Kombo mit Bäcker und leeren Brotregalen

Fehlender Nachwuchs macht Handwerksbetrieben zu schaffen. Für einen Bäcker aus Kassel und seine Kunden hat das jetzt Konsequenzen: die sonst gut besuchte Filiale bleibt dicht.

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Personalmangel stellt Bäckereibranche vor neue Herausforderungen

In der Bäckerei in Kassel hängt ein Zettel an der Glastür: darauf steht, dass die Filiale geschlossen ist.
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Der breite Bürgersteig vor dem Café der Bäckerei Markus im Kasseler Stadtteil Bad Wilhelmshöhe - ganz in Bahnhofsnähe - ist wie leergefegt: Keine Stühle, keine gedeckten Tische - und keine Kunden. Noch vor vier Wochen waren die Plätze vor der Filiale des Traditionsbetriebes gut gefüllt.

Seit Anfang Juli ist Schluss damit, denn Henrik Markus, Bäcker in dritter Generation, hat die Reißleine gezogen und seine größte Filiale dicht gemacht. Der Grund: Personalmangel. Ein Zettel an der Glastür verweist seine Kunden auf die Hauptfiliale bei der Backstube - gut 200 Meter entfernt in einer Seitenstraße. Händeringend hat Markus Mitarbeiter gesucht, ohne Erfolg.

Ausbildungszahlen sinken stetig

Bäckermeister Markus ist mit diesem Problem nicht alleine. Fehlender Nachwuchs macht vor allem Handwerksbetrieben aus der Lebensmittelbranche zu schaffen. Die Ausbildungszahlen sind innerhalb von zehn Jahren um 46 Prozent, also fast die Hälfte, gesunken.

Stefan Körber, Geschäftsführer vom Bäckerinnungsverband Hessen, bestätigt den Fachkräftemangel in der Branche. Der Nachwuchs bleibe aus, erklärt er. Grund sei zum einen der demografische Wandel, außerdem strebe jeder zweite Schulabgänger an die Universität. Das werde zunehmend zum Problem und mache sich auch im Alltag der Menschen bemerkbar: "Wenn keiner mehr das Dach deckt oder die Brötchen backt - wer macht das dann irgendwann?", fragt Körber.

Bäcker und Servicekraft in einem

Das letzte Mittel: die Schließung. Für Henrik Markus ein Schritt, der ihm große Sorgen bereitet. Er macht keinen Umsatz, doch die Mietkosten laufen weiter. Eine kurzfristige Lösung für sein Personalproblem habe er nicht, räumt Markus ein.

Henrik Markus steht in seiner Hauptfiliale und räumt Brot in die Regale.

Krankheitsfälle in der Belegschaft, dazu kein Personal auf dem Arbeitsmarkt sorgen nun dafür, dass Markus Bäcker und Servicekraft in einem ist. Er steht selbst hinter dem Tresen und sei "Mädchen für alles", wie er sagt - für ein kleines Familienunternehmen nicht ungewöhnlich.

Bei Interesse ist Ausbildungsplatz quasi sicher

Und Besserung ist nicht in Sicht, die Ausbildungszahlen im hessischen Bäckereihandwerk sind stark rückläufig. Waren es 2017 noch 140 Bäckerinnen und Bäcker, die ihre Ausbildung begonnen haben, sind es zum Start des jüngsten Ausbildungsjahrgangs nur noch 83.

Auch bei den Bäckereifachverkäuferinnen und -fachverkäufern zeichnet sich ein Rückgang von knapp 20 Prozent ab. Gut für die, die einen Ausbildungsplatz suchen. Wer eine Lehre beginnen wolle, könne sich initiativ in jeder Bäckerei bewerben, erläutert Körber: "Die Chancen stehen bei 100 Prozent, dass er genommen wird - sogar außerhalb des regulären Ausbildungsbeginns."

Work-Life-Balance: auch im Handwerk möglich?

Der Personalmangel zwinge die Betriebe, Arbeitsabläufe umzustellen oder Filialen nachmittags zu schließen, erläutert Körber. Vor allem für die Inhaber sei das extrem anstrengend, den Personalmangel aufzufangen und mit einem immensen Arbeitspensum verbunden.

Dass Work-Life-Balance aber auch im Handwerk möglich ist, zeigt ein Beispiel aus Wettenberg (Gießen). Bäckermeister Peter Seidel führt seine Bäckerei in dritter Generation, kennt die Belastung einer 6-Tage-Woche, Nachtarbeit und 14-Stunden-Schichten. Im November 2021 hat er einen Versuch gewagt und samstags den Laden zugemacht.

Seine Idee mit dem freien Samstag scheint aufzugehen. Er habe direkt einen neuen Gesellen gefunden, berichtet er glücklich: "Als er erfahren hat, dass wir nun samstags zu haben, hat er gesagt, er kommt zu mir." Allerdings hat Seidel für seine neue 5-Tage-Woche ein kleines Umsatz-Minus in Kauf genommen.

Verschiedene Ideen für bessere Bedingungen

5-Tage-Woche, geänderte Öffnungszeiten, auf Tagesproduktion umstellen: Auch Bäcker Markus hat die verschiedenen Modelle im Kopf und überlegt, etwas an den Arbeitsbedingungen für seine Belegschaft zu ändern.

Doch das sei ein großer Schritt und keine schnelle Lösung. Er hofft weiter, langfristig Personal zu finden. Und bis dahin steht der Chef in dritter Generation einfach weiter selbst hinter dem Tresen.

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