Bundeswehr-Gelöbnis Fulda Vittorio Chisari

Angesichts von Kriegen und Krisen baut die Bundeswehr in Hessen ein Heimatschutzregiment auf. Sie sucht Freiwillige, die sich zu Reservisten ausbilden lassen und im Notfall zur Waffe greifen. Einige von ihnen legten in Fulda ihr Gelöbnis ab. Hier berichten sie, was sie motiviert.

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Neues Heimatregiment der Bundeswehr: Gelöbnis in Fulda

hs 18.11.2023
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Die Zeiten sind unruhig. Krisen und Kriege greifen an Brennpunkten auf der Welt um sich. Die Bundeswehr sucht deswegen Personal und will auch in Hessen ein Heimatschutzregiment aufbauen. 36 Rekruten und Rekrutinnen haben am Freitagabend in Fulda ihr Gelöbnis abgelegt, um Teil des Reserve-Militärs zu werden.

Einer von ihnen ist Vittorio Chisari. Der in Offenbach aufgewachsene Deutsch-Italiener ist ein Spätentschlossener. Als er den Wehrdienst vor über zehn Jahren hätte antreten können, lehnte er lieber ab. "Ich war ein lebhafter Jugendlicher, habe mir ungern etwas sagen lassen. Mit der dort herrschenden Ordnung wäre ich nicht klar gekommen."

"Ich würde nicht flüchten wollen"

Chisari wanderte für zwei Jahre mit seinem Vater nach Italien aus, kam dann wieder zurück und stellte fest: "Deutschland ist ein sehr lebenswertes Land." Er sei im Laufe der Jahre gereift. Und nachdem Russland die Ukraine im Februar 2022 überfiel, kam er neu ins Grübeln.

"Ich habe überlegt: Was würde ich tun, wenn auch in Deutschland Krieg ausbricht? Ich würde nicht flüchten wollen." Sein Platz sei hier in der Gesellschaft. "Je älter ich werde, desto mehr lerne ich Deutschland zu lieben. Und was man liebt, sollte man schützen."

Bundeswehr-Gelöbnis Fulda Vittorio Chisari

Chisari stellt sich nun dem Heimatschutzregiment in Hessen zur Verfügung. In ganz Deutschland werden fünf dieser Art aufgebaut. Das in Hessen soll bis Oktober 2024 stehen und 1.200 Dienstposten umfassen. Bislang haben sich dafür bereits 2.000 Menschen gemeldet, so Oberstleutnant Meinrad Angermayer vom Landeskommando Hessen. Mit dieser hohen Bewerberzahl sei man sehr zufrieden. Sie sei im Vergleich zu Mitte Oktober weiter gestiegen.

Frieden ist nicht mehr selbstverständlich

Nach Russlands Überfall auf die Ukraine soll mit den neuen Regimenten die Sicherheit hierzulande gestärkt werden. Krieg in Europa sei wieder möglich, Frieden nicht selbstverständlich, erklärte das Landeskommando. Die neuen Heimatschützer müssten bereit sein, Deutschland notfalls "mit der Waffe in der Hand" zu verteidigen.

Eingesetzt werden sollen sie zum Schutz der kritischen Infrastruktur wie etwa Flughäfen und Kasernen. Helfen könnten sie aber auch bei Naturkatastrophen und Pandemien. Jeder und jede Deutsche bis 57 Jahre kann sich laut Bundeswehr melden - auch ohne militärische Erfahrung.

Alle Bewerber in Hessen durchlaufen einen Gesundheitstest sowie einen Sicherheitscheck - eine Aufnahme von Extremisten soll so strikt vermieden werden. Bewerben könnten sich auch frühere Kriegsdienstverweigerer wie Chisari.

Schießen, tarnen, täuschen

Im Ernstfall wolle er sich und sein Land verteidigen können, nennt dieser heute seine Motivation. "Wenn man weiß, was zu tun ist, sind die Überlebenschancen größer. Weglaufen löst keine Probleme." Angst, im Kampf zu sterben, habe er nicht. "Das Leben vergeht so oder so", findet Chisari, der sich als gläubigen Christen bezeichnet.

Und er betont: "Ich will nicht so lange wie möglich, sondern so gut wie möglich leben. Dazu gehört auch, sich und seine Mitmenschen im Ernstfall zu beschützen." Seine Freundin und seine Familie sehen das allerdings mit gemischten Gefühlen, erzählt der Offenbacher, der im zivilen Leben in einer Wirtschaftsauskunftei arbeitet.

Dort wurde er für die Grundausbildung der Reservisten freigestellt. Sie dauerte zweimal zwölf Tage und endete mit der Rekrutenprüfung. Nun ist er Jäger der Reserve. Er habe Grundlagen vermittelt bekommen: "Schießen, tarnen und täuschen." Und auch, wie man 36 Stunden in der Wildnis überlebt.

"Wichtig, Zivilcourage zu zeigen"

Felix Beßler, der sich ebenfalls zum Reservisten ausbilden ließ, wurde genau wie Chisari erst im zweiten Anlauf Soldat. Als er jung war, machte er lieber Zivildienst. Aber durch den Krieg in der Ukraine habe sich seine Einstellung geändert. "Die Verteidigungsbereitschaft hat mich beeindruckt." Und es sei wichtig, auch hier Zivilcourage zu zeigen. "Des Risikos, im Ernstfall kämpfen, töten und sterben zu müssen, bin ich mir bewusst", sagt der 44 Jahre alte Lehrer aus Eltville im Rheingau.

Bundeswehr Gelöbnis Fulda

Auch sein Kamerad Alfons Niederländer sieht es so: "Es muss mutige Menschen geben, die es machen." Der PR-Manager aus Frankfurt ist bereits über 50. Dass er mitwirken kann, hat er seinem Optiker zu verdanken. Im Jahr 1982 fiel er bei seiner Musterung noch durch. Wegen seiner Sehschwäche und einer schlechten Brille. Nun hatte er passende Gläser und bestand den Gesundheitscheck.

Soldaten sind "personifiziertes Schutzversprechen"

So war auch er am Freitag unter den 30 Rekruten und sechs Rekrutinnen unter der Regie des Landeskommandos Hessen, die nach ihrer nun abgeschlossenen Ausbildung durch das Gelöbnis in die Gemeinschaft der Soldaten aufgenommen wurden. Es war das erste Gelöbnis in der Domstadt seit 1979. Der militärische Appell fand in Fulda am Jubiläumstag zur Gründung der Bundeswehr am 12. November 1955 statt.

Bundeswehr-Gelöbnis Fulda

Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sprach am Freitag in Fulda zu den neuen Rekruten. Er betonte: "Unsere Soldatinnen und Soldaten stehen ein für 84 Millionen Menschen in Deutschland. Sie garantieren Freiheit, Stabilität und Sicherheit." Sie seien das "personifizierte Schutzversprechen des Staates" gegenüber seinen Bürgern. Deshalb wolle man zeigen: "Die Bundeswehr gehört in die Mitte der Gesellschaft."

Rhein erklärte, die Reservisten seien ein bedeutender Teil des Militärs. Sie bauten Brücken zwischen Bundeswehr und Gesellschaft. "In Notlagen wie der Flut oder der Corona-Pandemie können wir uns stets auf sie verlassen", betonte Rhein und zollte den Reservisten in Fulda höchsten Respekt für ihre Bereitschaft.

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