Bundesgesundheitsminister Lauterbach will die Finanzierung der Krankenhäuser revolutionieren. In Hessen fürchten kommunale Kliniken, dass ihnen vorher die Luft ausgeht. Der Städtetag ruft nach rascher Hilfe von Bund und Land.

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Städtetag warnt vor Klinik-Pleitewelle

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Überfüllte Notaufnahme, überforderte Mitarbeiter, fehlende Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte: Für Patienten und Personal kann die Lage an Kliniken eine Zumutung sein - auch in Hessen. Dahinter steckt als chronisches Leiden der Mangel an Geld.

Der Hessische Städtetag hat am Dienstag Alarm geschlagen: Die meisten kommunalen Krankenhäuser rutschten immer weiter ins Minus. Ändere sich nichts, drohe vielen Häusern die Insolvenz.

"Es reicht nicht, dass wir über Talkshows von irgendwelchen Absichten erfahren. Die Krankenhausfinanzierung muss jetzt zeitnah geregelt werden", sagte Städtetag-Präsident Heiko Wingenfeld (CDU), der Oberbürgermeister von Fulda ist. Es werde höchste Zeit, dass vor allem die Bundesregierung und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Akut-Hilfe leisteten. Aber auch vom Land Hessen wird mehr erwartet.

Auch Klinikum Fulda "am Limit"

Wie dringlich es ist, machte der Städtetag unter anderem am Beispiel des Klinikums Darmstadt klar, das in diesem Jahr mit einem Minus von 17 Millionen Euro rechnen muss. Kein Einzelfall.

Städtetag-Präsident Wingenfeld erlebt die Probleme als Oberbürgermeister von Fulda auch in der eigenen Stadt. "Wir sind am Limit“, sagt Thomas Menzel, Vorstandssprecher und Arzt im Klinikum Fulda. Und damit meint er nicht nur die Arbeitsbelastung. Das Klinikum mit seinen gut 1.000 Betten kann sich die lukrativsten Fachgebiete, Behandlungen und OPs nicht heraussuchen. Es bietet Maximalversorgung für Menschen aus ganz Osthessen an.

Menzel sagt, seine Klinik brauche "kurzfristig die Sicherung der Zahlungsfähigkeit", um Löhne und Rechnungen zahlen zu können. "Wir haben ja Patienten und können nicht einfach zu machen."

Schon im Corona-Jahr 2020 meldete das Klinikum ein Defizit in Höhe von 3,6 Millionen Euro. Stadt und Landkreis sicherten mit insgesamt 30 Millionen Euro an Darlehen die Liquidität.

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Hessens kommunale Krankenhäuser in Not

Zwei Krankenhaus-Schwestern mit einem Computer mit Patientendaten
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Hilfe könnte zu spät kommen

Längst schießen Kommunen Millionensummen zu, wenn sie Träger der Krankenhäuser sind. Defizitär seien alle 60 Standorte in kommunaler Trägerschaft. Ohne diese Unterstützung käme es längst "reihenweise zum Kliniksterben", wie Steffen Gramminger, Direktor der Hessischen Krankenhausgesellschaft, dem hr sagte.

Aber auch die Kommunen selbst sind häufig in Not. In der Form sind die "massiven Zuschüsse" laut Städtetag-Präsident Wingenfeld nicht länger tragbar.

Keine Frage des Parteibuches

Solche Klagen sind keine Frage des Parteibuches. So schlugen wie CDU-Politiker Wingenfeld Ende des vergangenen Jahres auch Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) und Main-Kinzig-Landrat Thorsten Stolz (SPD) gemeinsam Alarm.

Mit dem Ausklingen der Pandemie verschlimmere sich im Jahr 2023 alles noch. Das Klinikum Hanau müsse mit 15 Millionen Euro, die Main-Kinzig-Kliniken mit knapp 19 Millionen Euro Defizit rechnen.

Von einem "toxischen Gemisch" aus Kostenanstieg und sinkenden Einnahmen berichteten die beiden Kommunalpolitiker der Onlineplattform kinzig.news. Nun fielen auch noch Corona-Zuzahlungen weg, während gleichzeitig die Patientenzahlen zurückgingen - auch wegen fehlenden Personals. Die Zuspitzung der Probleme "sprengt das Bisherige".

Negativ-Prognosen mit Folgen

Wenn Wirtschaftsprüfer angesichts der Defizite keine positiven Prognosen mehr für die jeweiligen Kliniken abgeben, wird es laut Hessischer Krankenhausgesellschaft noch mal enger: Dann rücke mangels zusätzlicher Gelder von Banken die Insolvenz noch näher. Und die Kliniken könnten anders als Unternehmen die Preise nicht erhöhen.

Zwar hat das zuständige Regierungspräsidium Gießen gerade den Basiswert zur Berechnung der Fallpauschalen für die 147 Krankenhäuser Hessens erhöht. An deren dramatischer Schieflage ändert das nach Einschätzung des Klinikverbundes aber nichts.

Der Verbund bezeichnet das Jahr 2023 als "Schicksalsjahr" für die Krankenhäuser. Milliardenhilfen hatte Bundesgesundheitsminister Lauterbach den Kliniken gegen die Folgen der Inflation zugesagt. Doch Thomas Menzel vom Klinikum Fulda fürchtet: Bis das Geld ausgezahlt worden sei, könnte es für manche Klinik zu spät sein.

Ruf nach hessischem Klinik-Gipfel

Mittel- und langfristig strebt Minister Lauterbach einschneidende Änderungen bei den Kliniken an, mit einer Abkehr von dem an Mengen orientierten System der Fallpauschalen an. Er spricht von einer "Revolution", bei der medizinische Kriterien wieder wichtiger werden als wirtschaftliche.

Kliniken sollen zudem in die drei Bereiche Grundversorgung, Grund- und Schwerpunktversorgung sowie Maximalversorgung eingeteilt und entsprechend finanziert werden.

Städtetag-Präsident Wingenfeld sieht neben der Ampel-Koalition im Bund auch die schwarz-grüne Landesregierung in der Pflicht. Im Entwurf des Doppeletats für 2023 und 2024, über den der Landtag demnächst entscheidet, hatte Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) für die Krankenhäuser und ihre Infrastruktur eine Milliarde Euro vorgesehen.

Wingenfeld hält dem Land zugute, dass es - wie von den kommunalen Spitzenverbänden gefordert - die Investitionspauschale für Kliniken anhebe. "Das ist ein Teilerfolg", schränkt der Städtetag-Chef ein. Nach dem Vorbild des Kampfes gegen die Folgen der Energiekrise, als Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) zum Gasgipfel nach Wiesbaden einlud, lautet seine Forderung: Die Landesregierung müsse rasch einen Krankenhaus-Gipfel einberufen.

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