Der Frankfurter Ex-Polizist Friedrich Hucke steht in seiner Kunstgalerie in Donaueschingen vor seinen Bildern

Als Frankfurter Polizist jagte er die Rote Armee Fraktion, heute ist er Künstler: Bei Friedrich Hucke hat die Festnahme von Ex-Terroristin Daniela Klette Erinnerungen an eine "miese Mörderbande" geweckt.

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RAF-Spuren in Hessen

Ehemaliger Polizist beim Interview
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Friedrich Hucke sitzt in seinem Atelier in Donaueschingen im Schwarzwald inmitten seiner Kunst. Die Haare weißblond, die Kleidung schwarz, die Bilder oft farbenfroh und gleichzeitig bedeutungsschwer. Seit den frühen 1980er Jahren drückt der heute 71-Jährige seine gesellschaftliche Haltung in seinen Bildern aus. Zum Beispiel zum Thema Gewalt. Für Hucke schon immer eine klare rote Linie.

Deswegen hatte der ehemalige Frankfurter Polizist auch für die Taten der Rote Armee Fraktion nie Verständnis. "Es gab eine Zeit, in der ich die RAF einfach nur als miese Mörderbande empfunden habe", sagt Hucke. Seine erste Berührung mit dem Terror hatte er 1972 als 19 Jahre alter Schutzpolizist, der frisch von der Polizeischule kam.

Der Tatort: "Ein totales Desaster" 

Hucke war am Abend des 11. Mai mit Kollegen im Frankfurter Nordend unterwegs, als er zu einem Einsatz am ehemaligen I.G.-Farben-Haus im Westend gerufen wurde. Drei Sprengkörper waren im Terrace-Club, dem Offizierskasino der dort stationierten US-Soldaten, detoniert. Hucke war einer der Ersten am Tatort. "Eine apokalyptische Situation", erinnert er sich. "Ein totales Desaster, worauf man als junger Polizist nicht eingestellt war."

Trümmer, Brandgeruch und mittendrin Paul A. Bloomquist. Der Soldat war von einem Eisensplitter am Hals getroffen worden. Hucke versuchte noch Erste Hilfe zu leisten - vergeblich. "Während die anderen eintrudelten, ist er in meinen Armen gestorben." Bloomquist ist das erste Opfer eines RAF-Sprengstoffanschlags.

Welchen Eindruck dieses Erlebnis auf Hucke hatte, merkt man ihm heute nicht direkt an. Er spricht ruhig und abgeklärt. Doch 20 Jahre bei der Polizei haben Spuren hinterlassen. "Immer wenn man daran erinnert wird, wie durch die Festnahme von Frau Klette, kommen Dinge von früher auch wieder hoch", sagt er. "Das verlässt einen nicht ganz."

Einmal Polizist, immer Polizist

Daniela Klette wurde vergangenen Montag in Berlin-Kreuzberg festgenommen. Drei Jahrzehnte war die heute 65-Jährige untergetaucht. Sie wird der dritten Generation der RAF zugeordnet und soll am 27. März 1993 am Anschlag auf die JVA Weiterstadt beteiligt gewesen sein. Das Gefängnis bei Darmstadt war gerade fertiggestellt worden und sollte wenige Tage später eingeweiht werden. Mehr als 200 Kilogramm Sprengstoff zerstörten weite Teile des Gebäudes, verletzt wurde niemand. Es war der letzte Anschlag der RAF.

Das zerstörte Verwaltungsgebäude der JVA Weiterstadt nach dem Sprengstoffanschlag der RAF

Friedrich Hucke war zu dem Zeitpunkt schon gut vier Jahre nicht mehr im Dienst. 1989 hatte er aus gesundheitlichen Gründen seine Laufbahn bei der Frankfurter Polizei beendet. Den Fall Klette hat er trotzdem verfolgt - getreu dem Motto: "Einmal Polizist, immer Polizist".

Die Festnahme habe ihn natürlich für die fahndenden Kollegen gefreut: "Das Mädel geht jetzt in den Bau, super, freut mich, ein unberechenbarer Faktor weg von der Straße", sagt er. Allerdings stört den Pensionär, wie die Politik die Polizeiarbeit medial inszeniere. "Wenn man 30 Jahre drei Terroristen nicht gefangen hat, dann kann man nicht von einem Meisterstück sprechen."

"Die Lorbeeren ernten andere, aber man tut seine Pflicht"

Wie es sich anfühlt, Terroristen aufzuspüren, kennt Hucke aus eigener Erfahrung. Frankfurt galt lange als Zentrum der RAF. Als Hucke im Sommer 1977 bei der Kripo im Bereich Terrorismus arbeitet, wird der Dresdner-Bank-Manager Jürgen Ponto in seinem Haus in Oberursel (Hochtaunus) erschossen. Eine der Täterinnen: Brigitte Mohnhaupt aus der zweiten Generation der RAF. Der Mord: Teil der "Offensive 77" mit dem Ziel, die RAF-Häuptlinge Andreas Baader und Gudrun Ensslin aus der Haft in Stuttgart-Stammheim freizupressen.

Die Links-Terroristen um Mohnhaupt hatten sich zur Planung der Tat eine konspirative Wohnung in Hattersheim (Main-Taunus) angemietet, was mit Hilfe von Barzahlungen geheim bleiben sollte. "Ich habe drei Tage und drei Nächte Belege gewälzt, bis ich diese Wohnung im Südring 3 gefunden habe", erzählt Hucke. So konnte er dem Bundeskriminalamt die entscheidenden Hinweise liefern. "Die Lorbeeren ernten dann andere, so ist das üblich, aber man hat seine Pflicht getan."

Polizisten sperren die Hauseinfahrt des von RAF-Mitgliedern ermordeten Bankiers Jürgen Ponto ab

Wenn Friedrich Hucke an die RAF denkt, fallen ihm kaum schmeichelhafte Worte ein. "Hätten da mehr Intelligente gesessen", beginnt er einen Satz, den er nicht ganz beendet, der aber den Sinn erahnen lässt. Den RAF-Anführer Andreas Baader hält er für einen "Idioten", der es geschafft habe, die anderen zu manipulieren.

"Schlimm genug", dass das funktioniert habe, findet er. In der heißen Phase des Terrors in den 1970er Jahren sei deshalb ein riesiger Aufwand betrieben worden bis in die Dienststellen hinein, erinnert sich Hucke. Auch eine gewisse Nervosität unter Kollegen habe es gegeben. Angst habe er selbst aber nie gespürt.

Den Begriff Burnout gab es früher nicht

An Selbstbewusstsein mangelte es Hucke ohnehin nie. Groß gewachsen, gutes Standing innerhalb der Polizei. Links-liberal eingestellt, der erste Polizist in Frankfurt mit einem Ohrring. Er sei "berühmt-berüchtigt" gewesen, ein "subtiler" Rebell, der auch mal Einsätze ablehnte, wenn er sie für falsch oder nicht sicher genug hielt.

Trotzdem habe ihn eine hohe Berufsethik ausgezeichnet, sagt er über sich selbst. Die rund 2.400 Überstunden, die er nach eigenen Angaben bis zu seinem frühzeitigen Dienstende anhäufte, belegten das. "Ich glaube, dass ich damals in hohem Maße an Burnout gelitten habe", auch wenn es den Begriff so nicht gegeben habe.

Schon während seiner Zeit bei der Frankfurter Mordkommission ab 1983 begann Hucke mit der Malerei. Es half ihm, ihm etwas den Druck zu nehmen. "Und es hat mich darauf vorbereitet, dass es auch ein Leben nach der Polizei geben kann", sagt er. Was dann auch gelungen sei.

"Sinnloser Versuch", eine Gesellschaft umzuwandeln

Er zog von Frankfurt in den Taunus, belegte Kurse an der Europäischen Kunstakademie in Trier. Als sich die RAF 1998 auflöste, lebte Hucke schon drei Jahre in einem Haus in Spanien. Aus der "Atempause" im Süden wurden 25 Jahre. Für seine große Liebe Anna, die er im Internet kennen lernte, zog er vor ein paar Jahren nach Donaueschingen. Dort betreibt er seitdem eine Kunstgalerie.

Auch wenn inzwischen viele Jahre und hunderte Kilometer zwischen Hucke und dem Terror der RAF liegen, macht die Vergangenheit ihn heute noch nachdenklich. "Es ist traurig und tragisch, was die RAF angerichtet hat", sagt er.

Für ihren Kampf gegen ein angeblich imperialistisches System tötete die Rote Armee Fraktion zwischen 1971 und 1993 insgesamt 34 Menschen - darunter den Generalbundesanwalt Siegfried Buback, den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, Polizisten und Wirtschaftsvertreter.

Auch zahlreiche RAF-Mitglieder kamen ums Leben. Für Friedrich Hucke unverständlich: "Für mich nach wie vor ein sinnloser Versuch, eine Gesellschaft mit diesen Mitteln umzuwandeln."

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