Beflaggung am Frankfurter Römer mit den Flaggen Israels und Bundesrepublik Deutschland.

Alljährlich wird am 9. November der Reichspogromnacht gedacht. Doch in diesem Jahr empfiehlt die Landesregierung zusätzlich die Beflaggung öffentlicher Gebäude - als deutliches Zeichen gegen Hass und Antisemitismus.

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Gedenkfeiern zum 9. November

Stolpersteine Ehepaar Gerst
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Zum 85. Jahrestag für die Opfer der Reichspogrome von 1938 und als Zeichen der Solidarität mit Israel empfiehlt Hessen die Beflaggung öffentlicher Gebäude. Alle Landesbehörden und Kommunen seien gebeten, am Donnerstag, 9. November, "die europäische, deutsche und hessische sowie bei Verfügbarkeit auch die israelische Flagge auf Vollmast zu setzen", teilte die Landesregierung in Wiesbaden am Mittwoch mit. Mehrere Städte haben mitgeteilt, dem Aufruf zu folgen.

Mehr Polizeipräsenz rund um Gedenktag

Gewöhnlich sei der 9. November "eigentlich keiner der regelmäßigen hessischen Beflaggungstermine", sagte Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Mit Blick auf den jüngsten Terrorüberfall der radikalislamischen Hamas auf Israel versicherte er: "Hessen setzt sich entschlossen und geschlossen gegen Antisemitismus, Hass und Hetze ein und wird auch in Zukunft konsequent für jüdisches Leben einstehen."

Innenminister Peter Beuth (CDU) verwies auf ein "dauerhaft hohes Niveau" des Schutzes von Einrichtungen des jüdischen Lebens. Für den diesjährigen 9. November und die Tage vor und nach dem Gedenktag werde die hessische Polizei ihre Präsenzmaßnahmen nochmals anpassen. Das Landeskriminalamt betonte zuletzt: Hinweise auf konkrete Bedrohungen lägen derzeit nicht vor.

Zuletzt waren von mehreren Gebäuden in Hessen Israel-Flaggen entwendet worden. Am Frankfurter Römer hatte eine zehnköpfige Gruppe die Fahne vom Mast gerissen und später verunglimpft. Der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) erstattete Strafanzeige. Unbekannte zweimal Israel-Flaggen von einem Fahnenmast am Hanauer Marktplatz gestohlen. In beiden Fällen konnten Tatverdächtige ermittelt werden. In Wiesbaden hatte die Polizei eine Frau festgenommen, die mit einer Gruppe eine Fahne vor dem Rathaus Wiesbaden abgerissen haben soll.

Bildungsstätte fordert Kampf gegen Judenhass

Zum Jahrestag der Pogromnacht und angesichts der aktuellen Lage im Land forderte die Bildungsstätte Anne Frank einen entschlossenen Kampf gegen Antisemitismus.

Deutschland erlebe eine beispiellose Welle antisemitischer Gewalt. "85 Jahre nach den Novemberpogromen von 1938 haben Jüdinnen und Juden erneut Angst, auf die Straße zu gehen, ihre Kinder zur Schule zu schicken oder sich in der Öffentlichkeit als Juden zu erkennen zu geben", sagte die Direktorin der Bildungsstätte, Deborah Schnabel, am Mittwoch in Frankfurt.

"Antisemitismus in allen gesellschaftlichen Milieus"

Der Kampf gegen Judenhass müsse entschlossen vorangetrieben werden, ohne ihn für populistischen Stimmenfang zu instrumentalisieren. Politiker würden es sich zu bequem machen, wenn sie den Antisemitismus jetzt ausschließlich bei Muslimen, Geflüchteten oder unter Linken verorteten, betonte Schnabel.

Selbstverständlich müssten islamistische Terrororganisationen in Deutschland konsequent verfolgt werden. Aber: Die Klage über einen angeblich "importieren Antisemitismus" nähre ein rassistisches Narrativ. Und: "Antisemitismus ist in allen gesellschaftlichen Milieus verbreitet."

Gedenkstunde in Westend-Synagoge

In der Pogromnacht 1938 zerstörten Nationalsozialisten zahlreiche jüdische Geschäfte und Einrichtungen in Deutschland. Sie zündeten Synagogen und Gebetshäuser an, demolierten jüdische Friedhöfe und stürmten Wohnungen. Historiker gehen von mehr als 1.300 Menschen aus, die bei den Pogromen ums Leben kamen. Etwa 30.000 Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt.

Auch in Frankfurt brannten Synagogen: So seien etwa die Börneplatzsynagoge und die Hauptsynagoge dem Novemberpogrom zum Opfer gefallen, erklärte die Jüdische Gemeinde in Frankfurt. "Tatenlos schauten die herangerückte Feuerwehr und etliche Schaulustige den Flammen zu", hieß es. Lediglich die Westend-Synagoge überstand den Pogrom schwer beschädigt.

Dort findet am Donnerstagabend auch eine Gedenkstunde statt. Unter anderem werden der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Schriftsteller Bernhard Schlink ("Der Vorleser") erwartet.

Stolpersteine zum Glänzen bringen

Unterdessen rief die Initiative Stolpersteine Frankfurt zum Putzen der Gedenksteine auf. "Frankfurts Stolpersteine sollen zum 9. November wieder glänzen", erklärte der Koordinator der Initiative, Martin Dill. Für die Reinigung der Messingplatten mit den Namen und Lebensdaten der Opfer seien alle gebräuchlichen Putzmittel für Metalle geeignet. Am Gedenktag selbst sei auch das Niederlegen von Blumen oder das Aufstellen von Lichtern an den Steinen eine würdige Form des Gedenkens.

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