer Walmart-Filiale in den USA
Die hessischen Trinkhalme stehen in den Regalen von zehntausenden Walmart-Filialen in den USA. Bild © privat

Wie Walmart auf den hessischen Halm aufmerksam wurde, wissen selbst die Knyg-Macher nicht. "Wir hatten eigentlich noch gar nicht vor, in die USA zu expandieren", sagt Michael. Man wollte sich erst einmal in Deutschland und anderen europäischen Ländern etablieren. Aber Walmart habe mit der ersten Kontaktaufnahme quasi eine fertige Bestellung inklusive Verpackungsdesign und allem drum und dran geschickt. "Da sagt man natürlich nicht 'nein'."

Trinkhalme in den USA fast ausverkauft

Seit zwei Wochen sind die Halme nun in über 10.000 Walmart-Filialen in den USA zu haben und erfreuen sich offenbar großer Beliebtheit. "Sie sind fast ausverkauft", sagt der 30-jährige Jahn. Viel verdient haben die Halmbrüder am knapp 380.000 Euro schweren Deal nicht, sie seien mehr oder weniger bei Null rausgekommen. Zu wissen, dass das Produkt in Amerika funktioniert, sei aber unbezahlbar. "In den USA gehören Trinkhalme zum Essen dazu wie Messer oder Gabel. Dort einen Fuß in die Tür zu bekommen, ist großartig."

Die Knyg-Halme haben einen Durchmesser von etwas über acht Millimetern, sind in vier Längen und sechs Farben erhältlich. Sie sind laut Hersteller beliebig oft knickbar und auch für die Spülmaschine geeignet. Ganz nebenbei seien sie auch äußerst nachhaltig: "Bei normalem Gebrauch halten die Halme ein Leben lang", verspricht Jahn. Für Kunden können sie auf Wunsch auch individuell graviert werden.

Blauer Trinkhalm mit der Aufschrift "hessenschau"
Die Trinkhalme können individuell graviert werden. Bild © Julian Moering/hr

Inspiration: Schweinestall

Der Firmensitz ist in Heusenstamm (Offenbach), der Feinschliff passiert in den Frankfurter Räumen, doch angefangen hat alles 2019 im südhessischen Heppenheim (Bergstraße). Matthias Jahn und Mitbegründer Helmut Rader waren damals in einer Firma in der Agragbranche tätig, die unter anderem sogenannten Ferkelplatten herstellte. Das sind beheizbare Unterlagen für Ferkel im Stall. An diesen Ferkelplatten ist jeweils eine etwa ein Meter hohe, biegsame Metallröhre angebracht, durch die das Stromkabel geführt wird, um es vor Anknabbern zu schützen.

"Bei dieser Metallröhre musste ich immer an Trinkhalme denken", erinnert sich Jahn, der damals noch in der Ausbildung war. Und so reifte nach und nach die Idee für den knickbaren Metall-Trinkhalm. Zusammen mit seinem heute 62 Jahren alten Chef Rader, mit Tobias Michael und dem Vierten im Bunde - Philip Knott - entwickelte Jahn einen Protypen, der 2020 auf den Markt kam. Immer vor dem Hintergrund des angekündigten EU-Verbots für Plastikhalme, das im Juni 2021 in Kraft trat. Die Schwierigkeit habe vor allem darin gelegen, den Halm gleichzeitig leicht und flexibel, aber auch haltbar zu gestalten.

Damals hieß die Marke noch "Turtleneck", auf Deutsch "Schildkrötenhals". "Das war uns dann doch etwas zu sperrig", erklärt Jahn. Vor etwa drei Monaten benannten die Halmbrüder die Marke um in Knyg - eine kreative Schreibweise für "Knick". Neues Logo und eigene Klamotten inklusive.

Tobias Michael (li.) und Matthias Jahn stoßen auf den USA-Deal an, stilecht mit ihren Trinkhalmen.
Tobias Michael (li.) und Matthias Jahn stoßen auf den USA-Deal an, stilecht mit ihren Trinkhalmen. Bild © Julian Moering/hr

Viel Überzeugungsarbeit

Am Anfang seien die Halme vor allem als Werbegeschenke gefragt gewesen, nach und nach hätten auch Gastronomen zugegriffen, erinnert sich Michael. "Es war schon schwierig, die Leute zu überzeugen", sagt Jahn.

Viele hätten zunächst nicht verstanden, dass man den Metall-Halm tatsächlich knicken kann. Jahn und Co. mussten das Prinzip immer und immer wieder vorführen. Tausende Halme wurden in ihren Händen abertausende Male geknickt. "Daher kommt auch unser Wahlspruch 'Kannste knicken'."

Die Amerikaner haben das Prinzip offenbar auf Anhieb verstanden, das lässt zumindest die große Nachfrage vermuten. Dass in den USA nun fast eine halbe Million hessische Halme in tausenden Privathaushalten helfen, den Durst zu stillen, bringt Michael und die anderen ihrem Ziel ein großes Stück näher. "Ich wünsche mir, dass es irgendwann ganz normal ist, unsere Trinkhalme im Alltag zu benutzen."

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de