Teleclinic-Selbstversuch Krankschreibung per App — das leichte Spiel mit dem gelben Zettel
Ein kurzer Video-Anruf und schon kommt die Krankmeldung aufs Handy. Ein Selbstversuch der hessenschau zeigt: Wer sich in Hessen krankschreiben lassen will, kann es sich leicht machen. Für Ärzte ist das Geschäft durchaus lukrativ, für Unternehmer ein Dorn im Auge.
Wer krank ist, bleibt am besten zu Hause - und muss trotzdem zum Arzt. Das Einholen der Krankschreibung ist für viele Erkrankte eine Pflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber; gelegentlich eine lästige.
Die "Teleclinic" verspricht indes ein ärztliches Gespräch per App - und auch eine Krankschreibung sei darüber möglich.
In einem hessenschau-Selbstversuch zumindest läuft das so ab: Gesundheitskarte fotografieren, Symptome eingeben, dann folgt wenig später ein Arztgespräch per Videokonferenz - hier die Bitte um Krankschreibung wegen Kopfschmerzen und Übelkeit ohne Nachfragen vom Arzt - kurz darauf ist der digitale gelbe Zettel kostenfrei auf dem Handy. Abgerechnet wird über die Krankenkasse. Symptome hätten auch Erkältung, Grippe, Rückenschmerzen, Bauchschmerzen oder etwa Depressionen sein können.
Dass es damit auch Leuten leicht gemacht wird, die nicht krank sind, sich aber über den einen oder anderen freien Tag mehr freuen, liegt auf der Hand: Das System funktioniert einfach und Rückfragen kommen zumindest im Selbstversuch vom Arzt keine. Immerhin: Grundsätzlich wird nicht länger als drei Tage krankgeschrieben.
Unternehmen zahlen 6 Milliarden Euro für Kranke
Stefan Hoehl von der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände sieht in dieser Art der Krankschreibung ein Problem. Im Interview mit der hessenschau spricht er ohnehin von einer großen Summe von Sozialausgaben, die durch den Krankenstand entstehe. "Die Krankschreibung fordert in Hessen sechs Milliarden Euro Lohnfortzahlungskosten jedes Jahr", so Hoehl.
Dabei sei die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein wichtiges Beweismittel für den tatsächlichen Zustand des Arbeitnehmers. "Es muss sichergestellt werden, dass sie seriös ist und auch stimmt", sagt er. Im hessenschau-Selbstversuch übernahm ein Urologe aus Duisburg die Krankschreibung - obwohl Übelkeit und Kopfschmerzen die angegebenen Symptome waren. Transparent ist dabei: Der Arbeitgeber sieht, dass es sich um eine digitale Krankschreibung handelt.
Keine Krankschreibung ohne Arztgespräch
Benedikt Luber, der Geschäftsführer von "Teleclinic", erklärt im Interview, dass sein Dienst sich vor allem an Menschen richte, die keinen unmittelbaren Zugang zu einem Hausarzt hätten. Über 80 Prozent der Nutzer haben ihm zufolge das Problem, dass sie entweder keinen Hausarzt haben oder die Praxis gerade geschlossen ist. Wer ärztlichen Rat am Wochenende bräuchte, könnte so Notaufnahmen entlasten. Keine Krankschreibung würde ohne ein direktes Arztgespräch stattfinden - aber eben online.
Dass solche Onlinedienste sogar hilfreich sein können, bestätigt auch der hessische Hausärzteverband. So mache die Onlinesprechstunde mit Krankmeldung vieles leichter, sofern leichte Erkrankungen vorliegen würden. Patientinnen und Patienten könnten sich den Weg in die Praxis sparen und schnell und unkompliziert Rat einholen, sagt Christian Sommerbrodt, Hausarzt in Wiesbaden und Vorsitzender des Hausärzteverbands.
Ein kurzes Arztgespräch mit Rückfragen müsse aber sein, denn die Ärzte behandelten schließlich nicht ihre eigenen Patienten, sondern zunächst Fremde. Allergien oder Unverträglichkeiten müssten daher abgefragt und nicht einfach nur eine Krankmeldung ausgestellt werden.
Attraktiv: Mehr Geld für Ärzte - aber mit einem Haken
Dennoch gebe es für die Ärzte einen Vor- und einen Nachteil: Die Teilnahme am Onlinedienst sei zwar praktisch, könne Leerlaufzeiten eines Arztes füllen und Geld in die Kasse bringen - denn hier bekomme man für jeden Patienten eine volle Vergütungspauschale gezahlt. "Wenn ich meine eigenen Patienten behandele, bekäme ich die nicht jedes Mal gezahlt und verdiene damit [mit der Onlinekrankschreibung, Anm. d. Red.] im Moment etwas mehr", erklärt Sommerbrodt.
Doch das habe einen Haken: Das Vergütungssystem für Ärzte sei nicht darauf ausgelegt, jede Krankmeldung einzeln zu zahlen. "Würden alle Krankschreibungen so ablaufen, würde das System kollabieren", warnt der Hausärzte-Verbandschef.
Ihre Kommentare Krankschreibung per App: Sinnvolle Alternative oder Portal für Schummler?
11 Kommentare
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Unglaublich das es den Leuten noch einfacher gemacht wird sich einen gelben Schein zu holen. Vielleicht sollten sich die Leute mal fragen wie es für sie wäre, wenn der Arbeitgeber sagen könnte ich habe jetzt mal keinen Bock 1 Woche Lohn zu zahlen... Ganz ehrlich wer nicht zum Arzt geht und sich online krankschreiben lässt hat einfach nur keinen Bock zu arbeiten und schadet damit nur seinen Arbeitskollegen! Wenn ich wirklich krank bin dann brauche ich auch einen Arzt der mich richtig untersucht und mir hilft. Meine Meinung als ARBEITNEHMER der froh ist einen Job zu haben und in einem Land zu leben das so ein Gesundheitssystem hat!
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Die WMF BKK und andere BKKs empfehlen Teleclinic sogar ihren Mitgliedern bzw. haben Kooperationsverträge. Problem in Deutschland ist doch, dass speziell auch die niedergelassenen Ärzte faul geworden sind bzw. schon immer waren (ständig Urlaub/freie Tage/minimale Praxiszeiten). Ich überlege nämlich Wechsel zu einer BKK, da günstig und mit gutem Digital-Service
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Naja... als App etwas zweifelhaft. Aber ich finde ein Hausarzt sollte auch seine Patienten kennen. Schummler wird es leider immer geben. Aber, man muss froh sein, dass es noch gute Hausärzte gibt. Unternehmen sollten aber auch ihre Sorgfaltspflichten nicht über ihre Gewinne stellen und froh sein, dass es auch das Homeoffice gibt, was für beide Seiten vorteilhaft ist.